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Die Porzellansammlung des Kunstgewerbemuseums ist in zwei Gruppen aufgestellt: die ostasiatischen Porzellane im Raum 60—61, die europäischen Porzellane im Raum 57—59. Einzelne Stücke sind zu dekorativen Zwecken in den Räumen des Erdgeschosses verteilt, die größeren Vasen auf Schränken, Kommoden und Tischen, kleinere Porzellane in Glasschränken.
Bedeutendere Porzellansammlungen befinden sich außerdem in der Königl. Porzellanmanufaktur zu Charlottenburg, im Hohenzollernmuseum und im Märkischen Museum.
Zahlreiche Porzellane besitzen die Königl. Schlösser in Berlin, Charlottenburg und Potsdam, zum großen Teil Stücke von außergewöhnlicher Schönheit und Seltenheit. Die meisten gehen auf Friedrich den Großen, einen leidenschaftlichen Porzellaniebhaber, zurück. Besonders hervorragende Porzellane befinden sich im Neuen Palais in Potsdam, während das Charlottenburger Schloß noch ein ganzes Porzellankabinett, ein eigens zur Aufnahme von Porzellanen bestimmtes Zimmer, mit fast ausschließlich ostasiatischer Ware enthält.
Endlich gibt es auch in Berlin sehr reiche und ausgewählte Porzellansammlungen in Privatbesitz, die weiteren Kreisen in Sonderausstellungen des Museums vorgeführt werden konnten. (Vgl. Europäisches Porzellan des 18. Jahrhunderts. Katalog der vom 15. Februar bis 30. April 1904 im Lichthofe des Königl. Kunstgewerbemuseums zu Berlin ausgestellten Porzellane. Von Adolf Brüning in Verbindung mit Wilhelm Behncke, Max Creutz und Georg Swarzenski. Berlin 1904. Verlag von Georg Reimer.)
Das vorliegende Handbuch schließt sich zunächst dem Bestande des Museums an. Hauptsächlich ist das deutsche Porzellan berücksichtigt. Da das chinesische und japanische Porzellan in Form und Dekoration auf das europäische Porzellan von entscheidendem Einflusse gewesen ist, und somit dieses ohne jenes nicht verstanden werden kann, so konnte auf eine knappe Behandlung des ostasiatischen Porzellans
Brüning, Porzellan. 1
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nicht verzichtet werden, so schwierig es auch ist, die Kunst eines Volkes ohne eingehende Kenntnis seiner Sprache und Kultur zu würdigen. Ebenso dürften auch die Erzeugnisse von Vincennes-Sèvres in dem Rahmen dieses Handbuches nicht fehlen, da dieselben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vielen deutschen Fabriken als Vorbilder gedient haben. Dagegen konnte auf eine eingehendere Darstellung der Geschichte der italienischen, spanischen und englischen Fabriken, die zudem in den Sammlungen des Museums nur sehr schwach vertreten sind, verzichtet werden, da die deutsche Porzellanfabrikation von ihren Produkten nicht berührt worden ist. Die im 18. Jahrhundert wenig bedeutenden Porzellanfabriken der skandinavischen Länder sind nicht aufgenommen worden.
Die Darstellung schließt mit der Geschichte der historischen Stile ab.
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Zur Kenntnis der Natur des Porzellans und seiner Vorzüge vor den anderen keramischen Erzeugnissen dient am besten ein kurzer Überblick über die Tonwaren, soweit dieselben eine künstlerische Veredelung erfahren.
Man unterscheidet poröse und dichte Tonwaren. Bei den porösen ist der Scherben nicht dicht, sondern durchlässig, porös, d. h. er saugt Wasser auf und ist so weich, daß er sich mit dem Messer ritzen läßt. Gebrochen hat er ein erdiges Aussehen. Bei den dichten Tonwaren saugt dagegen der Scherben nicht mehr Wasser, er ist völlig geschlossen, d. h. gesintert und von muscheligem Bruch, der Stahl gleitet von ihm ab.
Zu den porösen Tonwaren gehören zunächst die Terrakotten, die aus gebranntem Ton ohne weiteren Überzug bestehen, dann die unglasierten sog. prähistorischen Tongefäße, sowie die griechischen und uniteralischen Tonwaren, die in der Regel mit einer schwarzen Firnisfarbe überzogen sind.
Um den porösen Scherben völlig gegen Wasser undurchlässig zu machen und ihm zugleich ein gefälliges Ansehen zu geben, überzieht man ihn mit Glasur, entweder mit einer durchsichtigen Bleiglasur, wie bei den glasierten Irdenwaren, den mittelalterlichen Fliesen und den Hafnerarbeiten der Renaissance, oder mit einer opaken Zinnglasur, wie bei der europäischen Fayence (Majolika), oder mit alkalischen Glasuren, wie bei den orientalischen Fayencen. So reichenschmuck an Malereien u. a. diese Tonwaren tragen können, so gering ist ihre praktische Brauchbarkeit, da die Glasur leicht abblättert und zerspringt.
Durch härteren, feinkörnigen Scherben von weißer oder nahezu weißer Farbe zeichnet sich das Steinzeug aus. Es trägt eine durchsichtige, meist bleihaltige Glasur, die aber vom Messer leicht geritzt wird und auch bei Temperaturveränderungen Haarrisse bekommt.
Den dichten Tonwaren ist das Steinzeug beizuzählen, das einen so harten Scherben besitzt, daß er, am Stahl
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geschlagen, Funken gibt. Er hat in der Regel eine dunkle Farbe. Bei dem rotbraunen Steinzeug der Chinesen, der diesem entsprechenden „Böttgerware“ und den Steinzeug-arbeiten Wedgwoods (Jasper-, Basaltware u.a.) ist der Scherben in der Masse gefärbt.
Von gleicher Dichtigkeit und Härte ist das Porzellan (porcella, Schweinchen, Name für die rundlichen See-schnecken, deren Gehäuse porzellanartig aussieht). Vor dem Steinzeug hat es besondere Eigenschaften voraus: eine schöne milchweiße Farbe, die Durchsichtigkeit (bei mäßiger Stärke des Scherbens) und das Vermögen, raschen Temperaturwechsel gut zu ertragen. Vor den porösen Ton-waren, insbesondere der ihm in der äußeren Erscheinung oft angleichenden Fayence oder dem Steingut, zeichnet es sich außer durch seine Härte durch die schöne und dünne Glasur aus, die mit dem Scherben sich unauf-löslich im Brande verbindet hat, so daß sie niemals abspringen kann. Alle diese Eigenschaften, zu denen noch der helle Klang zu rechnen ist, machen das Porzellan wie keinen anderen Stoff zu Eß- und Trinkgeschirren geeignet. Dazu kommt seine reiche Dekorationsfähigkeit, in dem sowohl die Kunst des Bildhauers wie des Malers sich an ihm betätigen kann.
Die Hauptbestandteile der Porzellanmassen bilden die Kaoline, welche die reinste Form der Tone darstellen. Da die Kaoline für sich feuerfest und unschmelzbar sind, setzt man ihnen als Flußmittel Feldspat zu, der in der hohen Brenntemperatur zu einem emailartigen Glase schmilzt und die einzelnen unschmelzbaren Kaolinteilchen zu einer festen Masse verkittet. Der Chinese veranschaulicht dieses Ver-hältnis beider Substanzen dadurch, daß er das Kaolin das Knochengertist, den Feldspat das Fleisch des Porzellans nennt. Ist das Kaolin nicht schon von vorneherein quarz-haltig, so muß noch ein besonderer Zusatz von Quarz zur Masse beigefügt werden. Je nach der Art und der Zusammensetzung ihrer Bestandteile sind die Porzellane auch in ihrem Aussehen und ihren Eigenschaften verschieden. Die wichtigsten Arten sind folgende:
1. Das chinesische und japanische Porzellan;
2. Das europäische Hartporzellan (pâte dure);
3. Das Weichporzellan (pâte tendre).
Das ostasiatische Porzellan steht hinsichtlich seiner Härte ungefähr in der Mitte zwischen dem europäischen Hartporzellan und den Weichporzellanen.
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Das chinesische Porzellan unterscheidet sich, ebenso wie das japanische, in seiner Zusammensetzung wesentlich von den europäischen Hartporzellanen. Während bei diesen das Kaolin den Gehalt an Feldspat und Quarz überwiegt oder zum wenigstens ihm gleichkommt, ist dagegen bei dem ostasiatischen Porzellan der Kaolingehalt geringer als der der beiden anderen Substanzen. Auch die Glasuren zeigen bedeutende Verschiedenheiten. Die Glasur des europäischen Hartporzellans besitzt einen hohen Gehalt von Feldspat und ist von milchigem Aussehen, die Glasur des ostasiatischen Porzellans ist dagegen stark kalkhaltig und infolgedessen sehr durchsichtig und von grünlichem bzw. bläulichem Ton. Infolge dieser verschiedenartigen Zusammensetzung der Masse und Glasur ist das ostasiatische Porzellan weniger hart als das europäische Hartporzellan, die Garbrandtemperatur ist demgemäß wesentlich niedriger als bei diesem.
Wenn nun auch infolgedessen das ostasiatische Porzellan gegen raschen Temperaturwechsel und scharfen Stoß empfindlicher ist, so hat es doch in künstlerischer Hinsicht große Vorzüge vor dem europäischen Hartporzellan. Die erheblich leichter flüssige Glasur läßt sich mit Metalloxyden, die beim
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Garbrand des Hartporzellans nicht zur Entwicklung kommen würden, aufs reichste und mannigfaltigste färben, die Unterglasurmalerei läßt sich viel glänzender und in einer größeren Anzahl von Tönen anwenden, sodann ermöglichen sich auf dem ostasiatischen Porzellan bestimmte Dekorationen, wie die Emails auf Biskuit und die Malerei auf der Glasur mit Emailfarben, die das Hartporzellan nicht erlaubt.
Endlich gestattet die Natur des Materials, daß ohne Verglühbrand gearbeitet werden kann. Während in Europa das aus der Masse geformte Gefäß zunächst in einem leichten Brande verglüht wird, bevor man es in den Glasurbrei taucht, wird in China der aus der Porzellanmasse hergestellte Gegenstand nur an der Luft getrocknet. Allerdings muß dann beim Aufbringen der Glasur größere Vorsicht bewahrt werden. Größere Gefäße erhalten die Glasur durch Aufblasen. Der
Abb. 2. Schüssel mit Seladonglasur. China.
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Arbeiter bläst aus einem Bambusrohr, das an dem einen Ende durch einen feinen Seidenstoff geschlossen ist, den dünnen Glasurbrei auf das Gefäß auf. Es werden auf diese Weise eine größere Anzahl von Lagen, die letzten jedesmal mit einem Pinsel aufgetragen, damit die Glasur sich möglichst gleichmäßig verteilt. Die Arbeitsteilung bei der Herstellung und Bemalung der Porzellane ist sehr groß. Ein Jesuit, namens d'Entrecolles, der in den Jahren 1712 und 1720 in zwei Briefen über die chinesische Porzellanfabrikation eingehend berichtet, erzählt, daß an einem einzigen Stück oft 70 Leute beschäftigt gewesen seien.
Weitlaus die größte Menge aller chinesischen Porzellane von künstlerischer Qualität wurden in der Stadt Ching-te-chên in der Provinz Kiang-si hergestellt, wo sich auch die schon im 11. Jahrhundert begründete kaiserliche Manufaktur befand. Die Stadt besitzt eine für die Porzellanfabrikation sehr günstige Lage. Nicht weit von ihr befinden sich die Lagerstätten des Kaolins. Auf dem Wasserwege können sowohl die Rohstoffe hergeschafft, als auch die fertigen Waren nach Peking gebracht werden. D'Entrecolles berichtet, daß zu seiner Zeit Ching-te-chên eine Million Seelen und dreitausend Porzellanöfen besessen habe.
Die wichtigsten Dekorationsmittel des chinesischen Porzellans lassen sich in vier Gruppen gliedern: a) die farbigen Glasuren, b) die Unterglasurmalerei, c) die Emails auf Biskuit, d) die Überglasurmalerei.
Farbige Glasuren...
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beim Einkratzen schräg gestellt worden, so daß die Linien ziemlich breit und derb geworden sind. Möglicherweise ist es noch ein älteres Stück aus Ting-chou, während die Schalen (Inv. Nr. 79, 1173 und 79, 1414) mit eingeprägten Mustern wohl spätere Imitationen aus Ching-tê-chên sind. Noch jünger ist die Schale 79, 1167, bei der ein braun gemalter Rand den Kupferreif ersetzt.
Eine andere viel häufiger auftretende Gruppe von Weißporzellanen, die in Sammlerkreisen unter den Namen »blancs de Chine« bekannt sind, besitzt eine dicke sammtartige Glasur von crème- oder elfenbeinfarbener Tönung. Sie wurden in Tehua in der Provinz Fuchien fabriziert. Eine sehr beliebte in dieser weichporzellanartigen Masse hergestellte Form ist der Weinbecher bzw. die Opferschale in der Abb. 1 rechts. Die eigentümliche Form derselben ist eine Nachbildung einer aus Rhinoceroshorn geschnitzten Schale. In Relief sind Blütenzweige, sowie Drachen und der chinesische Phönix dargestellt. Die Statuette der Kuan-yin (Abb. 1, Schrank 466) aus derselben Masse ist mit kalter roter Farbe bemalt.
Durch Verbindung mit verschiedenen Metalloxyden nimmt die Glasur im scharfen Feuer des Garbrandes wechselnde Färbungen an. Unter diesen Metalloxyden steht an erster Stelle das Kupferoxyd, das je nach dem Grade der Oxydation der Glasur eine rote, grüne oder türkisblaue Färbung gibt. Der schönste durch dieses Metalloxyd ge-
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wonnene Farbton ist ein tiefes leuchtendes Blutrot (sang-de boeuf), das entsteht, wenn die Glasur in reduzierender Flamme geschmolzen wird, d. h. wenn infolge sparsamen Luftzutritts dem Feuer der Sauerstoff entzogen wird. Wird dagegen die mit Kupferoxyd versetzte Glasur in oxydierendem
Abb. 4. Vase mit blauer Unterglasurmalerei. China um 1700.
Brande, d. h. bei reichlichem Luftzutritt, also mit überschüssigem Sauerstoff gebrannt, so entstehen mannigfach gefleckte und geflammte Töne (flambés), rote, violette, blaue und grüne Farben in reizvollem Spiel. Zahlreiche Porzellane
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im Schrank 466 zeigen die verschiedenen Möglichkeiten, die
diese Kupferoxydglasuren im Brande entwickeln. Es ist
wie ein glänzendes farbenprächtiges Feuerwerk, das die
Glut des Feuers auf die Flächen der Gefäße festgebannnt
hat. Besonders geschätzt sind solche Porzellane, deren
Farbe den zarten Tönen der Haut des Pfirsichs gleicht
(peach bloom).
Bescheidener ist die Farbwirkung, die das Eisenoxyd in
der Glasur hervorruft. Zunächst ist so ein etwas trübes
Grün, als Seladongrün bekannt. Die so gefärbten Porzellane,
die zu den ältesten chinesischen Porzellanen, die wir noch
besitzen, gehören, sind in der Regel nicht glatt, wie die
Gefäße mit den glänzenden Kupferglasuren, sondern mit
Reliefs oder eingravierten Ornamenten versehen. Die in
den Tiefen der Gravierungen liegende Glasur erscheint
naturgemäß dunkler als die übrige auf den erhöhten Stellen
aufliegende Glasur. (Vergl. die Abb. 2.) Bei den älteren
Stücken zeigt sich auf dem Boden ein rostbrauner Ring,
die Spur des Untersatzes, auf dem das Porzellan beim
Branne gestanden hat. Der Name Seladon wurde diesem
Porzellan im 17. Jahrhundert nach dem grüngekleideten
Helden des Romanes L'Astrée von Honoré d'Urfé beigelegt.
Ebenfalls aus Eisenoxyd gewonnen wurde eine braune Glasur,
die in ihrer Farbe an Milchkaffee (café au lait) erinnert.
Sie wurde mit besonderer Vorliebe auf der Außenseite von
3𝑓𝑡 Tassen mit Blaumalerei angewendet. (Vergl. Schrank 464.)
Außer diesen Scharffeuer glasuren gibt es noch blaue
Glasuren aus Kobalt und schwarze aus Kobalt in Verbin-
dung mit Mangan- oder Eisenoxyd, die ebenso im Gar-
brande auf das lufttrockene Gefäß beigeerbest werden. Eine
mit glänzender schwarzer Glasur versehene eiförmige Vase
mit Goldmalereien in prachtvoller französischer Bronze-
fassung ist im Rokokozimmer ausgestellt. (Siehe die Ab-
bildung im Rokokohandbuch.)
Andere Glasuren werden in einem schwächeren Brande
aufgebracht, nachdem das Gefäß zuvor ohne Glasur gar ge-
brannt worden ist. Diese auf Biskuit aufgelegten Glasuren
sind Bleiglasuren: ein Türkisblau und Grün aus Kupfer-
oxyd, ein Violettblau aus Manganoyxd, und ein Gelb aus
Antimonoyxd.. Gefäße und Figuren mit türkisblauen und
manganvioletten Glasuren erscheinen sehr häufig in franzö-
sischen Bronzefassungen (Louvre).
Endlich kommen auch farbige Glasuren bzw. Emails
vor, die .auf das fertig glasierte Gefäß in dem schwachen
Muffelofe aufgebrannt werden. Dazu ist vor allem das
schöne Korallenrot zu rechnen, das aus Eisenoxyd ge-
wonnen, sowie ein Purpurrot, das aus Gold hergestellt wird.
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Die Anwendung aller dieser farbigen Überzüge ist über-
aus mannigfaltig. Sie werden sowohl als einheitlicher Ton
verwandt, als auch in Verbindung mit anderen Dekorationen,
indem in dem farbigen Fond Reserven ausgespart werden.
Abb. 5. Vase mit roter Unterglasurmalerei. China 18. Jahrh. 39/1
Mit Hilfe dieser mannigfachen Farbtöne ist es den chinesi-
schen Porzellankünstlern auch gelungen, die Farbenwirkung
anderer Stoffe bis zur Täuschung zu imitieren. Es gibt fast
kein Material,..das nicht in Porzellan nachgebildet worden
wäre: Bronze, Eisen, Holz, Lack, Glas, Schlangenhaut,
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Leder usw. Eine Nachahmung der Wirkung des Marmors zeigt eine Vase im Schrank 466, während ein Gefäß mit einem Einhalt im Schrank 476 völlig einem mit Gold und Silber tauschierten Bronzegefäß gleicht.
Bei den eigentlichen Glasuren ist noch eines besonderen Effektes Erwähnung zu tun, der offenbar anfangs nur ein unbeabsichtigter Fehler, dann aber als künstlerisches Mittel bewußt und mit überlegter Berechnung angewandt wurde. Es ist die sog. Krakelierung, bei der die Glasur so zerrissen ist, daß ihre Oberfläche mit einem eng- oder weitmaschingen Netz von feinen Linien überzogen ist. Um die Wirkung zu erhöhen, sind diese Risse oft mit schwarzer oder roter Farbe eingereiben. Die Chinesen vergleichen die Zeichnung dieser Krakeluren mit gespaltenem Eis, Fischrogen usw., je nach der Beschaffenheit des Musters. Diese Haarrisse sind die Folge eines mechanischen Vorganges; sie entstehen dadurch, daß beim Erkalten des Gefäßes nach dem Brande sich die Glasur schneller zusammenzieht als die Masse des Gefäßes selbst und infolge dessen reißt. Dieses verschiedene Dehnungsverhältnis zwischen Glasur und Masse erzielen die chinesischen Töpfer dadurch, daß sie der Glasur Speckstein zusetzen.
Unterglasurmalerei
Bei der Unterglasurmalerei wird in Europa auf dem verglühten, in China auf dem lufttrockenen Gefäße gemalt, dann dasselbe in bemaltem Zustande mit der Glasur versehen und in der hohen Temperatur des Gutfeuers gebrannt. Nach dem Brande liegen die Farben unter der Glasur, wie durch einen durchsichtigen Panzer geschützt. Nur wenig Metalloxyde halten diesen starken Brand aus: das Kobaltoxyd, das eine blaue Farbe gibt, und das Kupferoxyd, das eine rote Farbe hervorruft. Auf dem europäischen Hartporzellan des 18. Jahrhunderts konnte nur die blaue Farbe als Unterglasurfarbe verwandt werden, das Kupferrot vermochte man nicht herzustellen. Aber auch das Blau kam in der sehr hohen Temperatur des Garbrandes, den das europäische Porzellan verlangt, selten gut und in schönen klaren Tönen heraus. Die geringere Temperatur des Garbrandes, den das chinesische Porzellan erfordert, bewahrt dagegen das Kobaltoxyd viel mehr vor der Zerstörung, so daß die blaue Farbe voll und ganz in ungetrübter Schönheit sich entwickeln kann. Und die chinesischen Blaumaler, besonders in der Zeit um 1700, haben es denn auch verstanden, dieser Farbe alle den Reiz, den die Technik ihres Materials gestattete, abzugewinnen. Sie wissen dieselbe in der mannigfachsten Modellierung von den zartesten, hellsten bis zu tiefen, satten Tönen zu verwenden, so daß das Blau wie der vibrierende Ton der Geige
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Bewegung und Leben bekommt. Da die Pinselstriche von
dem lufttrockenen Scherben sofort aufgesogen werden, sind
Retouchen ausgeschlossen. Daher besitzen alle diese Unter-
glasmalereien den Vorzug der Frische und Ursprünglichkeit,
der den Überglasmalereien, die Korrekturen erlauben,
fehlt. Für die verschiedene Behandlung der Blaumalerei und
der zu den verschiedenen Zeiten wechselnden Nuancen des
Abb. 6. Blumengefäß mit Emails auf Biskuit. China bez.: Hsüanté (1426—1435).
Blaus gibt die Sammlung von Blauporzeilane im Schrank 465
reiches Material. Eines der schönsten Stücke ist die Walzen-
vase mit einer chinesischen Landschaft (Abb. 4).
Schwieriger als das_ Kobaltoxyd ist das_ Kupferoxyd,
das die unangenehme .Eigenschaft hat, sich im Feuer stark
zu verflüchtigen. Auch den Chinesen gelingt es nur selten,
einen schönen roten Ton zu erzielen, häufig .geht er ins
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bräunliche über; bei der Flasche 97, 108 im Schrank 494 ist er fast schwarz geworden. Es wird sowohl in Verbindung mit dem Kobaltblau als auch allein verwandt. Ausschließlich in Kupferrot bemalt ist die Kugelflasche in der Abb. 5, auf der Drachen über Wellen dargestellt sind. Vereinzelt kommen auch in Verbindung mit diesen beiden Unterglasurfarben zwei andere Scharffeuerfarben vor, das Seladongrün (siehe Seite 10) und das aus Eisenoxyd gewonnene Hellbraun (café au lait), wie auf dem als Persische Kanne gefäßten Porzellan 82, 725 im Schrank 464. Doch haben diese beiden Farben dann immer den Charakter eingelegter Glasuren.
Emails auf Biskuit
Die schon erwähnten Bleiglasuren, die in einem mittleren Feuer (demi grand feu) auf Biskuit als einfärbiger Fond aufgebracht werden, werden auch nebeneinander als mehrfarbiger Dekor verwendet, wie z. B. bei den beiden stehenden Gottheiten im Schrank 467. Ähnlich werden auch Gräße mit durchgetreten Emails dekoriert. Um die Farben voneinander zu trennen, sind die Ornamente entweder in starkem Relief aufgetragen, das durch seine Erhebungen die Farbflächen voneinander sondert, oder die Konturen der Zeichnungen sind erhoben, wie die hochstehenden Ränder der Ornamente auf den spanischen Azulejos (Wand 209—210), oder die Zeichnung ist eingraviert, wie bei dem Teeller mit grünem Grund im Schrank 464. Daneben gibt eine eigentliche Biskuitmalerei, bei der die Farbenflächen nur durch die gewöhnlich in Manganbraun gemalten Konturen getrennt sind, und bei der auch Muffelfarben, wie z. B. das Eisenrot auf der Konfektschale in Gestalt eines Lotosblattes (Schrank 467), angewandt sind. Diese Biskuitmalereien werden aufs höchste geschätzt, besonders die mit schwarzem Grunde, deren Wirkung einigermaßen durch die beiden viereckigen Flaschen mit weißen Blütenzweigen veranschaulicht wird. Schöner in der Zeichnung ist die viereckige Flasche, der der Hals fehlt, die auf grünem Grunde die Blumen der vier Jahreszeiten zeigt. Bei der Blumenvase in Gestalt eines halben Flaschenkürbis (Abb. 6) stehen die mythologischen Darstellungen auf gelbem Grunde.
Charakteristisch für diese Biskuitdekorationen sind die dünnen, durchsichtigen Emails, die das Korn des Biskuits durchscheinen lassen. Nur das Weiß, das niemals als Grundton, sondern nur zur Darstellung des Ornaments verwandt wird, ist opak.
Überglasurmalerei
Während die europäische... Porzellan...
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Flußmittel nur auf der Glasur befestigt, aber nicht von derselben aufgelöst werden, werden dagegen beim ostasiatischen Porzellan statt der Farben farbige Gläser (Emails) benutzt, in denen die färbenden Metalloxyde aufgelöst
Abb. 7. Vase. China bez.: Wan-li (1573—1619).
sind. Diese Emails liegen reliefartig auf dem Porzellan auf, während die europäischen Farben kaum fühlbar sind. Nur das. aus Eisenoxyd gewonnene Korallenrot und eine zumeist nur für die Konturen verwendete schwarze Farbe ist ebenso stumpf und dünn wie die europäischen Farben.
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Auch die ostasiatischen Emails werden in dem schwachen Muffelbrände auf der Glasur befestigt.
Versuche, diese Emails auch auf dem europäischen Hartporzellan anzubringen, sind gescheitert. Sie blättern im Brande ab und reißen dabei oft tiefe Löcher in die Glasur. Nur Massen von ähnlicher Zusammensetzung, wie das ostasiatische Porzellan, nehmen diese farbigen Gläser auf.
So schwierig es auch ist, die unseren europäischen ungeschulten Augen oft fremdartig anmutenden Schöpfungen der chinesischen Künstler voll zu würdigen, so gibt es doch etwas, das ohne weiteres verstanden werden kann und als eine allgemein gültige und von jeder nationalen Sonderlichkeit freie Schönheit immerdar sein Recht behaupten wird, das ist der wunderbare Wohlklang der Formen, der sich in den chinesischen Porzellanvasen ausdrückt. Linien von reinstem Ebenmaß und Formen von weichstem Schwunge, volle sanfte Rundungen, zarte Schwellungen und zierliche Biegungen — Schönheiten, die an die Reize des weiblichen Körpers erinnern, sind dem chinesischen Porzellan eigen. Es sind neben den griechischen Vasen die edelsten Formen, die überhaupt die Gefäßkunst aller Zeiten und Völker geschaffen. Gegenüber ihrer weicheren Anmut haben die griechischen Formen etwas Strengeres und Strafferes.
Wesentlich ist, das bei den chinesischen Porzellanvasen — soweit sie nicht direkte Kopien von Bronzegefäßen sind — die Henkel ganz fehlen, während diese bei den griechischen Gefäßen die Silhouetten stark bestimmen und entscheidend auf die Entwicklung der ganzen Form einwirken. Auch fehlen alle Pricklung und scharfen Absätze, in der Regel fließt eine schöne geschwungene Linie in ununterbrochenem Zuge vom Halse bis zum Fuß hinab — ein einziger voll ausklingender Ton.
Viele dieser Gefäßformen sind zweifellos schon in der älteren Bronzezeit geschaffen worden. Alle die Formen, deren Reliefschmuck unzweifelhaft ihre Herkunft aus der Grußtechnik oder Schnitzkunst (Nephrit, Jadeit) offenbart, kommen für unsere Zwecke nicht in Betracht. Sie sind es auch nicht, die von der europäischen Porzellankunst übernommen sind, sondern nur die, deren klarer unbestochener Umriss sie als keramische Form (ohne Rücksicht auf ihren Ursprung) brauchbar macht. Vielfach scheint durch Weglassen der Henkel und des Reliefschmucks die alte Form dem neuen Zweck angepaßt worden zu sein.
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Die schönsten und vollendetsten Formen erscheinen
zur Zeit des Kaisers K'ang-hsi (1663—1722). Sie sind es
auch, die insbesondere Eingang in die europäische Keramik
gefunden haben. Bemerkenswert ist ihre Größe und ihr.
monumentaler Charakter, zumaI im Gegensatz zu den kleinen
Abb. 8. Vase. China um 1700.
Formen der japanischen Keramik. Zum Teil liegt das an
der verschiedenen Zweckbestimmung. In China verwandte
man die Vasen auch als Dekoration, eine Bestimmung, die
Japan gar nicht kannte.
Brüning, Porzellan.
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In der Dekoration der chinesischen Porzellanvasen
herrscht ein zweifaches Prinzip, ein architektonisches und
ein malerisches. Bei jenem wird das Gefäß nach seinen
Bestandteilen durch Ornamente gegliedert und in besonderen
Bildflächen die Darstellungen eingesetzt. Es ist dasselbe
Abb. 9. Vase. China um 1700.
Prinzip, nach der auch der griechische Vasenmaler seine
Gefäße dekorierte (Abb. 10).
Bei dem malerischen Dekorationsprinzip wird die ganze
Fläche des Gefäßes ohne Rücksicht auf seine Gliederung
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als eine Einheit betrachtet, auf die der Maler wie auf eine
ausgespannte Leinwand seine Kompositionen setzt (Abb. 9).
Das architektonische Prinzip ist dasselbe, wonach
auch die europäische und westasiatische Kunst dekoriert.
Diese Gemeinschaftlichkeit erklärt sich aus den vielen Be-
ziehungen, in denen die ostasiatische Kunst zu der westlichen
gestanden. Über Babylonien gelangten griechische Kunst-
formen seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. nach China, und seit
dem Jahre 67 n. Chr. war es der Buddhismus, der eine Brücke
schlug zwischen dem Westen und Osten. Das, was die in-
dische Kunst an antiken Kunstelementen aufgenommen, ge-
langte auf diese Weise nach China. Besonders rege Wechsel-
wirkungen zwischen Europa und Westasien (Persien) einer-
seits und Ostasien andererseits herrschten sodann zur Zeit
der Mongolendynastie (1280—1367), als Herrscher desselben
Stammes zu gleicher Zeit auf den Thronen zu Bagdad und
Peking saßen. Schon 1252 fand der Gesandte Ludwig des
Heiligen in Karakorum einen Pariser Goldschmied Guillaume
Boucher, der für den Mongolenherrscher eine herrliche Tisch-
fontäne aus Silber arbeitete, und 1256 kam zahlreiche
chinesische Künstler und Handwerker nach Persien.
Dagegen scheint jenes malerische Dekorationsprinzip
ganz Eigentum des ostasiatischen Geistes zu sein. Vielleicht
hängt es mit dem hier am frühesten erwachten Sinn für die
Schönheit der Landschaft und dem sich hier zuerst offen-
barenden Gefühl für Natureindrücke zusammen. Schon im
4. Jahrhundert n. Chr. gab es in China einen Maler, der sich
das Problem stellte, „den Flug des wilden Schwanes zu
malen“, und zur Zeit der Sung-Dynastie (960—1279) feierte
die Landschaftsmalerei in China ihre höchsten Triumphe.
In Zusammenhang mit ihr steht die Wiedergabe einzelner
Naturmotive, besonders die Darstellungen der Pflanzenwelt,
denen in der Regel die Tiere mehr attributiv beigesellt sind
(Abb. 9). Die Wiedergabe der freien Willkür des Natur-
motivs mochte leicht die Schranken architektonischer Ge-
bundenheit gesprengt haben. Doch ist dieses malerische
Prinzip der Dekoration kein regelloses. Der Blumenzweig,
der die freie Fläche schmücken soll, wird mit einer Treff-
sicherheit hingesetzt, daß es scheint, er könne nicht anders
und nicht besser zur Füllung des Raumes verwandt werden
(Abb. 9, 13, 17).
Die Malerei ist im wesentlichen Umrißzeichnung, sie kennt
keine Schatten und keine Modellierung. Die Gegenstände
werden in auf der Fläche ohne Wiedergabe ihrer körperlichen
Rundung auf die Fläche projiziert, sie werden also flächig, nicht
als Körper dargestellt. Und was mit dem einzelnen Gegen-
stände geschieht, geschieht auch mit dem ganzen Land
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schaftsausschnitt, auch er wird als Fläche behandelt, ohne daß
versucht wird, durch perspektivische Darstellung in die Tiefe
zu gehen. Das Hinter- einander wird durch ein Übereinander
gegeben (Abb. 14), ein Verfahren, das für die^ Ausfüllung
von Flächen sich vortrefflich eignet und z. B. auch von den
flandrischen Gobelinwerkern angewandt wurde. Überhaupt
ist diese flächenhafte Malerei ein ausgezeichnetes Dekorations-
mittel, da sie sich mit dem Grunde, den sie schmücken
soll, aufs engste verbindet.
Schon der rein lineare Charakter der chinesischen Malerei
verrät ihre nahe Verwandtschaft mit der Kalligraphie. Noch
mehr zeigt dieses die starke Stilisierung, die selbst die direkten
Naturwiedergaben erfahren. Bei den Figuren ist das Spiel
der ^Gewänderfalten in feste Rhythmen gebannt, die Felsen
werden in bestimmt schematischer Form, nicht naturalistisch
dargestellt und selbst die Blumenblätter in einer allgemeinen
konventionellen Gestalt wiedergegeben, doch so, daß das
jeweilige Vorbild sich noch erkennen läßt. Daneben gibt
es aber zahlreiche Gegenstände, die völlig zu rein linearen
Motiven verschlängelt sind, wie die Fledermaus, Wellen und
Wolken (Abb. 5), Flammen u. a. Diese sowie die speziellen
Schöpfungen der chinesischen Phantasie, der Drache und
der Phönix, werden auch als rein ornamentale Einheiten
^benutzt. Andererseits hat vieles von dem, was uns nur als
gegenstandsloses Ornament erscheint, wie z. B. der Mäander,
bei den Chinesen eine bestimmte sinnvolle Bedeutung, so
daß es ohne Kenntnis chinesischer Sprache und Kultur
niemals möglich ist, die Bedeutung der chinesischen Deko-
ration ganz zu verstehen.
Nur auf literarischem Wege läßt sich einigermaßen dem
Ursprung des chinesischen Porzellans näher kommen, da erst
seit dem häufigeren Auftreten desselben auf europäischem
Boden, also seit dem 16. Jahrhundert, sich aus den erhaltenen
Stücken selbst eine leidlich feste Basis für ihre Datierung
gewinnen läßt. Schon um 600 n. Chr. wird in chinesischen
Quellen von »grünem Porzellan« (Seladon?) gesprochen.
Aber erst zur Zeit der T a n g -Dynastie (618—907), unter
der in China Malerei, Poesie und Musik hohe Pflege fanden,
erschienen feste Nachrichten, die an dem Vorhandensein
wirklichen Porzellans kaum Zweifel lassen. Denn wenn
keramische Waren jener Zeit als feinkörnig, dünnwandig,
durchsichtig und glänzend wie weißes Nephrit bezeichnet
werden, so kann man darunter nichts anderes als Porzellan
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verstehen. Auch die Erzählung, daß ein berühmter Musiker
aus zehn Porzellanschalen sich ein Glockenspiel gebildet
habe, weist auf wirkliches Porzellan hin. Der erste Fremde,
der in unzweideutigen Ausdrücken von Porzellan spricht,
war der Araber Soleÿman, der in der Mitte des 9. Jahr-
hunderts China bereiste. Zur gleichen Zeit mit der Ein-
führung des neuen Materials scheint auch der allgemeine
Abb. 10. Schüssel. China bez.: K'ang-hsi (1662—1722). 3/4
Gebrauch des Tees aufgekommen zu sein, möglicherweise
nicht ganz ohne inneren Zusammenhang.
Zur Zeit der Sung-Dynastie (960—1279) blühten schon
mehrere Porzellanfabriken, deren Erzeugnisse ziemlich genau
beschrieben werden, so daß man den Versuch gemacht hat,
bestimmte Stücke dieser Zeit zuzuweisen. Der in Ting-chou
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gefertigten weißen Porzellane ist schon auf S. 7 Erwähnung
getan, ebenso der Seladone, deren Hauptfabrikationsort Lung-
chüan (Provinz Chê-hiang) war. Die starkwandigen Seladone
waren anscheinend Exportware, die von dem Hafen Zaitun
in der Gegend von Amoy ausgeführt wurden und durch den
arabischen Handel bis nach Marokko gelangten. Seladone,
die auf diese Weise exportiert wurden, hat man in Japan,
Abb. 11. Rückseite umstehender Schüssel.
Borneo, Sumatra, in Indien, Jawa und auf den Philippinen
gefunden, in Sansibar zugleich mit chinesischen Münzen
des 10. und 11. Jahrhunderts. Das Museum besitzt Scherben
von Seladongefäßen, die in Fostat (Oberägypten) zusammen
mit anderen Gefäßen ausgegraben sind. Vielleicht ist die
grüne Farbe dieser Porzellane aus dem Bestreben zu erklären,
das so hochgeschätzte Nephrit nachzuahmen.
23
Auch andere farbigen Glasuren wußte man damals so-
wohl auf Porzellan wie Steinzeug herzustellen, so eine
wundervolle hellblaue Glasur (clair de lune). Wohl das
schönste in Europa befindliche Stück mit einer solchen
Glasur, ein großer Napf, befindet sich im Besitz des Herzogs
von Sachsen-Koburg-Gotha und ist im Museum zu Gotha
ausgestellt, ein kleineres Stück besitzt das Britische Museum
in London. Es ist nicht ausgeschlossen, daß dieselben aus
so früher Zeit stammen. Geflammte und krakelierte Glasuren
werden auch schon erwähnt, ebenso nimmt man an, daß
die Emails auf Bisquit ebenfalls bekannt waren. In Ching-
tê-chên, wo damals schon für den kaiserlichen Hof gearbeitet
wurde, fabrizierte man dünnes weißes Porzellan.
Unter der Mongolenherrschaft (1280—1367) scheint die
chinesische Porzellanindustrie im wesentlichen für den Export
gearbeitet zu haben. Erst unter den Ming-Kaisern (1368
bis 1643) nimmt die Porzellankunst einen erhöhten Aufschwung.
Die Produktion konzentriert sich jetzt allmählich fast ganz
auf Ching-tê-chên. Besonders sind es zwei Kaiser, deren
Regierungszeiten als Blüteperioden der Porzellankunst gelten,
Hsüantê (1426—1435) und Chêng-hua (1465—1487); ihre
Marken wurden später am häufigsten nachgeahmt. Gepflegt
wurde unter diesen Kaisern insbesondere die Unterglasur-
malerei und die Dekoration auf Bisquit. Indessen läßt sich
kein einziges Stück mit positiver Sicherheit aus dieser Zeit
nachweisen, wenn es ja auch nicht ausgeschlossen ist, daß
z. B. die große Schüssel mit Drachen in roter Unterglasur-
malerei im Völkermuseum, sowie das Gefäß Nr. 271 in der
Sammlung Franks im Britischen Museum mit Blaumalereien,
die die Marke des Kaisers Chêng-hua tragen, wirklich aus
dieser Zeit stammen.
Erst im 16. Jahrhundert lichtet sich allmählich der
Nebel, der über der chinesischen Porzellankunst der früheren
Jahrhunderte lagert. Für die Zeit des Kaisers Chia-ching
(1522—1566) lassen sich schon eine große Anzahl charakte-
ristischer Stücke nachweisen. Dazu gehören vor allem
Porzellane mit Malerei in Kobaltblau, das einen ganz
besonders tiefen leuchtenden Ton hat. Das Blau tritt aber
zumeist nur in einer Nuance auf, die spätere modellierende
Behandlung dieser Farbe kommt fast noch gar nicht vor.
Der Ton des Blaus entspricht annähernd dem auf der kleinen
Vase Inv. Nr. 79, 1186, die die Marke des Kaisers Wan-li
(1573—1619) trägt. Daneben erscheint aber auch im 16. Jahr-
hundert ein blaßrosa, oft träbes Blau, wenigestens zeigen die
in jener Zeit in Edelmetall gefaßten Porzellane derartige
Töne, wie z. B. die in der Abb. 3 dargestellte Kanne, deren
silberne vergoldete Montierung die Marke des Erfurter
24
Goldschmieds Georg Berger (1560—1577) trägt. Das Blau
ist bei diesem Stück ziemlich trübe, es tritt in schwarzen
Punkten und Flecken an die Oberfläche der blasigen Glasur.
Dagegen ist das Blau der chinesischen Kanne in der Samm-
lung Salting im Viktoria- und Albert-Museum in London,
Abb. 12. Vase. China um 1700.
deren englische Silberfassung aus dem Jahre 1585 stammt,
sehr blau. Zahlreiche Blauporzellane mit Marken von Kaisern
des 16. Jahrhunderts besitzt die Sammlung Franks im Bri-
tischen Museum. Von den Stücken des Kunstgewerbe-
museums gehören dieser Zeit bzw. dem Anfang des 17. Jahr-
25
hunderts wahrscheinlich der Napf Inv. 03, 122, und 90, 239
an, sowie die kleine Vase 79, 1186, die die Marke des
Kaisers Wan-li trägt.
Auch mehrere der Gefäße in persischen Formen, die
großen Kannen, Wasserpfeifen usw. sind wahrscheinlich
um 1600 in China für den Export nach Persien ge-
arbeitet. Unter den Gebäuden der Moschee des Schech
Safi in Ardebil befindet sich auch ein Porzellanhaus, in.
dem jetzt noch etwa fünfhundert chinesische Porzellane,
zumeist mit Blaumalereien, am Boden stehen. Früher waren
sie in Wandnischen untergebracht, ähnlich wie später im
18. Jahrhundert in den europäischen Schlössern in Porzellan-
kabinetten die Porzellane aufgestellt wurden. Schatz Abbas I.
(1586–1628), der Erbauer der Moschee, benutzte sie als
Speisegeschirr (Sarre). Wie für Persien so wurde unter
Wan-li auch schon für den europäischen Export gearbeitet;
mehrere der großen Schüsseln im Meißener Porzellansaal
sowie verschiedene Porzellane im Hohenzollernmuseum ge-
hören dieser Zeit an.
Auch die Malerei über der Glasur erscheint auf Por-
zellanen, die man wohl sicher noch dem 16. Jahrhundert
zuschreiben darf. Zunächst treten die Muffelfarben in Ver-
bindung mit der Blaumalerei auf, indem z. B. ein gelber
Ton den weißen Grund deckt. Nicht selten ist dann die
Blaumalerei mit einer zweiten Muffelfarben erhöht. Oder
wird das Ornament in einer Muffelfarbe aufgesetzt, der
Grund dann mit einer zweiten Muffelfarbe gedeckt, wie z. B.
bei dem Teller mit grünem Drachen auf eisernrotem Grunde,
der allerdings schon dem 18. Jahrhundert angehört (Schrank
467). Dann aber erscheint auch die Malerei in bunten
Muffelfarben auf der weißen, nicht gedeckten Glasur. Eines
der ältesten Stücke· mit dieser Dekoration ist vielleicht der
Spül napf Nr. 989 in der Sammlung Salting im Viktoria- und
Albert-Museum in London, der die Marke des Kaisers
Chēng-tē (1506–1521) trägt. Auch der Napf 84, 1040 auf
dem Gestell neben dem Schranke 466 mit der Marke des Kaisers
Chia-ching (1522–1566) dürfte wohl aus der Zeit seines Da-
tierung stammen. Charakteristisch für diese frühen Muffel-
dekorationen sind das dunkle fleckige Eisenrot und die noch
unvollkommene·n schmutzigen Emails. Das türkisblaue Email,
das sich auch auf der eiförmigen Vase im Schrank 467
findet, kommt auf den Muffelmalererien der späteren Zeit
nicht mehr vor.
Auch unter Wan-li (1573–1619) weisen die Emails noch
dieselben Mängel auf. Zum Teil sind es, wie z. B. auf der
großen freistehenden eiförmigen Vase neben Schrank 466,
stumpfe Farben, aber noch nicht Emails. Die Sammlung
26
des Museums besitzt gerade aus der Zeit dieses Kaisers
eine verhältnismäßig große Anzahl von Porzellanen mit Über-
glasurmalerei. Das in Verbindung mit den Überglasurfarben
auftretende Unterglasurblau ist ungleichmäßig, bald tief und
leuchtend, wie unter Chia-ching, bald blaß wie auf der
Flasche in der Abbildung 7. Die Formen sind zumeist
schwerfällig, sie besitzen noch nicht die Eleganz der
späteren Zeit.
Abb. 13. Vase. China, Ende 17. Jahrh.
Die Glanzzeit der chinesischen Porzellankunst, soweit
wenigstens diese in erhaltenen Stücken sich darstellt, fällt
in die Regierung des Kaisers K'ang-hsi (1662—1722). Zu
keiner anderen Zeit zeigen die Formen der Gefäße die
gleiche Anmut der Umrisslinien, entwickeln die Farben eine
solche Leuchtkraft und Schönheit und sind die Dekorationen
von so vollendeter Zeichnung. Es scheint, daß dieser Auf-
schwung der Porzellankunst seit 1680 datiert. Die ersten
Jahre der Regierung dieses Kaisers waren mit Kämpfen
27
gegen aufständische Rebellen ausgefüllt, 1675 wurde die
kaiserliche Manufaktur in Ching-tê-chên völlig zerstört und
erst 1680 konnte der volle Betrieb wieder aufgenommen
werden.
Sämtliche in älterer Zeit geübten Dekorationsweisen
werden wieder aufgenommen und mit hoher Vollendung
Abb. 14. Schüssel. China, Anfang 18. Jahrh.
angewandt. Unter den farbigen Glasuren werden besonders
die aus Kupferoxyd gewonnenen roten und geflammten
Töne mit größerer Meisterschaft hergestellt. Die Blaumalerei
erreicht in der virtuosen Beherrschung der Tönmodellierung
eine Vollkommenheit, die sie vielleicht niemals vorher be-
säßen. Die Sammlung des Museums ist nicht reich an
28
Blaumalereien aus dieser Zeit, hervorragende Stücke fehlen
ganz. Am besten vermag noch die schon erwähnte, in der
Abb. 4 dargestellte Walzenvase die technische Meisterschaft
der damaligen Blaumaler zu veranschaulichen. Ein selten
vorkommendes Stück ist die kleine Vase, aus deren blauem
Grunde Drachen ausgraviert sind. Die Walzenvase 98, 227
zeigt in dem durch Spritzung aufgetragenen, gesprenkelten
blauen Grunde (bleu fouetté) weiße Reserven mit figur-
lichen Darstellungen. Zu den am höchsten geschätzten
Blauporzellanen gehören die fälschlich Hawthorn- oder
Mayflower-Vasen genannten eiförmigen Deckelvasen, bei
Abb. 15. Teller. China, 1. Hälfte 18. Jahrh.
denen auf tiefblauem Grunde Mumeblüten ausgespart sind.
Die auf Biskuit emaillierten Porzellane, die man früher in
der Regel früheren Jahrhunderten zuschreiben geneigt war,
werden jetzt zumeist in die Zeit K'ang-hsis gesetzt, wo dieser
alte Dekor ebenfalls mit größtem Erfolg wieder aufgenommen
wurde. Da die meisten Stücke die Marke der Kaiser
Ch'eng-hua oder Hsüan-tê tragen, wird man annehmen dürfen,
dass es sich um direkte Kopien alter Stücke des 15. Jahr-
hunderts gehandelt hat.
Während alle diese Dekorationen in früheren Jahr-
hunderten vielleicht mit derselben technischen Vollendung
29
geübt sein mögen, scheint dagegen auf dem Gebiete der
Überglasurmalerei unter K'ang-hsi ein ganz wesentlicher
Fortschritt eingetreten zu sein. Die Emailfarben gelingen
jetzt zum ersten Male vollkommen, besonders das Grün wird
in so glänzender Weise herausgebracht, dass es mit seiner
leuchtenden Pracht alle anderen Farben sich unterordnet, so
dass man der ganzen Gruppe der so dekorierten Porzellane
die Bezeichnung „famille verte“ gegeben hat. Daneben tritt
an zweiter Stelle ein kräftiges Eisenrot, ferner ein gelbes
und manganviolettes Email. Das Blau tritt in der ersten
Zeit unter K'ang-hsi als Untergrundblau, später als Über-
glasurblau auf. Die grauschwarzen Konturen und die Tön-
zeichnung werden von den durchsichtigen Emails gedeckt.
Eines der schönsten Beispiele dieses Dekors, bei dem be-
sonders das Grün von schönster Leuchtkraft und satter Tiefe
ist, ist die Vase in der Abb. 12.
Es gibt aber auch noch Porzellane, die noch nicht die
volle Klarheit und Farbenfrische dieser Überglasurpalette
zeigen, sondern den älteren Malereien aus der Zeit Wan-lis
nachstehen. Man pflegt sie auch zuweist noch in die Ming-
Zeit zu setzen. Indessen enthält die Sammlung des Museums
ein Stück, wodurch diese ganze Gruppe in die Regierungs-
zeit K'ang-hsis hinaufgerückt wird: die in der Abb. 10 wieder-
gegebene Schüssel. Sie zeigt nämlich auf der Rückseite die
sehr schön geschriebene Marke des Kaisers (Abb. 11). Cha-
rakteristisch ist der doppelt geführte Fadenrand, der eine unregelmäßige
runde Rinne bildet. Auch die Schüssel mit Felsen und
Päonien (Abb. 13) ist in der Zeichnung noch sehr streng
und altertümlich, während dagegen die Vase mit Blüten-
zweigen und Vögeln (Abb. 9) sowie die große Schüssel
mit figurenreicher Darstellung (Abb. 14) schon der Zeichnung
nach sich als Arbeiten der jüngeren K'ang-hsi-Zeit darstellen.
Der große Stil, den diese älteren Malereien besitzen, weicht
einer erheblichen und kleinlichen Manier. Vieleicht waren
europäische Einflüsse dabei im Spiel. Unter K'ang-hsi
hatten die Jesuiten großen Einfluß in China; 1699 wurden
zwei Maler des Jesuitenordens, Gherardini und Belville, nach
Peking berufen, und von einem chinesischen Maler aus dem
Anfang des 18. Jahrhunderts erzählt der Biograph, daß er
nach der Methode des Westens gearbeitet habe.
K'ang-hsis Nachfolger Yung-chêng (1723—1735) suchte
mit blutiger Gewalt das Christentum, das schon unter den
kaiserlichen Prinzen Anhänger gefunden hatte, wieder aus-
zurotten und die alten nationalen Traditionen von neuem
zu beleben. Auch in der Kunst äußert sich diese Reaktion.
In Ch'ing-tê-chên werden die alten Porzellane, die der Kaiser
aus seiner Sammlung in die Manufaktur schickte, kopiert.
30
Aber der europäische Einfluß ließ sich nicht aufhalten. Er
äußert sich zunächst in einer Herabstimmung der kräftigen
Farben zu zarten gebrochenen Tönen, ein ähnlicher Vor-
gang, wie er damals auch in Europa hervortritt. Vielfach
Abb. 16. Vase. China bez.: Yung-cheng (1723—1735).
werden die Konturen bei der Anwendung durchsichtiger
Emails in Unterglasurblau vorgezogen, wie bei der Pilger-
flasche in Schrank 468, die als Dekoration große Fruchtzweige
zeigt. Die Zeichnung ist in dieser Zeit oft von großer
Zierlichkeit und Anmut (Abb. 15).
31
Neben diesen zarten, allmählich sich verflüchtigenden,
durchsichtigen Emails der alten »famille verte« tritt dann eine
völlig neue Palette, die von einem schönen, aus Gold ge-
wonnenen, an die Stelle des Eisenrots tretenden Purpur
beherrscht wird. Die Porzellane der neuen Farbenskala
führen den Namen »famille rose«. Diese Purpurfarbe tritt
schon auf Porzellanen auf, die unzweifelhaft noch der Zeit
des Kaisers K'ang-hsi angehören, wie auf der im Schrank
Abb. 17. Schüssel. China, 18. Jahrh.
463 stehenden Deckelvase mit grünen Emails, Eisenrot und
Purpur, die im übrigen noch den Charakter der »famille
verte« trägt. Aber erst unter Yung-chêng scheinen neben
diesem Purpur jene opaken zarten Töne aufgekommen zu
sein, die durch Mischung der farbigen Flüsse mit weißem
Email entstanden sind. Ein ausgezeichnetes Beispiel dieser
neuen Malerei stellt die Vase in der Abb. 16 dar. Die
fein detaillierte Innenzeichnung, bei der die Farben über-
einandergesetzt sind, entspricht in ihrer modellierenden Ber-
32
handlung und dem Ineinandergehen der Töne statt des
früheren Nebeneinander schon ganz der europäischen Mal-
weise.
Unter Ch’ien-lung (1736—1795) nimmt die chinesische
Porzellankunst unter der Ägide des kunstsinnigen Kaisers
noch einmal all ihr Können zusammen. Aber es fehlt ihr die
alte nationale Kraft. Die Formen werden schlaff und weich-
lich, die weiße Glasur vielfach kreidig und stumpf. Aller-
dings gelingen zum Teil noch die alten farbigen Glasuren,
aber gepflegt werden mehr jene täuschenden Nachahmungen
fremder Stoffe und gewisse Effekte, wie die durchbrochenen,
nur durch Glasur geschlossenen Dekorationen (grain de riz,
vgl. den Teller im Schrank 486, bei dem die Körner des
Granatapfels in dieser Technik hergestellt sind), oder das
Eierschalenporzellan. An die Stelle der Kunst tritt jetzt
das Raffinement. Auch in der Überladung mit Orna-
menten scheint bereits ein sich der Verfall, wie ja auch
noch vieles Geschmackvolle (siehe die Abb. 17) geschaffen
wird. Die Blaumalerei, die noch unter Yung-chêng mit
einiger Kunst geübt wurde, sinkt völlig von ihrer früheren
Höhe herab. In der Überglasurdekoration herrschen die
oft schreienden und harten Farben der »famille rose«.
Die letzten Ausläufer der alten Porzellankunst reichen,
ähnlich wie in Europa die historischen Stile, bis in die
Mitte des 19. Jahrhunderts. Manches von dem, was noch
unter Tao-kuang (1821—1850) geschaffen wurde, ist in der
sorgfältigen technischen Ausführung immerhin noch achtens-
wert, wie z. B. die im Schrank 479 ausgestellten Näpfe mit
farbigen Fonds, in denen Ornamente eingraviert sind, und
mit Blumenmalereien in weißen Reserven. Äußerlich kenn-
zeichnet sich der Zusammenbruch der chinesischen Porzellan-
kunst in der Zerstörung von Ching-tê-chên während der
Taipingrebellion im Jahre 1855.
33
Man darf annehmen, daß schon im Mittelalter viele
der schweren dickwandigen Seladone eigens für den Export
angefertigt worden sind (vgl.S. 22). Gegen Ende des 16. Jahr-
hunderts bewirkte sodann die starke Nachfrage nach chinesi-
schem Porzellan sowohl in Persien wie in Europa, daß für
beide Märkte besondere Ware angefertigt wurde. Aber wäh-
rend man bei den für Persien gearbeiteten Stücken vor allem
in den Formen, zum Teil auch wohl im Ornamente dem Ge-
schmack und dem Bedürfnisse der Abnehmer stark ent-
gegen kam, scheint der einzige Unterschied zwischen dem
damals für China selbst und für Europa anderseits fabri-
zierten Porzellan in der schlechteren Qualität des letzteren
beruht zu haben. Höchstens wird man besonders beliebte
Muster bei der Exportware bevorzugt haben.
Erst unter Khiang-hsi geht man in China dazu über,
den Geschmack der Europäer soweit zu berücksichtigen,
daß man das Porzellan mit Darstellungen dekorierte, für
welche die Vorlagen, Zeichnungen, Kupferstiche u. a.,
von Europa eingeschickt wurden. Diese Malereien wurden
zum großen Teil in Kanton ausgeführt. Naturgemäß über-
wiegen die Wappen der Besteller, aber ebenso wenig fehlt
es an Genrebildern, religiösen, historischen und mythischen
Darstellungen. Die Sammlung des Museums ist reich an
derartigen Porzellanen, eine große Anzahl von Geschirren
mit Malereien in Schwarz und Gold sind als Geschenk der
Frau Sophie Eltzbacher dem Museum überwiesen worden.
Der künstlerische Wert dieser Porzellane ist gering. Inter-
essant ist die sonderbare Umwandlung, die vielfach die
europäischen Motive unter der Hand des chinesischen Malers
erfahren haben. Das Parisurteil auf einem Teller im Schrank
476 zeigt z. B. die Unsicherheit des Porzellanmalers in der
Wiedergabe der unbekleideten Figuren; die Darstellung des
Nackten ist auf dem chinesischen Porzellan — von Obscönitä-
ten abgesehen — ausgeschlossen.
Chinesische Arbeiten sind auch die siamesischen Ge-
fäße im Schrank 476, wie Masse, Technik und Farben
deutlich erkennen lassen.
Brüning, Porzellan.
3
34
So hoch in China das Porzellan als künstlerisches Aus-
drucksmittel steht, so wenig ist es in Japan unter den ke-
ramischen Produkten angesehen. Steinzeug und Steingut
nehmen hier die erste Stelle ein. Ihre gedämpften intimen
Reize, die etwas Müdes, Weiches an sich haben und sehr
verfeinerte Sinne zu ihrer Würdigung verlangen, Sinne, die
an vergilbtem Papier und verwittertem Stein sich erfreuen —
die verschwiegenen Reize dieser keramischen Stoffe ent-
sprechen mehr dem japanischen Geschmack als die leuch-
Abb. 18. Teller (Imariware). Arita, 17. Jahrh.
35
tenden frischen Farben des Porzellans, deren Helltönigkeit
dem japanischen Ohr vielleicht zu laut erklingen mochte.
Jedenfalls hat das Porzellan in Japan nur eine be-
scheidene Pflege gefunden, es war mehr eine Exportware
als ein Produkt zur Befriedigung heimischer Bedürfnisse.
Innerhalb der Geschichte der Porzellankunst ist aber trotzdem
das japanische Porzellan, auch das für den Export nach
Europa geschaffene, nicht unwichtig, weil es stark das euro-
päische Porzellan in Form und Dekoration beeinflusst hat.
Es scheint, daß erst die starke Nachfrage der Europäer
nach chinesischem Porzellan überhaupt die Japaner ver-
anlaßt hat, Porzellan zu fabrizieren, um selbst sich die
Vorliebe des Occidents für dieses Produkt zunutze zu machen.
Denn erst seit Beginn des 17. Jahrhunderts, dem Zeitpunkte,
seitdem die Holländer mit Japan in Handelsbeziehungen
traten, wurde dort die Porzellanfabrikation in größerem
Maßstabe betrieben. Wie in allen anderen Dingen, waren
erst recht auf diesem Gebiete die Chinesen die Lehrmeister
der Japaner.
Die älteste und bedeutendste Fabrikationsstätte war die
Stadt Arita in Hizen, der Korea zunächst gelegenen Pro-
vinz. In Hizen war schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts
von einem Töpfer, der in China gelernt hatte, Porzellan
fabriziert worden, aber ohne dauernde Wirkung. Besserer
Erfolg hatte der koreanische Töpfer Li-Sanpei, der nebst
anderen Genossen von den Japanern aus einem Kriegszuge
nach Korea mitgebracht worden war, um seine Kunstfertigkeit
nach Japan zu verpflanzen. Er fand um 1600 bei Arita
reiche Kaolinlager und errichtete in diesem Orte den ersten
Brennofen. Da in China um die Mitte des 17. Jahrhunderts
durch den Einfall der Mandschu die Manufakturen in Ching-
tê-chên für längere Zeit still gelegt wurden, machten sich
die Töpfer Aritas diesen Umstand zunutze und zogen
einen großen Teil des Exporthandels nach Europa an sich.
Ihre Erzeugnisse wurden von Imari, einem kleinen Hafen, nach
Nagasaki geschafft und von da aus weiter transportiert.
Der Name »Imari« ist dann dem Porzellan von Arita als
Gattungsname (»Imariware«) beigelegt worden.
Die besten Erzeugnisse Aritas, in denen sich ein feiner
Geschmack ausspricht, sind sparsam mit bunten Emails
dekorierte Gefäße, die offenbar zunächst für japanische Ab-
nehmer bestimmt waren. Die Masse ist fein, die Glasur
milchig, wenig durchsichtig, oft elfenbeinfarben. Das
Eisenrot herrscht in der Dekoration vor, dazu treten ein
grünes, gelbes und ein blaues Email. Der weiße Grund
wird nur wenig gedeckt von den zierlichen Motiven, die
zumeist nur aus einzelnen Bäumen und Blumen, Bambus,
36
36 Japanisches Porzellan
Pinie, Chrysanthemum, Päonie u. a. bestehen (Abb 18). Die
nach Europa exportierten Stücke sind in Meißen, St.Cloud,
Chelsea, Bow usw. mit Vorliebe nachgeahmt worden.
Indessen dieser maßvolle und zierliche Dekor war den
Holländern nicht reich genug. Man wollte prunkvollere Mo-
tive und derbere Formen, damit sie sich in die schweren
heimischen Barockformen hineinfügen könnten. Und so ent-
Abb. 19. Flasche. Kutani um 1700. 4/11
standen in d[er] zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts jene
reichen, vorzugsweise in Unterglasurblau, Eisenrot und
Gold dekorierten Porzellane, die noch jetzt in Massen die
europäischen Schlösser füllen. Sie wurden fast täuschend
in Delft nachgeahmt (vgl. Schrank 358 im Saal 53). Neben
den drei herrschenden Farben werden bunte Emails meistens
nur sparsam verwendet. Auch in China hat man diesen
Dekor imitiert; bei diesen chinesischen Nachbildungen ver-
37
Japanisches Porzellan
37
rät vielfach nur die Masse, insbesondere der bräunliche
Fußrand die Herkunft (vgl. Schrank 296), während das
japanische Porzellan leicht an den Warzen unter dem
Boden erkennbar ist, den Resten der kleinen Stützen, auf
denen die Porzellane beim Brande standen. Auch ist
vielfach der Fußrand nicht so sauber abgeschliffen wie
beim chinesischen Porzellan, sondern noch rauh und un-
eben. Außer diesen Waren wurden in Arita noch nur in
Unterglasurblau dekorierte Gefäße ebenfalls für den Export
hergestellt.
In der Provinz Hizen befanden sich außerdem noch
zwei kleine Porzellanfabriken, die sich durch gute Arbeiten
auszeichneten. Die eine war die zu Anfang des 18. Jahr-
hunderts errichtete Privatmanufaktur des Fürsten von Nabe-
shima in Okawaji, die nur für den Bedarf des Fürsten
arbeitete. Charakteristisch für die Erzeugnisse dieser Fabrik
ist ein kommaartiges Muster (bishitzu), wie es das kleine
Schälchen im Schrank 477 am äußeren Fußrande zeigt. Innen
sind in Unterglasurblau Blüten auf Wellen dargestellt. Den
Grund füllt zum Teil eine seladongrüne Glasur. Eine andere
Manufaktur, die ebenfalls zu Beginn des 18. Jahrhunderts
gegründet wurde, befand sich zu Mikawaji (Hirado). Sie
lieferte gute geschmackvolle Blauware. Die indessen im
Museum nicht vertreten ist. Auch Porzellane mit feinen
Pinselreliefs und versenkten Reliefs wurden hergestellt. Die
Fabrik arbeitete für den in Hirado residierenden Fürsten
aus der Familie der Matsu-ura.
Die nächst Arita bedeutendste japanische Porzellan-
fabrik ist die um 1660 errichtete Manufaktur in Kutani
(Prov. Kaga). Man erzählt, daß ein Töpfer namens Goto
Saijiro das Geheimnis der Porzellanbereitung, das in Arita
ebenso sorglich wie später in Meißen gehütet worden sei,
durch List erworben und nach Kutani gebracht habe. Doch
gelang es niemals, eine so weiße und feine Masse herzustellen
wie in Arita, sie blieb immer mehr oder weniger gräulich
und kompakt oft dem Steinzeug nahe. Infolgedessen wählt
man einen Dekor, der möglichst den Grund deckte, und
überspann den ganzen Körper mit Ornamenten in einem etwas
dunklen schweren Eisenrot. Zu diesem traten entweder bunte
Emails, wie Grün und Gelb und Schwarz hinzu (Abb. 19),
oder Gold und Silber. Der Rot-Gold-Silber-Dekor ist am
19. Jahrhundert . wieder aufgenommen worden (Schrank 4[46]).
Dem großen Stil der chinesischen Porzellane kommt
eine andere Gruppe von Porzellanen, die in Kutani hergestellt
worden sind, nahe, deren Dekorationen auf den gegen Ende
des 17. Jahrhunderts in Kioto lebenden, sehr geschätzten
Maler Hisazumi Morikagé zurückgeführt werden. Sie stehen
38
offenbar unter dem Einfluß der chinesischen Biskuit-dekorationen, die Emails decken den ganzen Grund, sind aber auf die Glasur gemalt. Ein Grün von nicht selten überraschender Schönheit überwiegt, daneben tritt ein warmes Manganbraun (violett) und ein Gelb, selten ein Blau
(über der Glasur). Die Zeichnung ist in Schwarzbraun gemalt und dann von den Emails gedeckt. Die in der Abb. 20 dargestellte große Schüssel zeigt die Technik und den Stil dieser Arbeiten. Die Rückseite zieren große Spiralenranken unter grünem Email.
39
Lange Zeit war man geneigt, die zahlreichen in Persien gefundenen Porzellane für einheimisches Fabrikat zu halten. Indessen fast alle sind in Masse und Technik so sehr dem chinesischen Porzellan verwandt, wenn auch vielfach gröber und mangelhafter in der Arbeit, so daß man nicht daran zweifeln kann, daß es sich nur um chinesische Exportware
40
handelt (vgl. Seite 33). Nur ein einziges Stück befindet sich in der Sammlung, überhaupt das einzige mir bekannte Stück, das man als persisches Porzellan ansprechen möchte. Es ist die Flasche mit Messingstöpsel im Schrank 341 (Abb. 21). Die Form derselben ist durchaus unchinesisch, sie kommt dagegen bei persischen Gläsern und Fayencen häufig vor (vgl. Schrank 339). Die Einziehung des Bodens verrät, daß die Form der Glastechnik entsprungen ist. Die Glasur ist weich, leicht ritzbar und von grünlichem Ton, sie verläuft unten in dicke Tropfen, ohne glanz bis zum Bodenrand herabzureichen. Der Löwe (oder Tiger?) ist offenbar, wie die Ansätze (Flammen) an den Oberschenkeln zeigen von einer chinesischen Darstellung beeinflußt, aber wohl kaum von chinesischer Hand gemalt, und zwar in einem zwieflachen Blau und einem stark graubraunen Tone unter der Glasur. Die Glasur erinnert stark an die alkalische Glasur der persischen Fayencen. Die Masse ist weiß und läßt sich nicht ritzen, muß also als Porzellan bezeichnet werden, und zwar wahrscheinlich als persisches.
Die Möglichkeit, daß auch Persien Porzellan fabriziert habe, ist keineswegs ausgeschlossen, da sowohl in Urmia wie in Maschhad sich Kaolinlager befinden, so daß es an dem nötigen Material nicht fehlt. Auch Resende des 17. und 18. Jahrhunderts, wie Chardin, erzählen, daß in Persien durchsichtiges Porzellan hergestellt würde, und ebenso spricht Père d'Entrecolles von persischem Porzellan. Bei der eingehenden Kenntnis dieses Mannes von der Technik des chinesischen Porzellans darf man auf seine Mitteilungen besonderen Wert legen. Da wir wissen, daß Schah Abbas (1585–1677) eine Kolonie chinesischer Töpfer in Isphahan ansiedelte, ist es möglich, daß damit die Kenntnis der Porzellanbereitung nach Persien gekommen ist.
41
Wohl die früheste Kunde vom chinesischen Porzellan brachte gegen Ende des 13. Jahrhunderts der Venezianer Marco Polo nach Europa, der seinen Landsleuten über diese unbekannte Ware berichtete und wohl auch einige Stücke mit nach Hause brachte. Im 15. Jahrhundert müssen schon eine größere Anzahl von chinesischen Porzellanen durch die Venezianer und Genuesen nach Italien gekommen sein, bis dann nach der Entdeckung des Seewegs um das Kap der guten Hoffnung im Laufe des 16. Jahrhunderts der Import, zunächst durch die Portugiesen vermittelt, allmählich anwächst.
Natürlich weckte diese keramische Ware, die an Schönheit und Gebrauchswert alle anderen Tonprodukte weit übertraf, bald in den Europäern den Wunsch, etwas Ähnliches selbst herstellen zu können, zumal man dem Porzellan damals übernatürliche Eigenschaften (durch Veränderung seiner Farbe die Anwesenheit von Gift zu verraten) beimaß.¹
Die ersten Versuche dieser Art fanden in Venedig statt. Schon 1470 berichtet ein Mönch an einen Freund in Padua, daß ein gewisser Antonio von San Simeone durchsichtiges Porzellan erfunden habe, so daß alle Töpfer und Alchymisten Venedigs über diese Entdeckung in große Aufregung geraten seien. Die neue Ware komme an Qualität den barbarischen Gefäßen nahe. 1518 rühmt sich ein Spiegelfabrikant Leonardo Peringer, der in der Merceria zu Venedig wohnte, ebenfalls, das Geheimnis gefunden zu haben, durchsichtiges Porzellan gleich dem orientalischen herzustellen. Von welchem Erfolge alle diese Versuche gewesen sind, wissen wir nicht. Ebenso wenig haben in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Bemühungen, die an den Höfen zu Ferrara, Pesaro und Turin angestellt wurden, Porzellan zu bereiten, zu Resultaten, die für uns greifbar wären, geführt.
¹) Mathesius, Bergpostill. S. 268: »heut zu tag brauchn die großen Potentate jr porzelach / welches man für die edelsten vnd tewristen trinckgeschirr achtet / darin kein gifft bleiben sol.«
42
Besser steht es mit unserer Kenntnis des in Florenz von dem Großherzog Franz I. (1574–1587) hergestellten Porzellans, da sich von demselben noch eine größere Anzahl von Stücken (40–50) erhalten hat. Es ist das sog. Mediciporzellan. Dem Großherzog, der sich in seinen Mußestunden mit naturwissenschaftlichen Arbeiten beschäftigte und in seinem Laboratorium alle möglichen Experimente anstellte, gelang es, wie es heißt nach zehnjährigen Versuchen, mit Hilfe eines Griechen eine Masse herzustellen, die man als Porzellan bezeichnen kann. Nach seinem Tode scheint die Porzellanfabrikation weiter fortgeführt zu sein. Ein gewisser Niccolò Sisti, der anscheinend schon unter Franz I. in Florenz, feine Arbeiten, wie sie heißt noch zahlreich zu finden, anstellt, gelang es, so es heißt nach zehnjährigen Versuchen, mit Hilfe eines Griechen eine Masse herzustellen, die man als Porzellan bezeichnen kann. Nach seinem Tode scheint die Porzellanfabrikation weiter fortgeführt zu sein. Ein gewisser Niccolò Sisti, der anscheinend schon unter Franz I. in Florenz,
seinem Laboratorium alle möglichen Experimente anstellte, gelang es, wie es heißt nach zehnjährigen Versuchen, mit Hilfe eines Griechen eine Masse herzustellen, die man als Porzellan bezeichnen kann. Nach seinem Tode scheint die Porzellanfabrikation weiter fortgeführt zu sein. Ein gewisser Niccolò Sisti, der anscheinend schon unter Franz I. in Florenz,
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und später in Pisa Porzellan fabriziert hat, erhält 1620 eine Unterstützung vom Großherzog Cosimo II.
Das Mediciporzellan kann als kaolinhaltiges Frittenporzellan bezeichnet werden, das in der Mitte zwischen Hartporzellan und Weichporzellan steht. Der wesentliche Bestandteil ist Quarz und eine glasige Fritte, der Gehalt an Kaolin, das von Vicenza bezogen wurde, ist nur schwach. Die im Besitz des Museums befindliche Schüssel mit blau gemaltem Ornament nach chinesischem Vorbild (Abb. 22) scheint mit einer doppelten Glasur versehen zu sein, ähnlich wie bei der italienischen Majolika, wo über der Zinnlasur noch eine dünne Bleiglasur liegt. Über dem Scherben, der, wo er auf der Rückseite freiliegt, bräunlich gefärbt erscheint, liegt eine weiße Schicht, die sich an den Rändern abblättern läßt, und über dieser eine weiche gelbliche Glasur. Der Scherben ist hart, er gibt dem Stahl nicht nach. Als Marke trägt die Schüssel, ebenso wie auch andere Mediciporzellane, die Domkuppel von Florenz und darunter ein F, in Blau gemalt. Form und Dekoration der Mediciporzellane bilden eine Mischung chinesischer, persischer und italienischer Motive, wie sie in der gleichzeitigen Majolikamalerei sich findet. Die Blaumalerei tritt in verschiedenen sehr ungleichmäßigen Tönen auf, vielfach zerfließt das Blau. Bei manchen Stücken sind die Konturen in Manganbraun vorgezeichnet.
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Einem Deutschen sollte es vorbehalten bleiben, die lange Sehnsucht Europas nach diesem köstlichen Stoffe zu erfüllen, Johann Friedrich Böttger, einer der merkwürdigsten Persönlichkeiten in der Geschichte der Erfindungen. Sein Leben bis zu dem glücklichen Gelingen der Porzellanbereitung ist reich an abenteuerlichen Schicksalen. Er wurde am 4. Februar 1662 zu Schleiz geboren als Sohn des Münzkassierers und der Akziseinnehmerin Merkel. Sein Vater, bekannt in der Geschichte der der sächsischen Münzgeschichte, ist reich an Anekdoten, Georg Böttger als Warenhändler von Note, später zum Apotheker in Magdeburg umgeschlagen nach dem Tod des Vaters wurde Böttger als Vierzehnjähriger nach Berlin zum Apotheker Zorn, der am Neuen Markt wohnte, in die Lehre gegeben. Hier wußte er schon nach wenigen Jahren durch seine alchymistischen Studien und geheimnisvollen Experimente sich mit dem Rufe eines Goldmachers zu umgeben, so daß eines Tages der König die Sache untersuchen ließ. Böttger flüchtete rechtzeitig nach Wittenberg, das damals sächsisch war, und wurde von hier nach Dresden geführt (1701), wo August der Starke, Kurfürst von Sachsen und König von Polen, ihn in sicheren Gewahrsam bringen ließ, in der Absicht, aus dem Goldmacher reichlichen Gewinn zu ziehen.
Obschon Böttger des Königs Erwartungen natürlich nicht befriedigen konnte, hielt ihn doch der König fest, da er von seiner Wundergabe fest überzeugt war. So lebte Böttger auf dem Schlosse in Dresden, auf der Albrechtsburg zu Meißen und auf dem Königstein. Lange Jahre in abwechselnd günstiger oder strenger Haft. Ein Fluchtversuch, der ihn bis nach Enns in Niederösterreich führte, scheiterte. Doch scheint es, daß er diese Jahre nicht nutzlos verbracht hat, schon der Verkehr mit dem damals bedeutenden Chemiker Ehrenfried Walter Tschirnhaus (1651–1708), der
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große Brennspiegel baute und Glashütten anlegte, lässt darauf schließen. Er mochte auch wohl das Bestreben haben, dem König wenigstens auf anderen Gebieten als auf dem der Goldmacherei von Nutzen zu werden und ihn so einigermaßen zufrieden zu stellen.
Nachdem Böttger im September 1707 auf der Jungfernbastei in Dresden, in der Nähe des jetzigen Belvedere auf der Brühlschen Terrasse, ein Laboratorium angewiesen bekommen hatte, folgten kurz hintereinander die Begründung dreier keramischen Fabrikationen: anscheinend noch in demselben Jahre erfand er das rote Steinzeug, 1708 errichtete er eine Fayencefabrik und übernahm nach dem Tode von Tschirnhaus die Leitung der von diesem angelegten Glashütte und Schleifmühle und 1709 scheint ihm endlich die Erfindung des Porzellans gelungen zu sein, wenn es ihm auch erst 1713 beschieden war, dieses neue Material in größeren Mengen herzustellen und damit die Ostermesse in Leipzig zu beschicken.
Während die Fayencefabrik in Dresden blieb, wurde dagegen die Fabrikation des Steinzeugs und Porzellans 1710 auf die Albrechtsburg in Meißen verlegt. Hier schien das Geheimnis der Fabrikation besser gewahrt, außerdem war die Lage an der Elbe und der durch Meißen führenden Poststraße günstig. Die Beamten und Arbeiter wurden in Meißen scharf bewacht. Böttger selbst leitete die Fabrik von
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Dresden aus bis zu seinem Tode, der im Jahre 1719 am 13. März erfolgte.
Da Böttgers erste Erfindung, das rote Steinzeug, als Sonderprodukt innerhalb der übrigen keramischen Waren alleinstehend, so mag dasselbe nebst seinen Nachahmungen
innerhalb der Geschichte des Porzellans, mit der es eng verwachsen ist, eine kurze Erörterung erfahren, während Böttgers Fayencen ein Platz in der Geschichte der Fayence zukommt.
Auch zu der Herstellung dieser Ware hat chinesisches Produkt die Anregung gegeben, jene steinzeugharte, dichte,
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durch und durch zumeist rotbraun gefärbte Masse (boccaro), die an der Oberfläche von feinen warzenartigen Körnchen bedeckt ist, so daß sie stumpf und glanzlos erscheint. Es sind zumeist Gefäße für Tee und Zuckerwerk aus dieser Masse hergestellt, mit besonderer Vorliebe in naturalistischen Formen. Eines der schönsten Stücke dieser Ware im Schrank 478 hat die Gestalt eines halben Pfirsichs. Die von Böttger hergestellte Masse hat eine ähnliche Farbe, doch ist die Oberfläche zum Unterschied von der gekörnten Haut des chinesischen Steinzeugs ganz glatt, daher glänzend. Häufig erscheint die Masse etwas fettig, sie ist ebenfalls zumeist dicht und mit dem Stahl nicht ritzbar. Als Material wurde anfangs roter Bolus, später roter Ton von Okrilla, mit 12% geschlemmten Lehms vermischt, angewandt.
Zunächst wurden die in Dresden befindlichen chinesischen Steinzeuggefäße einfach abgeformt und in der neuen Masse kopiert. Im Brande schwindet die Masse, so daß die Nachformungen um 1/6–1/7 kleiner sind, als die Originale, außerdem sind die Formen stumpfer und flauer. Bald aber gelangte man zu einer selbständigen Formgebung, so daß man in Verbindung mit einer mannigfaltigen Technik höchst eigenartige Produkte hervorbrachte. Für die Formgebung der neuen Ware hatte der König seit 1710 den Hofgoldschmied Johann Jakob Irminger bestellt. Die von Irminger erfundenen Gefäßformen zeigen eine interessante Verschmelzung ostasiatischer Motive und europäischer barocker Elemente, und zwar so, daß bei den Formen das Ostasiatische, bei den Ornamenten das Europäische überwiegt. Allerdings sind auch die übernommenen Formen stark europäisiert, indem sie an Hals, Fuß und den Einschnürungen mit scharf gedrehten Profilen versehen sind, die ihren Vorbildern fehlen, doch schimmert unter der europäischen Hülle das Chinesische noch deutlich durch. Andere Formen sind offenbar durch Abwandlung der chinesischen Urform entstanden, wie der Schokoladenbecher, der eine Vergrößerung der chinesischen Teetasse darstellt. In der Dekoration der Gefäße herrscht durchaus die europäische Ornamentik der damaligen Zeit, nur die aneinandergereihten Palmenblätter und das Stabornament am Fuß der Vase in der Abb. 24 weisen auf Chinesisches hin (vgl. die Abb. 6 und 8). Eigene Zierformen dieser Gefäße, die speziell für dieselben erfunden sind, sind die aufgelegten Zweige mit Früchten und Blüten; hier hat die chinesische Ornamentik ebenfalls die Anregung gegeben, ihre Gestaltung ist aber zumeist völlig europäisch.
Beim Brande des Böttgersteinzeuges bezieht sich die Oberfläche mit einer stumpfen rostbraunen Haut, d. i. Eisen-
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oxydulaluminat, das infolge des hohen Eisenoxydgehalts der Masse entsteht (vgl. mehrere Stücke mit diesem Überzug im Schrank 430). Um die Entwicklung dieses trüben, unschönen Niederschlages zu vermeiden, brannte man die Stücke, insbesondere Figuren und Reliefs, in Kapseln, oder man schliff die Haut ab und polierte sie dann. Die so geglätteten Gefäße wurden dann wie Gläser mit eingeschliffenen Ornamenten, oft auch mit Facettenschliff versehen. Dieses Polieren und Schneiden geschah zum Teil in der „Schleiff- und Poliermühle“ in Dresden-Friedrichstadt vermittelst mechanisch getriebener Schleifscheiben. 1717 war in Meißen bereits, in Dresden sechs und in Böhmen zehn Glasschleifer für die Fabrik tätig. Bei Reliefdekorationen wurden häufig nur der Grund poliert, die Ornamente ganz oder teilweise stumpf gelassen (Abb. 23). Bei Figuren wird in der Regel das Gewand unpoliert gelassen, die nackten Teile mit großem Geschick geglättet.
Eine andere Veredelung der Oberfläche fand durch Glasuren statt: neben dünnen durchsichtigen Glasuren von brauner Farbe kommen auch dicke opake schwarze Glasuren vor. Auch diese glasierten Gefäße wurden vermittels des Glasschnitts dekoriert oder mit Gold, Silber und Lackfarben bemalt. Ein besonders seltenes und schönes Stück ist der Humpen, dessen dunkelbraune Glasur zum Teil von einem aufgemalten aventurinartigen Grunde gedeckt ist. In ausgesparten Feldern sind Blumen in ostasiatischer Art in bunten Emailfarben, die von Goldkonturen eingeschlossen sind, dargestellt. Dadurch, daß man verschiedenfarbige Massen durch-einander mengte, wußte man auch marmorartige Wirkungen zu erzielen.
Diesem Reichtum an Dekorationsmitteln entsprach auch die Fülle der Formen, die in verhältnismäßig kurzer Zeit geschaffen wurden, so daß allein schon diese Produkte Böttger einen Ehrenplatz in der Geschichte der Keramik sichern würden. Neben Ziervasen, Teegeschirr, Trinkgefäßen u. dgl. erscheinen schon Mai 1711 alle möglichen anderen Gefäße und Geräte: Glocken, Weihkessel, Messer- und Gabelfriffe, Stockknöpfe, Pfeifenköpfe, ferner zahlreiche figürliche Arbeiten, Kruzifixe, Apollo-, Vitelliusköpfe, Kinderköpfe, kleine römische Köpfchen u. a. Mit der Vervollkommnung des eigentlichen Porzellans wurde diese „Böttgerware“ allmählich in den Hintergrund gedrückt. Doch scheint sie in Meißen erst 1730 völlig aufgegeben zu sein. In der Vor-erinnerung zur Übersetzung der Abhandlung des Grafen de Milly über das Porzellan durch Daniel Schreber, die 1775 im 13. Band des „Schauplatzes der Künste und Handwerke“ erschien, heißt es: „Man hat noch bis gegen
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MISSING
50
MISSING
51
MISSING
52 Bayreuth
I. A. F., besitzt das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe.
Die beliebtesten Darstellungen sind Jagdszenen (Abb. 26) und Chinoiserien, ähnlich den ebenfalls in Gold gemalten Bildern auf Meißener Porzellanen. Das Laub- und Bandelwerk, das als Randborte u. a. verwandt wird, erscheint häufig in einer Art von kalligraphischer Stilisierung, wie auf dem abgebildeten Teller, bei der das Laubwerk zum Teil in kommaartige Schnörkel aufgelöst ist. Das Blatt-
werk der Bäume ist in eigentümlicher schematischer Manier dargestellt. Auch schwarz glasierte Ware stellte man her, denn im Inventar des Schlosses Monbijou von 1738 wird das Bayreuther »Porzellan« als »braun mit Gold oder schwarz mit Silber verziert« bezeichnet. Auch gelbe Ware, mit ganz ähnlichen Silberdekorationen wie auf den braunen Arbeiten, kommt vor (mehrere Stücke im Besitz des Dr. v. Dallwitz). Nach Jacobsohn (Technologisches Wörterbuch 1794) wurde noch zu seiner Zeit in Bayreuth »Fayence von brauner Farbe mit Gold und Silber, dann von gelber Farbe mit Silber eingeschmelzt«.
Abb. 26. Teller aus rotem Ton. Bayreuth um 1740.
Johann Friedrich Böttger 53
Vielleicht unabhängig von Böttgers Erfindung sind die
Nachbildungen des chinesischen Steinzeuges von hollän-
dischen Töpfern wie Ary de Milde (vgl. Schrank 430),
M. de Milde, Lambert van Eenhorn und Jacobus de Caluve.
Auch in England wurden von einem aus Holland eingewan-
derten,einer sächsischen Familie
entstammenden
Töpfer, namens
Elers,in Bradwell
ähnliche Arbei-
ten hergestellt.
Englischen Ur-
sprungs sind viel-
leicht die beiden
Kaffeekannen mit
Asthenkeln und
einzeln aufgesetz-
ten Rokokoorna-
menten und die
kleine sechsecki-
ge Teekanne mit
dem Porträt eines
Königs.
Man darf an-
nehmen, daß Bött-
ger, abgesehen
von einigen Ver-
suchsstücken, die
sich zum Teil
noch in der Dres-
dener Porzellan-
sammlung erhal-
ten haben, erst
seit 1713 Porzel-
lan in größeren
Mengen herge-
stellt hat. Viel-
leicht gehört zu
den frühesten Por-
zellanen eine klei-
ne Gruppe von
Gefäßen mit dop-
pelter Wandung,
von denen die äußere in einer Art
von Laubsägestil in geometrischen Mustern durchbrochen
ist. Sie sind unbeholfen in der Technik: unter der Last
der Knöpfe sind die Deckel vielfach eingesunken, sie haben
Abb. 27. Vase. Meißen um 1715.
zum Teil große Brandrisse, und die Ringfüße, die bei diesen
Stücken freihändig angesetzt, nicht aus dem Boden selbst,
wie es später üblich wurde, herausgedreht worden sind,
sind vielfach abgebrochen. Die weit größere Anzahl da-
gegen der unter Böttger hergestellten Porzellane zeigt die-
selben Formen wie das gleichzeitige Steinzeug: reich pro-
filierte Formen mit Relievedekor, der entweder ausgeformt
oder freihändig aufgesetzt ist (Abb. 27). Die Masse des
Porzellans ist von gelblichem, sahnefarbenem Ton. Die
Glasur ist häufig in den inneren Winkeln des Fußrandes
und zuweilen auch zwischen den Reliefauflagen zusammen-
geflossen, so daß sie eine grünlich-glasige, mit kleinen Luft-
bläschen versetzte Schicht bildet. Im allgemeinen aber ist
sowohl Masse wie Glasur gut gelungen, von gleichmäßigem
Ton, ein fast fehlerfreies Produkt, an dem kaum noch etwas zu
verbessern blieb. Die Erde bezog man vom Grundstück des
Hammerschmieds Schnorr v. Carolsfeld zu Aue im Voigtlande.
Die meisten dieser mit Reliefs gezierten Böttgerporzellane
wurden weiß verkauft, doch finden sich auch schon einige
schüchterne Versuche, sie mit Farben zu dekorieren. Zu-
nächst begnügte man sich, sie hin und wieder mit nicht
eingebrannten »kalten« Farben oder Gold zu bedecken, dann
aber bemühte man sich, wenn auch ohne großen Erfolg,
sie mit eingebrannten Emailfarben nach dem Beispiel der
Chinesen zu schmücken. Zum Teil sind diese Farben sehr
lebhaft und leuchtend, wie ein Grün, Gelb, Blau und
ein Purpurrot, weniger gut ist. das dunkle Eisenrot und ein
Graugrün und trübes Violett. Es scheint, daß die farbenden
Metalloxyde nicht genügend mit Flußmitteln versetzt wurden,
so daß die Farben vielfach körnig und fleckig erscheinen
und leicht abblättern. Am besten gelingt eine lilafarbene
Lüsterfarbe, damals »Perlmuttglasure « genannt, die auch
später in Meißen beibehalten wurde. Sie wird sowohl als
Fondfarbe, wie auch zur Darstellung von Ornamenten, dann
zumeist von Goldkonturen umschrieben, verwendet. Auch
Gold- und Silberdekorationen kommen schon vor.
Mit den genannten Emailfarben versuchte man zunächst
die plastischen Ornamente zu beleben. Dann wagte man sich
auch an Malereien auf den glatten Flächen, die aber zumeist
noch recht dürftig ausfallen: dünne Spitzen und Borten,
ziemlich roh und ungeschickt gestalte Blumen und Früchte,
sehr naive Chinoiserien. Am bemalen gelingen noch kleine
einfarbige Landschaften in Eisenrot oder verdünntem Purpur,
umgeben von Gold- oder Silberornamenten. Vereinzelt finden
sich auch größere figurenreiche Kompositionen in Anlehnung
an Watteaus Gemälde. Auch die Malerei mit Unterglasur-
blau wird schon versucht, gelingt aber noch nicht.
Sehr bescheiden tritt auch schon die figurliche Plastik
auf. Man formte zunächst chinesische Statuetten ab, beson-
ders häufig sind die kleinen hohlen, an Mund und Ohren
durchbohrten sitzenden Pagoden, die als Räuchergefäße
dienten. Dann aber versuchte man sich mit selbständigen
plastischen Arbeiten, die aber noch sehr unsicher sind und
in einer merkwürdigen Form auftreten. Es sind die soge-
nannten Calottfiguren (Sammlung Gumprecht Berlin, Dres-
dener Porzellansammlung, Schloß Arnstadt, Dr. List Magde-
burg) 7—12 cm hohe Zwerge und andere drollige Figürchen,
die auf einem kleinen profilierten Sockel stehen. Die
Modellierung der Figuren ist ziemlich unbeholfen und un-
geschickt, auffällig sind die Andeutungen der Augensterne
Abb. 28. Geschirr mit Goldmalerei. Meißen um 1720.
durch einen eingestochenen Punkt und die auch sonst
an den Gewandungen, den Haaren usw. erkennbaren Ein-
drücke des Modellierholzes. Manche sind mit Gold und eini-
gen der angeführten frühen Emailfarben bemalt. Sie sind
nicht eigene Erfindungen des Modellieurs, sondern Kupfer-
stichen entnommen. Ein großer Teil derselben läßt sich
nachweisen. Sie sind in einem Abbildungswerke enthalten,
das den Titel führt »Il Calotto resuscitato. Oder Neü
eingerichtes Zwerchen Cabinet. Le Monde est plein de sots
joieux. Les plus Petits sots sont les mieux. De Waereld
is vol Gekken-Nesten de Klynste Narren zyn de beste.
1716 tot Amsterdam gedruckt by Wilhelums Koning.« Das
Werk enthält 57 verschiedene Narren in grotesken Ums-
56
Johann Friedrich Böttger
rahmungen, begleitet von Unterschriften und Versen in
deutscher, französischer und holländischer Sprache. Die
deutschen Verse sind in drolliger Weise mit mundartlichen
und fremdsprachlichen Ausdrücken verbrämt; sowohl be-
stimmte Charaktere und Stände, wie Nationalitäten (Bayern,
Schweizer, Ungarn) werden verspottet. (Das Zähringer
Museum im Schloß zu Karlsruhe besitzt Zwerge nach »Il Cal.«
in bemaltem Ton auf gedrehten Holzsockeln als Schach-
figuren.)
Wenn auch sowohl die Malereien wie die plastischen
Arbeiten noch im höchsten Grade unvollkommen sind, so
weisen sie doch schon für die weitere Gestaltung des
Meißener Porzellans die Wege und geben die Grundlage
für die spätere blühende Entwicklung der Manufaktur. Die
nun folgende Zeit, die etwa drei Jahrzehnte umfaßt, darf
als die eigentliche Blütezeit der Meißener Manufaktur be-
trachtet werden, in der sie unter der Führung des Malers
Herold und des Bildhauers Kändler ihr Bestes leistete.
Nach der Mitte des Jahrhunderts erlahmte die schöpferische
Kraft beider, es traten keine künstlerischen Kräfte als Ersatz
ein und die Produktion Meißens gewinnt allmählich einen
mehr handwerksmäßigen bzw. industriellen Charakter. Man
kann daher von einer Zeit des 'künstlerischen Betriebes
(1720—1750) und einer Periode der industriellen Betriebes
sprechen.
Meißen (1720—1750).
(Künstlerischer Betrieb.)
Die Kommission, die nach dem Tode Böttgers einberufen wurde, um Ordnung in die arg zerrütteten Verhältnisse der Manufaktur zu bringen, fand bald einen geeigneten Mann für die künstlerische Leitung des Unternehmens.
Abb. 29. Geschirr mit farbigen Fonds. Meißen 1730—1740.
Es war der 1696 in Jena geborene Maler Johann Gregor Herold, der schon eine Zeitlang in der 1718 in Wien von Du Paquier ins Leben gerufenen Porzellanmanufaktur gearbeitet hatte und spätestens Frühjahr 1720 in Meißen eintrat. Die Oberleitung selbst versah zunächst eine dreigliedrige Kommission, von 1729—31 übernahm der Premierminister Graf von Hoym, dann zwei Jahre der König selbst die Direktion. Nach seinem Tode im Jahre 1733 besorgte der Kabinettminister Graf Brühl die Geschäfte der Fabrik und
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58 Meißen (1720—1750)
behielt sie bis 1763. Neben August dem Starken hat besonders Graf Brühl entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung
der Manufaktur und ihre künstlerischen Erzeugnisse genommen.
Nach dem Berichte der Kommission, auf Grund dessen
Herold nach Meißen berufen wurde, verstand dieser Maler
etwas, was bisher der Fabrik gefehlt hatte, nämlich die Por-
zellane farbig zu dekorieren. Ihm gelingt es jetzt; Farben
auf das Porzellan
zu bringen, die
sich im Feuervoll
entwickeln und
fest auf der Gla-
sur haften, ohne
abzublättern. Al-
lerdings sind es
nicht Farben von
der Beschaffen-
heit der osta-
sichen hoch auf-
liegendenEmails,
aber sie zeigen
doch zum Teil,
besonders das
Grün und später
das Überglasur-
blau, einen schö-
nen Schmelz von
herrlicherLeucht-
kraft und email-
artigem Charak-
ter, wie sie die
späteren euro-
päischen Porzel-
lanfarben nicht
mehr besitzen. Diese starke farbige Wirkung der Herolds-
chen Malereien liegt allerdings zum Teil darin, daß die
Farben nach dem Vorbild der ostasiatischen Porzellantage in
breiten Flächen, die die Konturen ausfüllen, aufgetragen,
nicht in modellierender Weise aufgemalt sind. In der ersten
Zeit hat allerdings seine Farbenskala etwas Schweres und
Ernstes. Die meisten der so bemalten Porzellane befinden
sich in Dresden. Annähernd ist die vortreffliche in der
Abb. 30 dargestellen Humpen, der mit Lotosblumen in stil-
sierten Wellen bemalt ist. Das Eisenrot ist tiefer und dunkler
als in den späteren Malereien, daneben erscheint Purpur,
später ein zweifaches Grün, Gelb und Überglasurblau.
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Meißen (1720--1750) 59
der letzten Farbe zeigen die frühesten Malereien Herolds im
Turmzimmer des Schlosses zu Dresden ein Unterglasurblau,
eine Farbe, die äuch erst 1720 gelang.
Bald aber werfen die bunten Farben ihre anfängliche
Schwere ab und werden leichter und fröhlicher, insbesondere
auf den Porzellanen, auf denen der frühe Imaridekor imitiert
ist. Überhaupt tritt jetzt die direkte Nachahmung der
ostasiatischen Vorbilder in Form und Dekoration in
den Vordergrund. Von den unter Böttger hergestellten
Formen werden
nur wenige über-
nommen. Die
glatten unbe-
grenzten Flä-
chen der ost-
asiatischen Por-
zellane waren
auch dem Ma-
ler ein willkom-
menes Feld für
seine Tätigkeit.
Auch die Masse
wird weißer,
wenn auch un-
gleichmäßig. Der
äußere Umriß
folgt den Silhou-
etten der chine-
sischen und japa-
nischen Gefäße,
doch immer mit
einerleichtenAb-
weichung vom
Original, dessen
straffeLinien ver-
weichlicht und
verflaut werden.
Die Malereien
der von August
dem Starken gesammelten Porzellane wurden zum Teil in täu-
schender Nachahmung kopiert. Mit besonderer Vorliebe imi-
tierte man die japanischen Porzellane aus Arita, und zwar mit
gutem Geschmack die ältere Gruppe der mit sparsamer bunter
Malerei auf weißem, wenig gedecktem Grunde (vgl. das Kaffee-
serviceundanderesimSchrank429), aberauchdieExportware.¹)
¹) 1729 wurden aus dem japanischen Palais zahlreiche chinesische und
japanische Porzellane als Modellstücke an die Meißner Fabrik abgegeben.
Abb. 31. Kaffeekanne aus einem Service des Königs.
Meißen um 1730.
60 Meißen (1720—1750)
Seltenere sind die Nachbildungen der chinesischen Porzellane
der »famille verte«, noch seltener die der »famille.rose«, die
ja auch in der Dresdener Sammlung fast ganz fehlen. Man
wählte im allgemeinen den Blumendekor; »indianische« Blu-
men hießen sie damals, als »indianisch« gleichwertig mit
»ostasiatisch« galt. Auch die phantastischen Tiere der Chi-
nesen, der Phönix (Abb. 16) und der Drache sind beliebt.
In Eisenrot wurde der Drache als Dekor für ein Service des
Abb. 32. Terrine »Neubrandenstein«. Meißen um 1740.
Königs reserviert (vgl. Schrank 431), ebenso wie das soge-
nannte Tigermuster, das einen Tiger darstellt, der hinter einem
Bambusstamm hervortritt. Die Formen dieser letzteren Ge-
schirre zeichnen sich auch durch besonderen plastischen
Schmuck und den Kurbut als Deckelknopf aus (Abb. 31).
Seltenere sind Darstellungen von Menschen in direkter Nach-
bildung der ostasiatischen Vorbilder, wie auf der geriffelten
Deckelvase in Schrank 429. Die zahlreichen noch zu erwäh-
nenden Chinoiserien sind freie europäische Erfindungen.
Meißen (1720—1750)
Von dem chinesischen Porzellan beeinflußt, aber in ihren
Ausbildungen frei und selbständig sind die sog. »Fond-
porzellane«, bei denen der ganze Grund, mit Ausnahme aus-
gesparter weißer Flächen, die zur Aufnahme von Malereien
Abb. 33. Vase. Meißen um 1730.
dienen, mit einem farbigen Überzug gedeckt ist. Man wollte
offenbar die farbigen Glasuren der Chinesen nachahmen, be-
gnügte sich aber nicht mit der einen Farbe als alleinigem
Schmuck, sondern brachte sie nur in Verbindung mit Orna-
menten an, denn für das Verständnis und die Freude an den
62 Meißen (1720—1750)
Reizen der Farbe allein ist der Europäer erst in jüngster Zeit
reif geworden, ebenso wie auch der Sinn für die Natur fast ein
Jahrtausend später in Europa als in China geboren wurde.
Das Aussparen der Reserven hatte man wohl den chinesi-
schen Porzellanen mit gespritztem Blau (vgl. die Walzen-
vase im Schrank 465) abgesehen. Von Scharffeuerfarben
verwandte man als Fonds bzw. Glasuren nur das Kobalt-
blau und das aus Eisenoxyd gewonnene Milchkaffeebraun
(vgl. den Napf und die Milchkann im Schrank 431 mit
blau gefleckt), das letztere mit besonderer Vorliebe auf der
Außenseite von Tassen, die innen in Unterglasurblau bemalt
sind. Sehr selten kommt eine seladongrünaue Glasur vor
(Schokoladenkanne im Schrank 427). Sonst verwandte man
die Muffelfarben als Überzug. Wohl die früheste Fondfarbe ist
ein Zitronengelb; auf einem Stück der Dresdener Porzellan-
sammlung befindet sich das Datum: »I. Januar 1726«, der
Spülnapf mit gelbem Fond und Chinoisieren in runden Feldern
im Schrank 431 ist unter dem Boden interglasuralblau be-
zeichnet: »Meißen den 27. Augusti 1726«, Porzellane mit
grünen Fonds in der Dresdener Porzellansammlung tragen das
Datum »1727«. 1731 werden als Fondfarben erwähnt: Gelb,
Dunkelblau, Himmelblau, Pfirsichblüten, Stahlgrün, Meeresgrün,
Grau (hell und dunkel), Purpur und Rot. Man malte übrigens
die Blumen und andere Ornamente nicht nur in die weißen
Reserven hinein, sondern setzte sie außerdem noch nicht
selten auf die farbigen Fonds, d. h. man malte diesen Grund
um die Blumen herum (vgl. in der Abb. 29 den Spül-
napf ṃit eisensgrünem Fond und braunen Randlinien). Für die
ausgesparten Felder wählte man mit Vorliebe die Vierpaß-
form in verschiedenen Variationen, mit runden oder kiel-
bogenförmigen Pässen u. a.)
Auch Versuche, die Masse zu färben, wurden gemacht. Es
kommen graublaue, bläulila-, cremeFarbene, graubraune Farben
in der Dresdener Porzellansammlung vor. Da die Töne aber
nicht rein herauskamen, scheint man von einer weiteren
Anwendung dieses Verfahrens Abstand genommen zu haben.
Neben diesen bunten Dekorationen wurde Herrhold auch
der Unterglasurmalerei seine Aufmerksamkeit zu. Schon
Nehmitz, der technische Leiter der Fabrik, berichtet am
14. Juni 1719: in Vorbereitung sei, »eine blaue Farbe auf
unser Porzellan zu bringen, welches 2 Grad härter als das
Ostindische ist«. Er hob damit schon die Schwierigkeiten
hervor, welche die bei der härteren Masse bedeutend höhere
Meißen (1720—1750)
Garbrandtemperatur der Entwicklung der unterglasurblauen
Farbe entgegengestellte. Denn auch, nachdem es im folgen-
den Jahre gelungen war, eine gute unterglasurblaue Farbe
herzustellen, gelangte man doch nie, weder in Meißen noch
sonst in Europa, dazu, Malereien von solcher Vollendung
Abb. 34. Vase mit gelbem Fond. Meißen um 1740.
nicht nur der Zeichnung, sondern auch besonders des Tones
in seiner in China so mannigfaltigen Nuancierung und Leucht-
kraft herzustellen. Infolgedessen blieb die Unterglasur-
malerei in Meißen immer etwas Untergeordnetes gegenüber
den bunten Malereien. Nur in der ersten Zeit suchte man
64 Meißnen (1720—1750)
auch hier mit China zu konkurrieren und verlegte sich auf Stücke wie die beiden Vasen im Schrank 428 (siehe die Abbildung der einen in der Abb.35), die zu den hervorragendsten Meißener Blaumalereien gehören; aber schon die Ungleichmäßigkeit des Tones auf den beiden Stücken, die die Marke A R tragen, zeigt, wie unsicher die Technik war. Ein selten feines Stück ist auch die kleine Kanne in Bronzefassung mit einem breiten Bandstreifen um den Leib. Unter Herold scheinen in der Blaumalerei nur »indianische« Motive verwandt worden zu sein, erst nach 1750 kommt auch europäisches in Blaumalerei vor.
Indessen Herold begnügte sich nicht mit dem Abklatsch ostasiatischer Motive. Schon in den ersten Jahren seiner Tätigkeit schuf er als Dekoration eine ganz eigentartige Formenwelt, in der sich Ostasiatisches und Europäisches einträchtig zu etwas Neuem verband, jene sog. Chinoiserien, die offenbar aus dem Wunsche hervorgegangen sind, statt jener dem Europäer unverständlichen figürlichen Darstellungen auf den ostasiatischen Porzellanen, derekte Kopien man nur selten ausführte, Bilder zu setzen, die, wenn auch phantastisch und willkürlich, doch dem Beschauer verständlicher sein mußten. Das früheste Datum für diese Chinoiserien erscheint auf einer Tasse aus der ehemaligen Sammlung Franks im Bethnal Green Museum in London; auf derselben ist ein großer Chinese mit einem Schilde dargestellt, der die Inschrift trägt »George Ernst Keil, Meißnen, den 6. Juli 1724«. Herold selbst nennt sich zweimal als den Erfinder der ganzen Gattung, das eine Mal auf einer Radierung in der Ornamentstichsammlung des Kunstgewerbemuseums, die die Bezeichnung trägt: »J. G. Höroldt inv. et fecit 1726«, das andere Mal auf einer großen Vase mit gelbem Grund und figurenreichen Chinoiserien in Reserven im Turmzimmer des Schlosses zu Dresden, auf der die Aufschrift steht: »Johan Gregorius Höröld inv: Meißnen den 22. Jan. anno 1727«. Da Herold die Radierung ebensq wie eine zweite ebenfalls in der Ornamentstichsammlung befindliche Radierung offenbar als Vorlage für seine Maler angefertigt hat, muß die ganze Gattung dieser Darstellungen damals schon beliebt und typisch geworden sein.
Die datierte Radierung zeigt einen am Boden hockenden teetrinkenden Chinesen, ihm gegenüber einen stehenden Chinesen, von einem Widdere begleitet, mit zwei Stangen in der Hand, an denen verschiedene Gegenstände hängen. Die Gruppe wird eingerahmt von einer Palme und einem Gebüsch mit Chrysanthemen und anderen Blumen. In der Luft schwebt ein Drache in Gestalt einer geflügelten Schlange, sowie Vögel und Insekten, ganz ähnlich wie auf der Kaffee-
Meißen (1720—1750)
kann in der Abb. 37, deren Figuren, Tiere und Pflanzen
die größte Verwandtschaft mit der Radierung zeigen.
Ähnliche Bilder erscheinen in einer unerschöpflichen
Fülle von Einfällen und launigen Episoden auf zahllosen
Abb. 35. Vase mit Blaumalerei. Meißen um 1730.
Porzellanen der zwanziger und dreißiger Jahre. Es ist eine
Art von Schlaraffenland, das uns vorgeführt wird, in dem jene
behaglich grinsenden Figürchen ein behäbiges Wohlleben
führen, wie es sich der Europäer damals vorstellte, dem die
Brüning, Porzellan.
5
66 (Meißen (1720—1750)
Berichte der Reisenden und Missionare aus China und Japan Wunderdinge erzählten. Man glaubte, die Bewohner jener glücklichen Länder verträumten dort ein heiteres, mühe- loses Dasein in Spiel und Genuß unter Palmen und duftenden Blütenbäumen, umgaukelt von Blumen und farbenprächtigen Schmetterlingen. Diesen Vorstellungen hat Herold greifbare Gestalt gegeben und hat es verstanden, der von ihm geschaffenen Märchenwelt einen Schein von Wahrheit
zu verleihen. Es sind nicht etwa verkleidete Euro- päer, ebensowenig wie echte Ostasia- ten, sondern es ist eine selbständige Eigenwelt, ver- gleichbar den phantastischen We- sen, die die antike Kunst ge- schaffen. Wie man dort etwa von einer Verkörperung des Meeres sprechen kann, so kann man hier von einer per- sonifizierten Ex- otik im Sinne des 18. Jahrhunderts reden. Auch ein Franzose, Jean Pil- lement, hat ähn- liche Chinoiserien geschaffen, geist- reiche Komposi- tionen voll reiz- voller Motive, wäh- rend der Chinesen- wlet Herolds etwas von spießbürgerlicher Schlafrockpoesie anhaftet.
Die Dosis wirklicher Exotik, die der erdichteten Phantastik Herolds beigemischt ist, ist den großen Werken entnommen, die seit dem 16. Jahrhundert europäische Welt- reisende über ihre abenteuerlichen Fahrten veröffentlichten. Herold hat vielleicht das Werk von Dapper (Gedenkwaerdig Bedryf der Nederlandsche Oost-Indische Maetschappye, op de Kuste en in het Keizerryk van Taising of Sina...
Meißen (1720—1750)
Beschreven door Dr. O. Dapper, t' Amsterdam By Jacob van Meurs 1670) gekannt. Hier vinden wir nämlich alle Requisiten, die Herold in seinen Chinoiserien benutzt: das Kostüm, die Geräte, die merkwürdigen Pflanzen und Tiere, und zwar auch schon in einer sonderbaren Entstellung, die die dargestellten Landschaften, Architekturen und Menschen der Wirklichkeit völlig entfremdet. Offenbar sind alle diese Kupferstiche,
Abb. 37. Kaffeekanne. Meißen um 1725.
womit das Werk so reich ausgestattet ist, nach dürftigen Skizzen und Notizen der Reisenden, die sich in den Köpfen der Zeichner seltsam veränderten, hergestellt worden. Diese trüben Quellen, aus denen Herold seine Kenntnisse von Ostasien schöpfte, erklären aber nur zum kleinen Teil die Phantastik seiner Kompositionen. Der größte Teil dieser übersprudelnden Fülle von Erfindungen ist auf Rechnung
68 Meißen (1720—1750)
seiner großen Schöpferkraft zu setzen. Sein und seiner Schüler
Erfindungsreichtum ist so groß, daß oft auf sämtlichen Teilen
und Bildern eines ganzen Frühstücksservices sich keine ein-
zige Darstellung wiederholt.
Neben Herold werden in dem Verzeichnisse der im
April 1731 in Meißen beschäftigten Arbeiter noch sechs
andere Maler für „Japponische Figuren“ aufgeführt. Man er-
kennt auch leicht in den verschiedenen Malereien ver-
schiedene Hände. Den Heroldschen Stil, der die Köpfe
modelliert und in feinster Weise sowohl Körper wie Ge-
wandung ausführt, vertritt die angeführte Kaffeekanne; die
ebensogroßen Köpfchen der Figuren sind mit sprechendem
Leben erfüllt. Scharf von diesen hebt sich eine andere Gruppe
von Chinoisieren ab, bei denen die Köpfe nicht modelliert
sind, sondern bei denen die Umrissse derselben in geraden
Strichen, die in scharfen Winkeln zusammenstoßen, gezeichnet
sind, während die Gewänder ähnlich, wenn auch nicht so
fein, gemustert sind. Sie sind vertreten auf der kleinen schon
erwähnten Kanne mit gesprekeltem tiefschwarzem Grunde im
Schränk 431. Eine dritte sehr selten vorkommende Art von
Chinoisieren zeigt die Terrine in der Abb. 38, die zugleich die
früheste Terrinenform repräsentiert. Sie ähneln den figur-
lichen Darstellungen auf den chinesischen Porzellanen,
insofern sie auch mit Farbflächen ausgefüllte Konturen
zeigen, sind aber in der Erfindung des Vorgangs und auch
in der Zeichnung durchaus europäisch. Bezeichnend ist die
unangenehm weichliche Linienführung. Die bedeutendsten
Malereien dieser Art befinden sich auf Kaminvasen im Neuen
Palais in Potsdam.
Die frühesten Chinoisieren scheinen in Gold gemalt
zu sein (s. Abb. 28), wenigstens zeigen sich auf Stücken,
deren gelbliche Masse dieselben als noch sehr früh erweist.
Die zugleich abgebildete Schokoladentasse ohne Henkel zeigt
ein gerade bei Goldmalereien häufig wiederkehrendes Motiv:
eine Art von Spitzenmustern mit C-förmigen, um eine Mittel-
achse geordneten Schnörkeln (Mauerranken ähnlich). Bei
figürlichen Darstellungen werden die Figuren als Silhouetten
aufgetragen, die Inneneinzeichnung mit einem Griffel aus dem
stumpfen Gold radiert. In Rundungen stehen die Chinesen
auf einem ähnlichen Sockelornament wie in der Abb. 26. In der
Regel sind bei solchen mit Gold dekorierten Gefäßen Henkel,
Ausgüsse, Knäufe, häufig auch das Innere der Tasse und
Untertasse ganz vergoldet. Die Ränder und Profile schmücken
breite Goldbänder, häufig mit einem bogenförmig ausge-
zackten Rand, von kleinen zierlichen Ornamenten, unter
denen besonders ein gezähnter Bügel charakteristisch ist,
begleitet. Zu den nur mit Gold dekorierten Arbeiten ge-
Meißen (1720—1750) 69
hört auch der Meßkelch (Abb. 36). Auch Porzellane mit
Silberdekorationen kommen vor, die jetzt zumeist ganz
schwarz geworden sind (Schrank 430). Es scheint, daß man
infolge der schnellen Oxydation des Silbers diesen Dekor
bald aufgegeben hat.
Die weitaus größere Menge der Chinoiserien sind in
leuchtenden bunten Farben gemalt, unter denen besonders
das Eisenrot und Purpur bevorzugt sind. Sie werden zum
Teil frei auf die Fläche gesetzt, wie bei der Kaffeekanne
(Abb. 37). Bei den Fondporzellanen stehen sie in den
weißen Reserven wie die erwähnten Blumen. Die Reserven
Abb. 38. Terrine. Meißen 1730—1740.
sind von einer goldenen oder bunten Linie umsäumt. Am
häufigsten erscheinen sie in Umrahmungen in Gold und
Lüster, die von buntem Laubwerk eingefaßt sind, ähnlich
denen auf der Anbietplatte mit Parklandschaften (Abb. 39).
Das Laubwerk ist entweder in Eisenrot ausgeführt und von
bläulroten Schatten begleitet oder in Eisenrot und Purpur,
wozu dann zuweilen noch Gelb zutritt. Nicht selten wird
dieses Rahmenwerk noch durch Gitter und Schuppenmuster,
eingefügte kleine Medaillons mit Miniaturbildchen in ein-
farbiger Malerei, durch Masken und dergl. verziert. Diese
Rahmen dienen nicht nur dazu, den Bildern einen Abschluß
70
70 Meißén (1720—1750)
zu geben, sondern sie fügen sich mit ihren Ausläufern ge-
schmackvoll der Form der Gefäße an.
Neben den Chinoiserien treten schon früh, besonders
auch bei Goldmalereien, Jagddarstellungen auf (Abb. 26),
ferner feine Landschaftsbilder, Häfen- und Flußland-
schaften mit Kaufleuten, Orientalen und warenaufladenden
Männern, ferner Parklandschaften (Abb. 39) mit lustwan-
delnden Herren und Damen, sowie endlich Kriegsbilder.
Diese Miniaturbilder sind entweder bunt oder auch einfarbig
in Purpur und Eisenrot ausgeführt. Sie erscheinen ebenso wie
die Chinoiserien entweder frei auf die Fläche gemalt oder in
Reserven oder in ähnlichen Laub- und Bandelwerkkartuschen
Abb. 39. Anbietplatte. Meißén 1730—1740.
wie erwähnt, die dann später durch Rokokokartuschen in
Gold mit einigen schwarzen Linien ersetzt werden (Abb. 40).
Ebenso wie die Chinoiserien sind auch diese Park- und
Flußlandschaften selbständig erfundene Kompositionen. Die
Vorliebe für Flußlandschaften brachte vielleicht die Lage
Meißens an der Elbe mit sich. Anders ist es mit den
Reiterkämpfen und Kriegsszenen, bei denen wir mehrfach
direkte Kopien von Stichen nach Hugtenburg, Rugendas,
Wouwermann u. a. nachweisen können. Auf den Land-
schaftsbildern finden sich wiederholt Datierungen aus der
ersten Hälfte der vierziger Jahre.
Alle diese überaus fein und mühsam ausgeführten
Miniaturbildchen geben den Porzellanen Herolds und seiner
71
Meißen (1720—1750) 71
Schule den Charakter des Kostbaren, Seltenen, das man,
wie die Handschriften des Mittelalters, mit größter Liebe
und Sorgfalt bemalte, da man der hohen Wertschätzung
dieser auf intime eingehende Betrachtung berechneten
Dekorationen des wertvollen neu aufgefundenen Stoffes
durch den Käufer gewiß war. Wo man auf weitsichtige
dekorative Wirkung hin schmücken mußte, wählte man die
ostasiatischen Blumen oder gab dem Porzellan ein farbiges
Kleid, in das man kleine Bildchen setzte, die ihre Reize
aber erst in nächster Nähe offenbarten.
Das Haupterzeugnis der Meißener Manufaktur war in
den zwanziger Jahren das Frühstückservice, dessen ver-
hältnismäßig kleine Stücke gerade zu jener Kleinmalerei
einluden. Zu ei-
nem solchen ge-
hörte eine Kaffee-
kanne, eine Milch-
kanne, ein Spül-
napf, in dem die
Tassen gespült
wurden, eine Tee-
büchse, eine klei-
ne flache Schale
zur Aufnahme der
Löffel bzw. des
Zuckers und zwölf
oder sechs Tassen,
die zunächst so-
wohl für den Tee
wie für den Kaf-
fee dienten. Für
die Schokoladen-
tassen hatte man
die bekannte hohe
Form. Es ist wohl kein zufälliges Zusammentreffen, daß
zu gleicher Zeit mit der Entstehung des europäischen Por-
zellans die Einführung der warmen Getränke: Tee, Kaffee
und Schokolade, erfolgte. Allerdings waren sie schon im
siebzehnten Jahrhundert in Europa bekannt geworden, fanden
aber erst im achtzehnten Jahrhundert weitere Verbreitung.
Ebenso wie diese für Sitte und Leben der damaligen
Welt von tief einschneidender Bedeutung waren, so auch
der Gebrauch des zerbrechlichen feinen Porzellans, das
feinere Hände verlangte, als die derben Fäuste, die den
Steinzeug- und Zinnhumpen geschwungen hatten. Geschlos-
sene Tafelservice scheinen erst seit 1734 hergestellt worden
zu sein.
Abb. 40. Teekanne. Meißen um 1740.
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72
Meißen (1720—1750)
Neben den Frühstücksservicen verfertigte man schon früh
Kaminaufsätze von fünf bis sieben Stück, ferner Prunk-
vasen für die Porzellankabinette, die man bis dahin mit
chinesischen und japanischen Porzellanen besetzt hatte. Solche
Abb. 41. Kandelaber aus dem Sulkowsky-Service. Meißen 1735—1738.
Kabinette haben sich noch in einer großen Anzahl von Schlöss-
sern, zum Beispiel Charlottenburg, München, Ansbach, Schön-
brunn usw., erhalten. Für die Kenntnis der frühesten Arbeiten
Herolds ist besonders das sogenannte Turmzimmer im Schloß
zu Dresden wichtig. Es ist wahrscheinlich, daß die dort
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Meißen (1720—1750)
aufgestellten Porzellane ursprünglich in dem von dem Archi-
tekten Mathias Daniel Pöppelmann erbauten, ganz mit Por-
zellanen ausgestatteten japanischen Palais, das August der
Starke 1717 vom Feldmarschall Graf Flemming gekauft hatte,
gestanden haben. Da indessen das damals noch kleine Schlöß-
Abb. 42. Terrine aus dem Sulkowsky-Service. Meißen 1735—1738.
chen nicht ausreichte, wurde 1727 der ganze Bestand aus-
geräumt und zum Teil in das Turmzimmer geschafft. Der
König hatte die Absicht, das Palais bedeutend zu erweitern
und dann von neuem von oben bis unten mit Porzellan
auszustatten. Infolge seines 1733 erfolgten Todes kam es
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74
Meißen (1720—1750)
nicht zur völligen Verwirklichung seiner Absicht, wenn auch
bis in die vierziger Jahre hinein Porzellane für das japanische
Palais geliefert wurden. Nach den noch erhaltenen Beschrei-
bungen und Aufrissen sollte das Erdgeschoß mit chine-
sischen und japanischen, das Obergeschoß mit Meißner Porzel-
lanen so ausgestattet werden, daß dieselben in rhythmischer
Anordnung die wesentlichste Dekoration ausmachten. In den
verschiedenen Gemächern sollten Gefäße von gleicher Farbe,
dazwischen eine große Anzahl von Tieren, zum Teil in
Lebensgröße, aufgestellt werden. Aus Porzellan sollten ferner
ein Glockenspiel, Teile eines Thrones, Statuen und Reliefs,
sowie Kanzel und Altar der Kapelle hergestellt werden.
Von den zwölf Aposteln, die die Kapelle zieren sollten, hat
sich nur ein Petrus von zweidrittel Lebensgröße in der Dres-
dener Porzellansammlung erhalten, der indessen im Brande
sich stark verzogen hat; es ist die einzige Apostelfigur, die
in Porzellan aus geführt worden zu sein scheint.
Offenbar im Zusammenhang mit diesem groß angelegten
Plane, das japanische Palais nicht nur mit Gefäßen, sondern
auch mit Figuren zu schmücken, steht die Berufung mehrerer
Modelleure. Die ersten beiden, der 1727 berufene Gottlob
Kirchner und der im folgenden Jahre an seine Stelle ge-
setzte Bildhauer Johann Christian Ludwig Lücke, bewährten
sich nicht, obschon Lücke sich später als tüchtiger Elfen-
beinschnitzer erwies.
Dagegen fand August der Starke in einem anderen Bild-
hauer, Johann Joachim Kändler, einen Mann, der ganz
geeignet war, seine Ideen auszuführen und durch seine um-
fangreiche schöpferische Tätigkeit neben Herold die Meißner
Manufaktur zur glänzendsten Entwicklung geführt hat. Er
legte nicht nur den Grund zu der Porzellanplastik überhaupt,
sondern übte auch auf die Entwicklung der Geschirrformen
bedeutsamen Einfluß aus.
Kändler war im Jahre 1706 zu Seeligstadt bei Bischofs-
werda in Sachsen als Sohn des dortigen Pfarrers geboren,
1723 kam er zum Hofbildhauer Thomae zu Dresden in die
Lehre. August der Starke lernte ihn bei der Einrichtung
des Grünen Gewölbes, zu dem auch Kändler verschiedene
Arbeiten liefern mußte, kennen, er ernannte ihn 1730 zum
Hofbildhauer und im folgenden Jahr zum Modellmeister der
Meißner Manufaktur. Kändlers erste Arbeiten waren außer
dem erwähnten Petrus eine größere Anzahl von Tieren, zum
Teil in Lebensgröße, denen bald eine große Menge anderer
Tiere folgte, die sich zumeist noch in der Dresdner Por-
zellansammlung erhalten haben. Sie sind teils weiß, teils
mit kalten Farben, teils mit eingebrannten Farben bemalt.
In der lebensvollen Erfassung der Tiere sowohl, wie in der
Meißen (1720—1750) 75
großzügigen, auf das Wesentliche gerichteten Darstellung, die
über die Zufälligkeit des einzelnen Tieres hinaus die Gattung
wiedergeben weiß, zeigt Kändler seine Meisterschaft. Die
Nachbildung des kühn bewegten polnischen Adlers auf dem
Schrank 428, ebenso wie der Löwe auf der Sulkowsky-Terrine
(Abb. 42) vermögen einigermaßen den großen Stil seiner
Tiergestalten zu veranschaulichen. Der Löwe und die Löwin
im Schrank 428 sind wohl nicht von seiner Hand.
Außer diesen Tieren hat Kändler noch eine große
Anzahl anderer, im Maßstab ungewöhnlicher Arbeiten aus-
geführt; von denen mehrere sich in der Dresdener Sammlung
befinden:eine Madona mit dem hl. Antonius; eine Hl. Wenzes-
laus, eine Pietà, die figurenreichen Gruppen der Kreuzigung
und des Todes des Franziskus Xaverius, und ein Standbild
Augusts III. in polnischer Tracht in dreiviertel Lebensgröße.
Auch die noch in mehreren Exemplaren (Dresden, Wien,
Schloß Pförten) vorhandenen Apostel von etwa 40 cm Größe
gehören zu diesen großfigurigen Werken; einen der Apostel,
Simón, stellt die Abb. 49 dar. Sie sind um 1740 angefertigt,
und zwarursprünglich für die Schweingruber Tafel Augusts III.
die Kaiserin Amalie, nebst einer noch zum größten Teil
im Wiener Hofmuseum erhaltenen Altargarnitur: Kreuz,
Leuchter, Meßkännchen usw. Kändlers Ehrgeiz kannte keine
Grenzen für das Material, in dem er arbeitete. Er hätte
sogar den kühnen Entschluß, die Reiterstatue des Königs
August III. in der Größe des jetzt auf dem Neustädter Markt
in Dresden stehenden Reiterbildes auszuführen. Das Modell
wurde 1753 in Porzellan vollendet, und befindet sich in
der Dresdener Sammlung. Ebendort hat sich noch das in
Gips ausgeführte Originalmodell des Kopfes des Königs
erhalten, das eine Vorstellung von der geplanten Größe des
Werks zu geben vermag. Kändlers Absicht scheiterte an
der Ungunst der Verhältnisse, die technischen Schwierig-
keiten hätte er vielleicht überwunden. Die Statue sollte
aus zahlreichen Stücken gefertigt werden, die ein kompli-
ziertes Eisengerüst zusammen halten sollte. Das Original-
modell wurde 1779 vernichtet. Eine der Figuren, die den
Sockel umgeben sollten, die Göttin des Friedens, ist in
kleinem Maßstab wiederholt worden (Schrank 427).
Zu Größenverhältnissen, die dem Charakter des Por-
zellans als einer feinen zarten Masse entsprachen, führten
Kändler die Service, die er auszuführen hatte. Von den zwei
bedeutendsten, dem Sulkowsky-Service und dem Schwanen-
service des Grafen Brühl, werden die wichtigsten Stücke im
Museum aufbewahrt. Im Gegensatz zu den glatten Formen
der Heroldschen Service zeigen sie, besonders das Brühlsche,
reichen plastischen Schmuck, der der Bemalung fast völlig
entraten kann. Wenn auch einzelne dieser Formen, so die Terrine des Sulkowsky-Services, wie Julius Lessing nachgewiesen hat, direkt einer in der Silberkammer in Dresden befindlichen silbernen Terrine des Augsburger Goldschmiedes Johannes Biller nachgebildet ist, und dem kleinen Leuchter (Abb. 43) des Brühlschen Services ein Stich von Desplaces nach Meissonier zugrunde .liegt, so bleibt doch des Selbständigen und Eigenen so viel übrig, daß wir die Gestaltungskraft des Meisters, die allerdings sich nicht immer zu mäßigen weiß, aufs höchste bewundern müssen.
Das Sulkowsky-Service, von dem das Museum außer der Terrine einen prächtigen Kandelaber (Abb. 41) und eine öfters vorkommende Saucière besitzt, ist in den
Abb. 43. Geschirr aus dem Schwanenservice. Meißen 1737—1741.
Jahren 1735—1738 für den polnisch-sächsischen Kabinettsminister Alexander Joseph von Sulkowsky und seine Gemahlin Franziska Katharina Freiin von Stein angefertigt worden. Die Masse ist noch vielfach fleckig und zeigt zahlreiche Glasurfehler; zum Teil sind sie mit kleinen indianischen Streublumen und Reisigbündeln gedeckt. Den Rand der Terrine schmückt ein schmales Strohgeflecht, das später als Osierrnuster sich breiter ausdehnte. Es wäre möglich, daß dieser Zierrat auf das gestrichelte Liniendecor ornament am Fuß der chinesischen Vase in der Abb. 9 und das Randornament auf der Schüssel in der Abb. 10 zurückgeht. Auf das Obergewand der leuchtertragenden Figur ist ein Stoffmuster eingezwungen, eine aus der Goldschmiedekunst übernommene Technik; vielleicht liegt also auch hier ein Metallvorbild zugrunde.
Noch reicher ist die plastische Gestaltung beim sog.
Schwanenservice, dessen Name von dem auf jedem Stück
vorhandenen Relief herrührt, auf dem auf muschelartig
geripptem Grunde ein Weiher mit Schwänen und Reihern
Abb. 44. Terrine aus dem Schwanenservice. Meißen 1737—1741.
dargestellt ist. Es eröffnet die Reihe der zahllosen Be-
stellungen, mit denen nach dem Tode Augusts des Starken
der allmächtige Kabinettsminister seines Nachfolgers, Graf
Brühl, bis zum Siebenjährigen Kriege die Manufaktur in
weitgehendem Maße beschäftigte, so daß, wie vorher August
der Starke, jetzt Graf Brühl entscheidend die Entwicklung
der Manufaktur bestimmt zu haben scheint. Das Service
befindet sich in seiner Hauptmasse (etwa 1400 Stück) auf
dem Schlosse Pförten. Einige der schönsten Stücke sind
dem Museum leihweise überlassen und im Schrank 436 auf-
gestellt. Alle Teile tragen das Alliance-Wappen der Brühl
Abb. 45. Pastetenbüchse aus dem Schwanenservice. Meißen 1737—1741.
und Kolowrat-Krakowski. Es scheint, daß dem Service
eine bestimmte Idee, die auf die das Wasser beherrschenden
Gottheiten und dasselbe bevölkernden Lebewesen sich be-
zieht, zugrunde gelegt ist. Die auf der Terrine angebrachte
Gruppe erinnert an die bekannten auf Raffael zurückgehenden
Kompositionen des Triumphs der Venus oder Galathea von
Albani, Coypel u. a. Vielfach überwuchert das nur lose
angeklebte Ornament, wie bei der Terrine, völlig die Form,
doch die hinreiẞende glänzende Darstellung des Ganzen
läßt über derartige Schwächen leicht hinwegsehen. Zu den
schönsten Geräten gehören die Konfektschalen, die von
einer Nereide (Abb. 46) und einem bärtigen, leidenschaftlich
bewegten Tritonen (Nachbildung auf dem Schrank 427) ge-
tragen werden. Mehr kulturhistorisch interessant sind andere
Formen, wie der Weinkorb, der Wurstkessel, und der von
Delphinen getragene Apfelsinenbecher (Abb. 43). Bei diesem
Service herrscht das Weiẞ noch mehr wie bei dem Sulikowsky-
Service, die indiasiatische Streublümchen sind auf den Rand
zurückgedrängt. Dagegen hebt eine reiche Vergoldung die
Wappen, Kartuschen und die Ränder. Die plastischen Tiere
und Muscheln sind durch ein kräftiges Schwarzbraun oder
Eisenrot belebt, auch die Figuren glänzen in dem schneeiẞen
Weiẞ der Masse, nur auf den Wangen, Brüsten, Knien,
Füẞen und Händen sind leichte Tupfen von Fleischfarbe
aufgesetzt. Das tiefe Schwarz oder rötliche Braun der Haare
wirkt zu dem Weiẞ des Fleisches als kräftiger Kontrast.
Das Service wurde in den Jahren 1737—1741 angefertigt.
Diese reiche plastische Ausbildung der Geschirre und
Ziergefäẞe führen Kändler und seine Schüler dann in mannig-
faltigen Variationen weiter. Eine einfachere, aber geschmack-
volle und offenerbau auf Kiẞlinder zurückgehende Form ist die
Terrine, welche mit einem Randmuster dekoriert ist, das man
»Brandenstein« nannte. Kommen wie bei diesem Stück noch
Riffelungen, die den Körper teilen, dazu, so hieẞ es »Neu-
brandenstein«, Muster, die später ebenso wie das Strohgewicht
noch lange fortleben. Andere neue Servicemirkiern gewinnt
Kändler dadurch, daẞ er den Körper völlig mit kleinen Blüten,
z. B. Vergiẞmeinnicht (Abb. 48), belegt. Am höchsten ge-
schätzt sind die mit weiẞen Blüten bedeckten Schneeballvasen.
Oder es wird der ganze Grund geflechtartig gebildet oder
gittermusterartig mit eingefügten Blüten. Mehrere derartige
Dekorationen befinden sich in den königlichen Schlössern
in Potsdam. Auch die Geräte in naturalistischen Formen,
wie die Kaffeeekanne in Gestalt eines Kiẞes im Schrank 427
oder die Sauciere in Form eines Blattes (Abb. 47), stammen
aus seiner Hand. Während er in diesen Dekorationen ge-
schmackvoll bleibt und Maẞ hält, durchbricht seine Phantasie
dagegen bei den bekannten Vasen der Elemente, bei denen
der ganze Körper in eine figürliche Szenerie aufgelöst ist,
alle Schranken der dekorativen Gesetzmäẞigkeit. Die große
Bildsamkeit und leichte Gestaltungsfähigkeit des Stoffes ver-
führt leicht zu derartigen Übertreibungen.
Seit dem Beginn der vierziger Jahre wachsen dann aus
Kändlers schöpferischer Hand jene zahllosen spannenhohen
80
Gruppen und Figuren hervor, in denen er das Leben und Treiben der sächsischen Hofgesellschaft in hundertfachen Reflexen abspiegelt. Wir sehen die Damen in ihren großen Krinolinen, von höflichen und zärtlichen Kavalieren begleitet, dann dieselben als Schäferinnen und Schäfer verkleidet,
Abb. 46. Konfektschale aus dem Schwanenservice. Meißen 1737—1741.
oder im Jagdkostüm, die Hofnarren, die Offiziere und Soldaten, aber auch Handwerker und Bauern, freilich in einer zumeist wenig der Wirklichkeit entsprechenden eleganten Gestaltung, die diese Typen aus dem Leben mehr als Maskeraden der vornehmen Gesellschaft, denn als
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wirkliche Bettler und Arbeiter erscheinen lassen. Wissen wir
doch, daß mit Vorliebe an den Hoffesten karnevalistische Um-
züge, bei denen die Teilnehmer in allen möglichen Kostümen
erschienen, stattfanden. Dazu kommen noch die Gott-
heiten des Olymрs, wie sie sich das 18. Jahrhundert in
seinem Sinne vorstellte, sowie zahllose Personifikationen
allgemeiner Begriffe, der freien Künste, Jahreszeiten, Ele-
mente usw.
Alle diese Gruppen und Figuren hatten eine bestimmte
Verwendung. Sie sollten dazu dienen, die Tafel zu
schmücken. Nach einer bis ins Mittelalter zurückreichenden
Sitte war es nämlich Brauch, bei festlichen Anlässen sog.
Abb. 47. Sauciere. Meißen Mitte 18. Jahrh.
Schauessen in der Mitte der Tafel und auf besonderen
Tischen aufzubauen: Tempel, Paläste, Häuser mit Gärten,
Alleen, Pyramiden, Springbrunnen, Felsen und Lauben, die
von Figuren belebt waren. Zumeist wurden in mythologischen
und allegorischen Gestalten bestimmte Vorstellungen (etwa
die Tugendhaftigkeit der Gefeierten) zum Ausdruck ge-
bracht. Die zahlreichen in Porzellan erhaltenen Amoretten
spielten z. B. bei Hochzeiten eine große Rolle; die Liebes-
götter im Schrank 427 mit den Aufschriften "Prix de la con-
stance“, "Coup sur coup“ usw. geben dafür ein sprechendes
Beispiel. In der Regel erschienen diese Aufsätze erst in
Begleitung des Desserts. Häufig wurden dann die Beete
der gärtnerischen Anlagen des Aufbaues mit Konfekt aus-
gelegt. Was nun in früheren Jahrhunderten aus Zuckerwerk
oder Wachs geformt war, wurde jetzt in Porzellan gebildet.
Brüning, Porzellan.
82
Einen Beweis für diese Anwendung der Porzellanfiguren
gibt das Inventar der Konditorei des Grafen Brühl von 1753,
das neben einer Aufzählung fast sämtlicher noch erhaltenen
Modelle von Gruppen und Figuren zahlreiche Architekturstücke
und größere Kompositionen aus Porzellan erwähnt. Es werden
da genannt: 4 Kirchen, 2 Tempel, 2 italienische Türme,
51 Stadthäuser, 13 Bauernhäuser, 5 Scheunen, 13 Ställe,
20 Nischen, 48 Pyramiden, 6 Gondeln, ferner Felsen, Grotten,
Bassins und »Schalen zu Wasserkünsten«, Altäre, Postamente,
Säulen, Kapitäle,
Gesimse und Va-
sen, Kronen und
Kurhüte, Schil-
der, Palmen,
»Blumenkrüge«,
»Orangentöpfe«
usw. Von größe-
ren Stücken wird
u. a. ein aus
264 Stück beste-
hender Ehren-
tempel erwähnt,
zu dem 74 Figu-
ren gehörten. Ur-
sprünglich wird
der größte Teil
der angeführten
Figuren und Ar-
chitekturteile für
einen besonderen
Anlaß gefertigt
worden sein. Das
sich in den Kon-
ditorreien ansam-
melnde Material
konnte dann bei
einer anderen Ge-
legenheit in an-
derer Aufstellung
und unter Zugrun-
delegung einer neuen Idee
verwendet werden. Kupferstiche mit Darstellungen von Fest-
lichkeiten zeigen die Anordnung solcher Aufsätze auf der
Tafel. Häufig wurden die Figuren auf Bahnen von Spiegel-
glas gestellt.
Es sind vielfach noch Renaissancegedanken, die in
diesen Tafelaufsätzen weiter fortleben. Die Gottheiten und
personifizierten Naturkräfte, die Elemente, Jahreszeiten,
Monate, Weltteile: dieser ganze Apparat der Renaissance-
83
feste, der bei den damaligen Aufzügen, den theatralischen
Aufführungen, ja selbst beim Feuerwerk eine so große Rolle
spielte, findet so im Porzellan des achtzehnten Jahrhunderts
noch einmal im kleinen eine reizvolle Verkörperung, bis er
zugleich mit der neuen zerbrechlichen Form für immer
dahinstirbt. Welchen Wert man gerade diesen Gedanken-
kreisen beimaß, zeigt der Umstand, daß Kändler in Meißen
»täglichen Unter-
richt zur Erklä-
rung der schwe-
reren mytholo-
gischen Dichter«
bei dem Magister
ChristianFriedrich
Weise nahm, der
in der Meißener
Fürstenschule von
1735—1770 unter-
richtete.
Diese Verwen-
dung der Porzel-
lanfiguren als Ta-
felschmuck war
wohl auch für ihre
Größe bestim-
mend. Während
Kändler in seinen
für das japanische
Palais geschaffe-
nen plastischen
Arbeiten einen
sehr großen Maß-
stab gewählt hat-
te, gab er diesen
Porzellan-Figuren
eine Größe, die für
die auf der Tafelle-
bende kleine Welt
angemessen war.
Auch die Form des Sockels ergibt sich für viele Figuren
aus diesem Zwecke. Bei den Figuren, welche als Zierat
auf die großen „Plats de menage" mit ihren Salz-, Pfeffer-,
Öl- und Essigbehältern usw. gesetzt wurden, wurde der Sockel
mit seinem Muschelwerk den Rokokoformen dieser Geschirre
angeglichen; Sockel, mit Blumen oder Gras bewachsen, wählte
man bei Figuren, die den auf der Tafel aufgebauten Park
bevölkern sollten. Kleine Postamente in Denkmalform dienten
Abb. 49. Apostel Smion. Meißen um 1740.
84
als Untersatz für die Statuen aus Porzellan, welche die Parterre und Terrassen zu schmücken bestimmt waren.
Auch die die Gruppen begleitenden Bäume, Lauben, Pyramiden und Nischen erklären sich nun leicht, ferner die allseitige Komposition bei den Gruppen, die, in der Mitte der Tafel freistehend, sich nach allen Seiten hin gleichmäßig entwickeln mußten, um von jedem Standpunkte aus ein gutes Bild zu bieten. Vielfach wurden diese Mittelgruppen durch Aneinanderschieben von Teil- stücken gebildet, wie der aus meh- reren Stücken ge- arbeitete Aufsatz mit Bacchanten im Schrank 433. Bei dem Mittelstück dieses Aufsatzes trägt eine ionische Säule einen Kork- fektkorb, daneben reitet der trunkene Silen auf einem Esel, von einem Genossen begleitet (Sammlung King in London).
Die besten Fi- guren und Grup- pen Kändlers sind in Privatsammlun- gen und in Schlös- sern verstreut, die Museen enthalten nur wenig, was sein höchstes Können auf diesem Gebiete illustrieren könnte. Für die mythologischen Figuren seiner frühesten Zeit geben die Figuren des Schwanen- und Sulkowsky-Services einen Anhalt; ihre Vorzüge gegen- über den späteren veraflauten Arbeiten Kändlers bzw. seiner Schüler zeigt die erwähnte Figur der Friedensgöttin vom Denkmale Augusts III., die zu Anfang der vierziger Jahre entstanden ist (Schrank 427). Es ist in diesen um 1740 ge- schaffenen Figuren etwas Kraftvolles und Feuriges, Ge-
Abb. 50. Mädchen mit Blumenkorb. Meißen um 1740.
85
schlossenes und Gesundes: blühende Frauenkörper von
reifer Schönheit und saftstrotzende Putten von üppiger
Fülle des Fleisches. Auch das Mädchen mit dem Korb
auf dem Schoße, der zur Aufnahme von Blumen bestimmt
ist, besitzt diese schöne kraftvolle Gesundheit, die man
sonst in den graziosen Gestalten des achtzehnten Jahr-
hunderts nicht sucht, und die den engen Zusammenhang
Abb. 51. Erato. Meißen Mitte 18. Jahhr.
Kändlers mit der Barockkunst kennzeichnet (Abb. 50).
Sie besitzt ebenso wie die duellierenden Kavaliere (Abb. 58)
jene kurze rundliche Kopfform, die für die Figuren Kändlers
so charakteristisch ist. Während die Bewegung der Figuren
und Gruppen stets sehr lebendig ist, bleibt die Silhouette
geschlossen und von ruhigem Umrîß, so daß das heraus-
stürmende Leben in der Ruhe des Umrisses seinen harmoni-
86
schen Ausgleich findet. Nur selten zerreißt das allzuheftige Temperament auch diese unsichtbare Schranke des in sich geschlossenen Konturs.
Jene frühen bekleideten Figuren und Gruppen sind mit leuchtenden kräftigen Farben bemalt, unter denen besonders ein intensives Rot und ein tiefes Schwarz sich auszeichnet. Aber auch grüne, blaue und gelbe Töne von seltener Kraft und Schönheit kommen vor, von denen die Figuren der Sammlung nur eine schwache Vorstellung geben. Diese Töne sind zumeist in großen Flächen aufgetragen, die breite Modellierung der Gewandmassen kommt der Ent-
Abb. 52. Schreibzeug. Meißn Mitte 18. Jahrh.
wicklung der schönen Farben entgegen. Beliebt sind aber auch Ornamente freier Erfindung, die mit den Stoffmustern der damaligen Gewebe nichts gemein haben. Der wirkungsvollste Dekor ist der, der auf tiefschwarzem Grunde goldene und bunte Borten und Blumen zeigt, er findet sich bei den schönsten Krinolingruppen. Früh kommt auch die Musterung mit Goldblumen vor, wie bei dem purpurfarbenen Gewandstück, das in weitem Bogen die Göttin auf der Terrine des Schwaneservices überspannt. Auch sonst werden einfarbige Blumen als Muster verwandt, wie bei den Chinesen des Schreibzeugs (Abb. 52). Am beliebtesten und charakte-
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der »indianischen« stilisierten Blumen, wie z. B. auf dem
Gewande des Chinesen in der Abb. 52 oder auf der Schürze des
Mädchens mit dem Blumenkorb in der Abb. 50. Sie werden
auch später immerfort wiederholt, bis sie in den achtziger
Jahren durch Muster, die direkt Ornamente der Stoffmuster imi-
tieren, abgelöst werden. Jene frühe auffallend kräftige und
lebhafte Bemalung ist in der Sammlung, abgesehen von den
Stücken des Schwanenservices, nicht vertreten, das Hohen-
zollernmuseum besitzt eine einen Lichtschirm tragende
Chinesin, die mit diesen tiefen Farben bemalt ist. Später
werden die Farben allmählich auf hellem und schwächlichem.
Das Rot und Schwarz tritt als Farbe in größeren Flächen
kaum mehr auf, die tiefen, satten gelben, blauen, grünen
und purpurnen Farben weichen leichteren, zarteren Tönen.
Die Bemalung erscheint als eine notwendige Ergänzung
der Figuren; sie ist stets mit besonderer Sorgfalt ausgeführt,
fast nie wiederholt sie sich, so daß die Modelle durch
die verschiedenartigen Dekorationen immer wieder neuen
Reiz erhalten. Vielfach werden auch die Modelle durch
leichte Veränderung, kleine Zutaten oder durch Fort-
lassungen variiert.
Will man das ganze von Herold und Kändler in diesem
Zeitraum geschaffene Werk unter die geläufigen Stilrubriken
einordnen, so könnte man noch von der Vorherrschaft des
Barocks reden. Bei Herold tritt das Barocke allerdings
nur in untergeordneter Form, in den kleinen Laub- und
Bandelwerkkartuschen auf. Bei Kändler aber erscheint es
sowohl in der kraftvollen Bewegung der Formen wie in
der Ornamentik und den lebhaften ungebprochenen Farben.
Auch das Brühlsche Service ist noch stark von barocken
Elementen durchtränkt, wenn auch die Formen im einzelnen
schon dem Rokoko angehören.
Meißen (1750---1814).
(Industrieller Betrieb.)
Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts hatte Meißen
im wesentlichen seine künstlerische Aufgabe erfüllt. Die
bisherige Tätigkeit der Manufaktur war im höchsten Grade
schöpferisch und bahnbrechend gewesen. Man hatte in
Meißen nicht nur dem neu entdeckten Stoffe jede technische
Vollendung gegeben, sondern auch seine künstlerische
Leistungsfähigkeit in jeder Weise bewiesen. Durch die
Schaffung der Porzellanplastik war der Porzellankunst
Europas ein ganz neues, eigenartiges und lohnendes Gebiet
erschlossen; sowohl für das Eß- und Trinkgeschirr wie die
dekorativen Vasen usw. hatte man eine große Anzahl blei-
bender Formen und Dekorationen gefunden. Auf dem
durch Herold und Kändler bearbar gemachten Boden konnte
man nunmehr sicher weiter bauen, auch mittelmäßige Talente
von handwerksmäßiger Routine vermochten in der von ihnen
gegebenen Richtung weiter zu arbeiten.
An Stelle der fürstlichen Auftraggeber oder ihrer Minister
tritt jetzt das breite Publikum, das keine besonderen An-
forderungen stellt, sondern mit bescheidenem Gebrauchswert
vorlieb nimmt: Aus der fürstlichen Kunstanstalt wird all-
mählich lediglich ein Fabrikunternehmen, das mit einem
Stamm geschulter und bewährter Arbeiter den Markt mit
Waren versorgt, Preisverzeichnisse in den Zeitungen ver-
Meißen (1750–1814) 93
vielleicht eine Erfindung Gotzkowskys in seiner Berliner
Manufaktur; es zeigt auf dem Rande vier gestreckte Blumen-
sträuße, während den Spiegel ein entsprechender Kranz
umschließt. Das schon erwähnte Strohgeflechtmuster, »Or-
dinaire Ozier«, tritt jetzt in feinerer Flechtung auf. Sind
die mit diesem Muster geschmückten Gefäße griffelt, so
spricht man von »Neu-Ozier«, ebenso wie man zwischen
»Ordinair Brandenstein« und »Neubrandenstein« unter-
schied. Bei einem weiteren Muster, den »Marseille Zieraten«,
erscheinen auf dem Rande flache, symmetrisch gebildete,
längliche Kartuschen (Schrank 428).
Abb. 58. Kavaliere im Duell. Meißen Mitte 18. Jahrh.
Beliebter noch als diese plastischen Muster waren
glatte Formen, bei denen nur Henkel- und Ausguß leicht
reliefiert waren; zum Schmuck des Randes verwandte man
aufgemalte bunte Schuppen, Gitter oder Geflechtmuster,
die »Mosaique« genannt wurden. Diese Ornamente, die
durch ähnliche Grundmuster des chinesischen Porzellans
(Abb. 14) zweifellos beeinflußt sind, werden häufig von
feinen goldenen oder bunten Rocailles, Palmenzweigen,
Blumen u. a. eingerahmt (Abb. 62).
Als Dekor der freien Felder und Flächen erscheinen
seit der Mitte des Jahrhunderts die »deutschen Blumen«, so
im Unterschied von den »indianischen« Blumen bezeichnet,
weil sie der einheimischen Flora entnommen sind.
der Kannen treten in scharfen Kanten zurück. Die Zylindertasse behauptet das Feld.
Auch in den Bildstoffen zeigt sich ein Wechsel. Die Blumenmalereien verlieren ihre duftige Frische und anmutige Leichtigkeit, sie werden trocken und nüchtern mit ängstlicher Pedanterie gemalt. Später müssen sie dazu dienen, zu Buchstaben vereint das Monogramm des Besitzers darzustellen. Erst jetzt erscheint auch die Landschaft an sich ohne figürliche Staffage, zunächst als allgemeine Ansicht, gegen Ende des Jahrhunderts kommen dann die Darstellungen bestimmter Gegenden auf, in öder Hervorkehrung des Lehrhaften. Parallel damit gehen die Illustrationen von Werken der Literatur. So besitzt die Schreiber-Collection im Viktoria- und Albert-Museum in London ein Kaffeeservice mit der Darstellung der Leiden des jungen Werthers, eine Tasse im Hamburgischen Museum bietet die Kopie eines englischen Farbdruckes nach einem Bilde von Angelika Kaufmann zu Sternes »empfindsamer Reise«. Auch sonst werden gern Gemälde kopiert, und zwar ohne jede Veränderung; jede Freiheit in der Benutzung des Vorbildes, wie sie vorher herrschte, wird jetzt ausgeschlossen.
Als Ausfluß derselben Geistesrichtung, die in der Darstellung bestimmter Lokalitäten das Individuelle statt des Allgemeinen sucht, sind auch die Porträts anzusehen, die jetzt sowohl in bunter Malerei wie als Silhouetten erscheinen. Als Einfassung für alle diese Bilder werden gern Goldrahmen benutzt mit fein radierten Goldblumen, oft in mehrfacher Goldfarbe. Gegen Ende des Jahrhunderts ahmt man auch die Arbeiten Josiah Wedgwoods nach (vgl. die Tasse im Schrank 427). Im »Journal für Fabrik, Manufaktur und Mode, Leipzig 1794«, werden ein Paar Arm-
Meißen (1750—1814) 89
öffentlich und mehr auf den Gewinnst als auf die Erfüllung
künstlerischer Aufgaben bedacht nimmt. Dieser Umschwung
in den Verhältnissen der Manufaktur vollzieht sich in den
vierziger Jahren. Das Personal, das 1740 218 Arbeiter
Abb. 54. Die h. Familie. Meißen Mitte 18. Jahrh.
(Nach Raffaels Madonna del Passeggio.)
zählte, wuchs bis 1765 auf 731 Personen, und in ähnlichem
Verhältnisse vermehrten sich die Einnahmen, wenn auch
der Siebenjährige Krieg in dieser Beziehung störend ein-
griff. Die Einnahmen stiegen in den Jahren 1740 bis 1752
von 38 320 Taler auf 222 560 Taler. Herold und Kändler
98 Meißβen (1750—1814)
wandt. Die vorliegende Komposition ist nach Stichen von Bidinger u. a. zusammengestellt. Die Form der Anbietplatte ist in Sèvres erfunden, überhaupt nimmt das Geschirr jetzt vielfach die charakteristischen Formen der Weichporzellane von Sèvres an, z. B. die Kanne mit den reizvollen Watteaufiguren im Schrank 433. Von den farbigen Gründen, die die Porzellane von Sèvres auszeichnen, ahmte man gern das Königsblau (bleu de Roi) nach.
Abb. 63. Teller. Meißβen Mitte 18. Jahrh.
Im Jahre 1774 übernimmt Graf Camillo Marcolini, dessen Porträt ein Medaillon im Schrank 437 zeigt, die Direktion. Unter ihm wandeln sich allmählich die Geschirrformen unter dem Einfluß der klassizistischen, an die Antike anknüpfenden Geschmacksbewegung völlig um. Die geschweiften Konturen der Gefäße werden zumeist noch beibehalten, das Neue setzt sich äußerlich als rechteckiger Henkel oder als Lorbeerfestons, die die Ausgüsse umschlingen, u. a. an. Später nehmen auch die Gefäßkörper selbst strengere Formen an, die aus den regelmäßigen geometrischen Figuren des Kreises, der Ellipse, des Quadrats genommen sind. Die Wände steigen senkrecht empor, und die Schultern
Meißen (1750—1814) 91
der Sekretär und Bibliothekar Brühls, 230 Kupferstiche an
die Fabrik ab. 1746 und 1747 wurden dem Pariser Agenten
Leleu 327 Taler für gelieferte Bilder und Kupferstiche
ausgezahlt. 1764 errichtete man eine Kunstschule in Meißen
Abb. 56. Uhrhalter. Meißen Mitte 18. Jahrh.
unter Leitung des Hofmalers und Professors an der Dresdner
Kunstakademie Christian Wilhelm Ernst Dietrich »zur Auf-
hilfe des Verfalls der Malerei und Bildhauerkunst bei der
Manufaktur«. In demselben Jahre schickte man Maler und
90 Meißen (1750—1814)
leben noch in diese neue Zeit hinein. Herold stirbt erst
1771, Kändler 1775, aber ihre künstlerische Kraft erlahmt
allmählich, und den Künstlern, die an ihre Stelle treten,
wie dem Bildhauer Acier (1765—1781), fehlte es an der
genialen Schöpferkraft, die diesen beiden Begründern der
europäischen Porzellankunst zu Gebote stand.
Abb. 55. Vase. Meißen Mitte 18. Jahrh.
Den besten Beweis für die nachlassende künstlerische
Potenz in der Manufaktur bietet das Bestreben, von
außen her neues Blut den alten Adern einzuführen. Hatte
man auch früher schon vereinzelt Kupferstiche als Vor-
bilder benutzt, so wurde jetzt diese Anlehnung an die Er-
zeugnisse fremder Künstler fast zur Regel. 1741 gab Heinecke,
Meißen (1750—1814) 97
den zumeist sehr figurenreichen Stichen entnommenen
Gruppen zeigt sich in der Regel ein gutes künstlerisches
Gefühl für Geschlossenheit der Komposition und ein sicherer
Raumsinn. Freie Erfindungen sind zumeist die kleinen
Landschaftsausschnitte mit Gebüsch und Bäumen, in die
Gruppen hineingestellt sind. Sie pflegen unten nicht gerade
abgeschnitten zu sein, wie auf den Stichen, sondern verlaufen
Abb. 62. Töpfer. Meißen Mitte 18. Jahrh.
an den Rändern mit feinem Laubwerk allmählich in die
Flächen, wodurch ein engeres Anschmiegen der Malerei an
den Gefäßkörper erreicht wird. Seltener werden Stiche
nach Chardin und Greuze benutzt. Für die allerdings in
Berlin häufiger als in Meißen auftretenden Darstellungen
von Amoretten (Abb. 68) wurden die Stiche von Aveline,
Bidinger, Huquier und La Rüe nach Boucher fleißig ver-
96
96 Meißen (1750—1814)
Mit den alten Darstellungskreisen, den »Bataillen«,
Jagden usw., geht, soweit sie nicht, wie die Chinoisierien,
ganz aufgegeben werden, eine Veränderung vor. Sie werden
entweder, wie bei dem Teller in der Abb. 67, unten von
Rocailleornamenten umschlungen oder frei auf die Fläche
gesetzt und mehr auf breite dekorative Wirkung hin be-
Abb. 61. Kaffeekanne mit „Mosaïque“. Mitte 18. Jahrh.
handelt, als minutiös durchgeführt. Die Farben verlieren
ihre alte Leuchtkraft, sie werden matter und blasser. Be-
liebt werden jetzt die »Watteaufiguren«, kleine Gruppen, die
direkt den Stichen Watteaus oder seiner Schule entlehnt
oder wenigstens ganz in seiner Art gebildet sind. Aber
auch bei diesen Anleihen offenbart sich doch immer
noch ein gewisser Geschmack. Schon in der Auswahl der
92
92 Meißn (1750—1814)
Bildhauer nach Höchst, Frankenthal, München, Paris und Wien, um neue Zeichnungen und Modelle zu gewinnen. Zwei andere Maler mußten sich in Sèvres auf drei Jahre anstellen lassen, um die Meißner Fabrik über die Leistungen der französischen Manufaktur zu unterrichten.
In den ersten Jahrzehnten dieser Periode herrschten die von Kändler eingeführten Formen des Rokoko. In plastischer Gestaltung umspielen die bewegten, sich ineinander verschlingenden und überstürzenden Wellenkämme und Muschelrippen die Rahmen, Uhrgehäuse, Kronleuchter und Kandelaber, Vasen und Tintenfässer bis zu den kleinen Riechfläschchen herunter (Abb. 53). Sobald einmal der
Abb. 57. Terrine mit "Dulong-Relf-Relief-Zieraten". Meißn um 1760.
Formenkreis eingeengt, vermögen auch geringere Kräfte die gefälligen Schnörkel zu zwingen. Während bei den Ziergeräten die stark hervortretenen Rocailen oft die ursprüngliche Form fast völlig verschleiern (Abb. 55), fügt sich dagegen bei Gebrauchsgeräten, z. B. Riechfläschchen, Stockgriffen (Abb. 53), sowie bei den Services das Muschelwerk als flaches Ornament in die Silhouette des Gegenstandes ein. Ein beliebtes Muster sind die "Dulongs-Relief-Zieratoë", bei denen Rokokokartuschen verbunden sind durch Bogen, von denen je eine Palmette und ein dreifaches Rocailleornament herabhängen (Abb. 57). Ein anderes flaches Reliefornament sind die sog. "Gotzkowsky erhabene Blumen«,
94
94 Meissen (1750—1814)
kommen schon in den vierziger Jahren vor, aber hier in einer absonderlichen trockenen, gestrichelten Manier. Meist sind es einzelne abgeschnittene Blumen, denen Insekten und kleine Tiere beigesellt sind (Abb. 34). Häufig ist bei diesen Blumen und Insekten der Schlagschatten dargestellt. Für diese Malereien hat nicht die Natur, sondern es haben Kupferstiche und Radierungen den Porzellanmalern als Vorbild gedient. Das zeigt sowohl die Zeichnung, die vielfach noch die Strichlagen der Kupferstiche beibehalten hat, wie die freie, ohne Rücksicht auf das Naturvorbild bestimmte Farbgebung.
Abb. 59. Teller mit „Gotzkowsky erhabenen Blumen“. Meissen um 1760.
Für die Blumen kommen etwa die Stiche der Nürnberger C. C. Schmidthammer und Johann Daniel Preissler aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Betracht, oder vielleicht auch noch frühere, wie die des in Straßburg 1662 erschienenen »Newen Blumen-Büchlein« von Tobias Frankenberger, in dem neben den schattenwerfenden Blumen auch Insekten dargestellt sind. Manche der Schmetterlinge, Raupen usw. erinnern an Wenzel Hollars Insektenbüchlein (Muscarum Scarabeorum Vermiumque Variae Figurae & Formae omnes primo ad uium coloribus depictae & ex Collectione Arun-
100
100 Meißen (1750—1814)
leuchter in Gestalt des Ganymed und der Hebe in blau und
weiß in der Art der Jasperware angeboten. Für den Ganymed-
leuchter hatte ein antiker Kandelaber, als Vorbild gedient.
Die figürliche Plastik steht in den sechziger und sieb-
ziger Jahren noch ganz im Zeichen Kändlers. Sie ist noch
so sehr von seiner Eigentart durchtränkt, daß es sehr
schwer ist, aus der Rokokoplastik die verschiedenen Hände
Abb. 65. Teemaschine. Meißen Mitte 18. Jahrh.
der unter ihm arbeitenden Modelleure herauszufinden. Sie
standen so unter dem Banne seiner überragenden Persönlich-
keit, daß ihr Können in seiner Kunst völlig aufgegangen
zu sein scheint. Zu diesem unpersönlichen Charakter, den
alle diese Werke zeigen, kommt noch dazu, daß bei vielen
die Komposition Kupferstichen entnommen wurde. So geht
z. B. die »Leserin am Spinnrocken«, die im Preiskurant
deliana a Wenceslao Höllar aqua forti aeri insculptae Antuerpiae Anno 1646). Diese trockene und schwerfällige Blumenmalerei weicht aber bald einer leichteren und gefälligeren Manier; indem man sich direkt an die Natur wendet, gelingt es, einen besonderen, der Porzellanmalerei entsprechenden Stil zu finden, der den locker auf der Fläche verstreuten Blumen etwas von dem zarten Duft und Farbenschimmer ihrer Vorbilder in der Natur mitzugeben versteht (Abb. 64).
Zugleich mit den »deutschen« Blumen erscheinen auch Darstellungen der heimischen Vogelwelt, aber auch hier dienten, und zwar zumeist, nicht die in der freien Natur sich bewegenden Tiere, sondern Abbildungswerke als Vorbilder (Abb. 34). Für die Quellen dieser Bilder gibt der Kommissions - Bericht von 1745 Aufschluß, der als Vorlage die Kupferstiche aus dem »Weimannischen botanischen großen Werke auch andere dgl. Zeichnungen, dazu des Albani so sehr gepriesene invention von allerhand Arten derer Vögel nach ihrer Gestalt und Farbe, das nächstens aus England erwartet wird«, erwähnt. Später wurde Buffons illustrierte Naturgeschichte eifrig benutzt. Diese Kopien der Vorlagewerke wirken zumeist steif, unlebendig. Revoluzzer sind die Malereien, bei denen der Künstler in freier Erfindung phantastische, in leuchtende Farben gekleidete Vögel schafft, wie auf dem Teller mit Mosaik an den Rändern, dessen Gestalt die Form einer sechsblättrigen stilisierten Päonie hat (Schrank 34).
Meißen (1750—1814) 101
von 1765 mit 22 Reichstalern und 12 Groschen bewertet
wird, auf den Stich »Les amusements de la vie privée«
von L. Surugue nach einem 1746 gemalten Bilde von
J. J. Chardin, die gleich teure »Kaufmannsfrau«, eine Dame
am Schreibtisch, auf den Stich von J. P. Lebas nach einem
Bilde von Chardin zurück. Auch der Stich von Lebas
»La toilette du matin« nach Chardin ist in Porzellan aus-
geführt worden. Die zahlreichen Chinesengruppen jener Zeit
sind zum großen Teil Stichen von Baleschou, Huaquier u. a. nach
Boucher, andere Stichen nach Coypel usw. nachgebildet. Aber
auch bei diesen Entlehnungen äußert sich immerhin noch
Abb. 66. Suppentopf. Meißnen Mitte 18. Jahrh.
eine gewisse Selbstständigkeit des Modelleurs gegenüber dem
Stiche. Bei der Übersetzung des Kupferstiches in ein Rund-
bild gilt es, die Gruppe straffer in ihrem Aufbau zusammen-
zufassen und etwaige Requisiten der Bühne, auf der der
betreffende Vorgang sich abspielt, in porzellangemäße bzw.
dem Modellieur geläufige Formen umzubilden. Daß die
Farbgebung dieser Figuren und Gruppen viel flauer und
schwächlicher ist, als die kraftvolle Bemalung der vierziger
Jahre, wurde schon hervorgehoben.
Auch unter Marcolini zeigt die Plastik noch die letzten
Spuren Kändlerschen Geistes, aber es sind entartete Ab-
102 Meißen (1750—1814)
kömmlinge. Die Sockel sind viereckig, rund oder oval,
von einem plastischem Mäander, Flechtband oder ähnlichem
geziert. Daneben erscheinen Figuren und Gruppen im Kostüm
der Zeit, deren Bemalung genau die Stoffmuster imitiert.
Auch die Spitzen der Kleider werden aufs feinste in Biscuit-
masse dargestellt. Vielleicht sind diese Arbeiten Acier
zuzuteilen. Der frivole Beigeschmack, den mehrere dieser
Gruppen haben, scheint fast dafür zu sprechen. Mehrere
Abb. 67. Teller. Meißen um 1760.
derselben stellen Familienszenen dar: Vater und Mutter,
von ihren Kindern umringt.
Daneben erweckt das Beispiel von Sèvres auch eine
Biscuitplastik. Doch fehlt dem unglasierten Meiβener Hart-
porzellan jene Weiche und Wärme des Tons, die das Weich-
porzellan auszeichnet. Es behält immer etwas glasiges und
kaltes. Eines der besten Beispiele von Meiβener Biscuit-
arbeiten ist das Gellert-Denkmal (Abb. 69). Die sogenannte
»Ildefonso-Gruppe« (Schrank 427) ist ein Exempel für die
Nachbildung antiker Marmorwerke, die jetzt häufiger wird.
Meißen (1750—1814) 103
Das Weiß des Marmors hatte ja auch nicht zum wenigsten
die Wahl des Biscuits bestimmt. Als Modelleure dieser
Biscuitplastik werden Jücher und Matthaei genannt.
Schon früh (spätenstens 1723) bezeichnete man das
Porzellan zum Schutze gegen Nachahmungen mit einer
Marke, zuerst mit K. P. M. (Königliche Porzellan-Manufaktur)
oder K. P. F. (K[gl. Porzellan-Fabrik), dann mit den gekreuzten
Schwertern des sächsischen Wappens, und zwar in Unter-
glasurblau. Anfangs wurde bestimmt, daß bei einem Früh-
stückservice nur die Teekanne und die Zuckerdose die
Marke tragen sollten, später wurden alle Stücke bezeichnet.
Abb. 68. Anbietplatte. Meißen um 1770.
1731 wurde als besonderes Zeichen für die vom König
bestellten Porzellane das Monogramm AR bestimmt; die
nach Frankreich gehenden Stücke sollten die Kurschwerten,
die an andere Kaufleute und die Türkei zu verkaufenden
Porzellane den Äskulap(Merkur)-Stab erhalten. Daneben
kommt auch die Form des chinesischen Papierdrachens vor.
Blauporzellane zeigen auch zuweilen chinesische Marken;
dieselben waren auf Wunsch der Pariser Händler aufgesetzt
worden, die offenbar die Stücke als ostasiatische Ware ver-
kaufen wollten. In den sechziger Jahren wird unter die
Schwerter ein Punkt gesetzt, unter Marcolini ein Stern.
Auf Bisquit erscheint diese Marke innerhalb eines Dreiecks
104 Meißen (1750—1814)
eingraviert. Außerdem wurden auch in Purpur über der Glasur die Porzellane der Hofkonditoreien gekennzeichnet, z. B. K. H. K. W. (Kgl. Hofkonditorei Warschau), K. C. P. C. (Kgl. Curf. Pillnitzer Conditorei) u. a.
Abb. 69. Gellertdenkmal. Meißen um 1780.
Seit 1760 wurde die Ausschußware, die nicht bemalt wurde, dadurch gekennzeichnet, daß ein Einschnitt quer über die Marke eingeschliffen wurde.
Wien.
Sowohl die strenge Bewahrung des Geheimnisses der Porzellanbereitung wie auch die überaus glänzende, sieghafte
Abb. 70. Relief mit den Porträts Maria Theresias und Franz von Lothringen.
Wien Mitte 18. Jahrh.
Entwicklung der Meiβener Manufaktur und ihre großen Erfolge auf dem europäischen Markt bewirkten es, daß erst nach der Mitte des 18. Jahrhunderts auch an anderen Orten Deutsch-
106 Wien
lands Porzellanfabriken gegründet wurden, die mit Nachdruck
der Meißener Manufaktur Konkurrenz zu machen vermochten.
Nur an einer Stelle gelang es schon frühzeitig, ebenfalls Por-
zellan herzustellen: es war die Kaiserstadt Wien, die sich den
Vortritt unter den Nachfolgerinnen Meißens gesichert hat.
Angeregt durch einen Erlaß Karls VI., der unter Ankündi-
gung besonderer Privilegien zur Begründung neuer industrieller
Unternehmungen ermunterte, kam der Hofkriegsratagent
Claudius Innocentius du Paquier, ein geborener Niederländer,
Abb. 71. Teller. Wien 1730—40.
auf den Gedanken, ein der sächsischen Fabrik ähnliches
Unternehmen ins Leben zu rufen. Nachdem er sich ver-
gewissert hatte, daß auf österreichischem Boden (in der
Gegend von Passau) die nötigen Materialien zu finden seien,
und er vergeblich .in den Berichten der Missionare über
chinesisches Porzellan nach dem Geheimnis seiner Her-
stellung geforscht hatte, begab er sich 1717 nach Meißen und
bewog hier mit Hilfe zweier französischer Abenteurer den
Emailleur und Vergolder Hunger zur Flucht nach Wien.
Da indessen Hunger wohl zu emaillieren und zu vergolden
Wien 107
verstand, wie ein Spülnapf in Wiener Privatbesitz zeigt,
aber nicht Porzellan zu fabrizieren, holte sich du Paquier
1719 den Meißener Werkmeister und Arkannisten Samuel
Stölzel. Eine Schokoladentasse im Hamburgischen Museum
mit der eingeritzten Inschrift: »Gott allein die Ehr und
sonst keinen mehr. 1719 3 May« stellt offenbar das erste
gelungene Probetück dar. Zu den Malern, die zuerst in
der Wiener Manufaktur beschäftigt wurden, gehörte auch
Herold, der indessen schon 1720 mit Stölzel, wie erwähnt,
nach Meissen ging; vielleicht hatte er aber in der kurzen
Zeit seiner Tätigkeit in Wien dort die Dekorationen der
Chinoisierien eingeführt (vgl. die Teekanne im Schrank 449),
Abb. 72. Plat du Ménage. Wien Mitte 18. Jahri.
die allerdigs hier ebenso wie die in der Frühzeit der Wiener
Fabrik beliebten »indianischen« Blumen in Zeichnung und
Farbe einen besonders ausgeprägten, eigenen Charakter tragen.
Statt der leuchtenden lebhaften Meißener Farben ist die Farben-
harmonie der frühen Wiener Porzellane weich und abgetönt.
Die erste glänzendere Leistung der Fabrik ist die
Dekoration eines Zimmers im Palaste des Grafen Dubsky
in Brünn, bei der die Türen, Fensterrahmen, Möbel usw.
mit vielen hunderten (1458) von Porzellanplatten ausgelegt
sind. Auch die Kronleuchter und Wandarme bestehen aus
Porzellan. Neben Chinoiserien und »indianischen« Blumen
erscheinen hier auch schon »deutsche« Blumen (um 1730),
108 Wien
so daß es den Anschein hat, daß Wien mit diesem Dekor Meißens voraufgegangen ist.
In der Mitte der dreißiger Jahre treten die Formen des Wiener Barocks, wie sie an den damals erbauten glänzenden Palästen in ihren Stuckdekorationen, schmiedeeisernen Arbeiten usw. sich zeigen, in den Vordergrund. Charakteristisch ist hierbei die Verbindung von Palmetten mit Gittermuster (vgl. Abb. 71). In der Regel wird das Gittermuster gebildet aus eisenroten Strichen und trägt entweder auf den Kreuzungspunkten goldene rotumränderte Vierblätter, oder es ist in die Mitte jeder Raute ein goldener rotumänderter Punkt hineingesetzt. Die Palmetten sind in Überglasurblau und Blaßpurpur oder in Grün, Hell- und Dunkelpurpur ausgeführt. Auf dem abgebildeten Teller
Abb. 73. Konfektkorb. Wien Mitte 18. Jahrh.
sind sie in goldgehöhter Schwarzmalerei ausgeführt, was, wie auch die Tasse mit Chinoiserien zeigt, damals in Wien häufig vorkam.
Die Formen haben vielfach gegenüber den Meißner Formen etwas Breites; Fayenceartiges: sie stehen, soweit sie nicht freie Erfindungen sind, zu den Meißner Arbeiten fast in einem ähnlichen Verhältnis wie die Delfter Fayence zum ostasiatischen Porzellan. Auch der Zeichnung der chinesischen Figuren und der »indianischen« Blumen fehlt jene feine saubere Ausführung, die wir an den Meißner Arbeiten bewundern. Beliebt sind die figürlichen Gestaltungen von Henkeln und Knäufen, es kommen ganze Figuren in dieser Verwendung vor, so z. B. ein sitzender Türke als Knopf eines Suppennapfes. Die besten Arbeiten
Wien 109
dieser Periode befinden sich im Besitz der österreichischen Aristokratie und des Museo Civico in Turin. Außerhalb Österreichs ist sonst nur wenig in den öffentlichen Sammlungen oder in Privatbesitz vorhanden.
Die Mißerfolge, die du Paquier mit seinem Unter-
nehmen hatte, zwangen ihn, die Fabrik 1744 dem Staate zu überlassen. Von nun an werden die Porzellane mit dem Bindenschild, dem österreichischen Staatswappen, ge-
Abb. 74. Fruchtschale. Wien Mitte 18. Jahrh.
kennzeichnet. Anfangs wurde die Marke vor dem Brande mit einem Holzstempel eingedrückt, seit 1749 in Unter-
glasurblau aufgemalt, seit 1825 wurde sie wieder eingedrückt.
Seit dem 1. November 1783 werden die Jahreszahlen ein-
geprägt, bis 1800 die beiden letzten, nach dieser Zeit die drei letzten Zahlen, z. B. 94, 805.
Die Übernahme der Fabrik durch den Staat fällt mit der Blüte des Rokoko zusammen, das auch in Wien Pflege fand. Bezeichnend für Wien ist die Vorliebe, die plastischen
110 Wien
Rocailles mit einem tiefen leuchtenden Purpur zu höhen.
Die Malerei geht dieselben Wege wie Meißen, die Gold-
rocailen, mit denen die Ränder der Geschirre geziert
werden, zeigen eine eigentümlich federige Bildung (vgl. die
Teller mit dem Monogramm M F.). Für Watteaufiguren
werden die Stiche Nilsens gern benutzt, für Blumenmalereien
zuweilen die merkwürdigen chinoisierenden Blumen Jean
Pillements.
In den sechziger Jahren erfolgt dann noch stärker als
in Meißen eine Anlehnung an die Erzeugnisse von Sèvres,
Abb. 75. Die glücklichen Eltern. Wien um 1770.
die damals überall die Porzellankünstler mehr oder minder
beeinflußten. Die finanziellen Erträgnisse blieben nach wie
vor schlecht, so daß man 1784 sogar die Fabrik zum Verkauf
ausbot; indessen fand sich kein Käufer. Da beschloß
Joseph II., der sich persönlich für die Manufaktur interessierte,
einen neuen Versuch zu machen, indem er sie der Leitung
des Direktors der Wollzeugfabrik in Linz, Konrad Sorgenthal,
unterstellte und dessen Befugnisse gegenüber denen
seines Vorgängers bedeutend erweiterte. Sorgenthal verstand
es denn auch, in kurzer Zeit durch organisatorische und
künstlerische Verbesserungen die Fabrik so zu heben, daß
Wien
die Manufaktur, die von 1744 bis 1780 auf 320 Arbeiter gestiegen war, 1790 500 Arbeitskräfte zählte. Mit Hilfe
des Chemikers und Malers Joseph Leithner und des Malers
Georg Perl gelang es ihm, einen neuen, ganz eigenartigen
Stil ins Leben zu rufen, der schon 1785 als völlig ausgebildet erscheint. Leithner erfand eine große Anzahl
sehr wirkungsvoller farbiger Fonds, unter denen neben einem
schönen Königsblau eigenartige, in allen Nuancen vom tiefen
Violett bis hellen Lila und Kupferrot schillernde Lüsterfarben hervortreten. Mit diesen Tönen werden die Gefäße
und Geschirre ganz oder teilweise in Feldern und Zonen
bedeckt. Zu den farbigen Gründen gesellt sich eine sehr
Abb. 76. Teile eines Frühstückservices. Wien um 1800.
reiche Goldornamentik, bei der das Gold zum Teil relief-
artig aufliegt, eine Erfindung von Perl, auch verwendet
man verschiedenfarbige grünliche und rötliche Goldtöne.
Die Ornamentik schöpft ihren Inhalt aus den antiken
Grotesken, die aus den damals wieder aufgedeckten Städten
Herkulanum und Pompeji ans Tageslicht traten. Mit diesen
antiken Elementen vermischen sich Renaissancemformen, die
durch die 1772 von Volpato und Ottaviani herausgegebenen
Stiche nach den Grotesken Raffaels in den vatikanischen
Loggien den Porzellanmalern übermittelt wurden. Diese
Ornamentik bedeckt Formen von strenger Regelmäßigkeit,
zylindrische Tassen und Kannen, kreisrunde Schüsseln und
Teller und elliptische Anbietplatten, auf deren Flächen sie
112 Wien
in starren geometrischen Figuren gegliedert sind. Die weiße
Glasur wird in der Regel völlig von den farbigen Gründen
und dem Gold gedeckt. Die virtuose Behandlung des
Reliefgoldes, die glänzenden Farbflächen und die überaus
feine und sorgfältige Ausführung der Ornamente und des
Figürlichen täuscht leicht über die Schwere und metallische
Härte dieses Dekors hinweg, der das Material völlig unter-
jocht hat.
Ein sehr reiches Beispiel dieses Stiles stellt das Früh-
stückservice dar, von dem mehrere Teile in der Abb. 76 dar-
gestellt sind. In den langgestreckten Rautenfeldern der Anbiet-
platte sind in bunten Farben Tänzerinnen auf Goldgrund nach
pompejanischen Wandgemälden gemalt, die Ornamente mit
dem Merkurkopf in den breiten Rautenfeldern sind grau
in grau. ausgeführt. Die auf der Abbildung weiß er-
scheinenden Flächen sind blaßseegrün und blaßlila. Die
Anbietplatte trägt die Zahl 1799, eine der Tassen die Zahl
1800. Teile eines anderen Kaffeeservices mit der Jahreszahl
1795 zeigen eine jener Lüsterfarben, ein tiefes schillerndes
Kaffeabraun.
Später, in den ersten Jahrzehnten des neunzehnten
Jahrhunderts, wird die Anlehnung an die Antike noch
stärker, bis zur direkten Kopie griechischer schwarz- und
rotfigurigen Vasen. Ähnlich wie in China im achtzehnten
Jahrhundert geht man soagr dazu über, andere Stoffe, wie
Empirebronzen, japanische Lackmalereien usw., nachzubilden.
Die figürliche Freiplastik Wiens lässt sich weder an Zahl
der Modelle noch an Qualität der plastischen Ausführung
und Bemalung mit der der Meièner Manufaktur messen.
Vielfach werden Meièner Modelle einfach kopiert, daneben
aber gibt es auch zahlreiche Figuren eigener Erfindung,
Kavaliere und Damen, Figuren des Bürger- und Bauern-
standes, die sich durch eine pikante, oft etwas gespreizte
Grazie auszeichnen. Ein häufig wiederkehrender weiblicher
Typus zeigt einen verhältnismäßig kleinen Kopf, der von
einem kräftigen Hals getragen wird. Vielfach wurden die
glasierten Figuren weiß gelassen. So sind bei einem Tafel-
aufsatz des Zisterzienserstiftes Zwettl, den der Konvent dem
Abt Rainer I. Kollmann im Jahre 1769 zu dessen 70. Ge-
burtstage schenkte, sämtliche Figuren und Gruppen unbemalt;
sie stehen auf einem breiten Aufsatz aus Spiegelglas, der
von niedrigen Porzellanfüßen getragen und von einem
schmalen Porzelland eingefaßt ist. Auch das interessante
Medaillon mit Maria Theresia und ihrem Gemahl Franz I.
von Lothringen ist bis auf die Inschrift unbemalt (Abb. 70).
Die Bemalung der Figuren ist im allgemeinen wenig
reizvoll, die Röcke der Frauen sind zumeist mit einzelnen
Wien
113
Streublumen in zwei Farben dekoriert oder nur einfarbig
und unten von einer etwas dunkleren breiten Borte besetzt.
Auch in Wien werden als Vorlagen Kupferstiche benutzt;
so sind auch einzelne Stiche des »Calloto resuscitato« in
den vierziger Jahren nachgebildet, aber in einem größeren
Maßstabe als die kleinen Meißener Zwerge. Zu der Gruppe
»Die glücklichen Eltern« hat offenbar der Stich von Moreau
le jeune nach J.-B. Greuze von 1766 Anregung gegeben,
wenn auch im einzelnen der Modelleur der Gruppe von
dem Vorbild abgewichen ist. (Abb. 75.)
Seitdem Anton Grassi, ein Schüler des Bildhauers
Christian Beyer, dem er bei der Herstellung der Statuen für
Schönbrunn geholfen hatte, 1778 als Modelleur in die Fabrik
eintrat, erscheint hier ebenso wie in Berlin die Biskuit-
plastik. Das Königliche Schloß Charlottenburg besitzt eine
treffliche Biskuitbüste von Haydn, die mit dem Namen Grassi
und der Jahreszahl 1802 bezeichnet ist.
Im Jahre 1863 wurde die Wiener Porzellanmanufaktur
durch Parlamentsbeschluß aufgelöst mit der Begründung,
daß eine Staatsfabrik keine Existenzberechtigung habe.
Abb. 77. Tassen. Wegelysche Fabrik. Berlin um 1755.
Berlin.
A. Die Wegelysche Fabrik.
Die Schicksale der Berliner Porzellanfabrikation im
18. Jahrhundert sind mit dem Namen Friedrichs des Großen
unzertrennlich verbunden. Seinem tatkräftigen Betreiben ist
es zu verdanken, wenn nach manchen fehlgeschlagenen
Versuchen in Berlin eine Porzellanmanufaktur empourwuchs, die
auf verschiedenen Gebieten wahrhaft künstlerische Leistungen
hervorbrachte.
Die Liebe zum Porzellan hatte der große König von
seiner Mutter, der Königin Sophie Dorothea, geerbt, die in
ihrem Schlosse Monbijou große Sammlungen von Porzellan
zusammengebracht hatte. Schon bald nach seiner Thron-
besteigung muß in der Gedanke der Begründung einer
Porzellanfabrik beschäftigt haben. Die Anbietung des
Christoph Konrad Hunger, der bei der Anlegung der Wiener
Fabrik beteiligt war (Seite 106), dann in Venedig, wieder
in Meißen und endlich in Stockholm tätig gewesen war,
bei der Errichtung einer Porzellanmanufaktur behilflich zu
sein, wurde allerdings nicht berücksichtigt; dagegen gelang es
dem Chemiker Professor Johann Heinrich Pott, Porzellan
herzustellen, wie er selbst am 8. Dezember 1742 in den
Berlin
»Berlinischen Nachrichten« bekannt gibt. Zwei Scherben
dieses Porzellans befinden sich im Dresdener Geheimen
Staatsarchiv bei dem Berichte eines Meißener Arkanisten
vom Jahre 1743, der sie als unvollkommen bezeichnet.
Vielleicht geht auf Pott ein kleines beschädigtes Porzellangefäß im Märkischen Museum zurück, das die Jahreszahl 1744
in Unterglasurblau trägt, möglicherweise stammt es aber
auch von Wegely, auf dessen Grundstück es gefunden
worden ist.
Während des zweiten schlesischen Krieges entführte
Friedrich der Große bedeutende Massen Porzellan aus
Meißen. Am 19. Dezember 1745 schrieb er an seinen
Kämmerer Fredersdorf, daß er für 100000 Taler Porzellan
Abb. 78. Confektkorb. Wegelysche Fabrik. Berlin um 1755.
nach Berlin schicke. Friedrich brachte auch zwei Arbeiter
von Meißen mit, den Porzellanmaler Johann Karl Gerlach
und den Porzellanfabrikanten Gottlieb Kayser, die in den
Jahren 1746 und 1747 Zahlungen aus der Schatulle des
Königs erhielten. Weiteres ist nicht über sie bekannt,
ebensowenig weiß man, ob der Generallieutnant von Rothenburg, an den Friedrich der Große 1749 zwei von Paris
kommende angebliche Porzellanfabrikanten St. Germain und
Joinville verwies, seinen Plan, eine Porzellanfabrik zu er-
richten, verwirklicht hat. Da der Wollzeugfabrikant Wilhelm
Kaspar Wegely schon 1751 die Erlaubnis erhielt, eine
Manufaktur zu gründen, scheinen alle diese Versuche ge-
scheitert zu sein.
8*
116 Berlin
Zugleich mit Wegely hatten sich auch die Glasschneider
Gebrüder Schackert angeboten, eine Porzellanfabrik zu er-
richten, und ließen sich, da Wegely das Privileg für Berlin
erhielt, in Basdorf im Zühlenschen Revier nieder. Was sie
Abb. 79. Vase. Wegelysche Fabrik. Berlin um 1755.
fabrizierten, war indes nur Milchglas, das man abschliff
und dann bemalte. Das Hamburgische Museum besitzt
eine mit Blumen bemalte Kanne aus Milchglas, die die Auf-
schrift »Basdorf« trägt.
Berlin 117
Wegely hatte seine Eingabe an den König am 10. Januar
1751 eingereicht, schon am 27. Januar erhielt er eine könig-
liche Ordre, wonach sein Gesuch genehmigt war. Er bekam
das am ehemaligen Königstor in der Neuen Friedrichstraße
gelegene Kommandantenhaus nebst Garten, dazwischen
liegendem Wall und der dahinter gelegenen Bastion zum
Geschenk, Zollfreiheit für die einzuführenden Materialien,
ferner die Berechtigung, seine Arkanisten im Namen des
Königs in Eid zu nehmen u. a. m. Wegely ließ das Kom-
mandantenhaus niederreißen und an seiner Stelle eine große
Fabrik errichten, die `Nicolai in seiner Beschreibung von
Berlin 1769 als eines der ansehnlichsten Gebäude der Stadt
bezeichnet. 1752 hat er schon Porzellan fabriziert, eine
kleine Terrine auf Löwenfüßen mit bemalten Reliefblumen
in der Sammlung Tschukin in Moskau zeigt neben einge-
präßten Zahlen die Jahreszahl 1752 und das W in Unterglasur-
blau. Die eingedrückten Zahlen, zumeist drei übereinander,
sind für die Wegelyschen Porzellane charakteristisch. Auch
das W erscheint eingepreßt und eingeiritzt.
Im Herbst 1752 gelang es Wegely im Einverständnis
mit dem Direktor der Höchster Porzellanfabrik, Benckgraff,
einige Arbeiter von dort zu entführen. Ebenso soll er
von Benckgraff ein Fäßchen Erde, feinere Dosenmasse
und ein Ofenmodell erhalten haben. Benckgraff, im Be-
griff, nach Fürstenberg zu entfliehen, war von dem Be-
sitzer der Höchster Fabrik festgenommen und in Anklage-
zustand versetzt worden. Als Belastungszeugnis wurde ein
Brief von Wegely, in dem die oben erwähnten Tatsachen
erzählt werden, vorgelegt. Als Maler gewann Wegely den
Miniaturmaler Isaak Jakob Clauce, der schon in Meißen be-
schäftigt gewesen war, als Bildhauer Ernst Heinrich Reichard.
Als Friedrich der Große beim Ausbruch des Sieben-
jährigen Krieges Sachsen besetzte, nahm er auch die Manu-
faktur und die Porzellanlager in Dresden und Leipzig in
Beschlag. Wegely glaubte nun eine günstige Gelegenheit
gefunden zu haben, sämtliche Modelle und Arbeiter aus
Meißen entführen zu können. Er reiste nach Dresden und
erhielt auch dort vom König die Erlaubnis, sich in Meißen
über die Einrichtung der Fabrik gründlich zu informieren,
erfuhr aber auch zugleich zu seiner Bestürzung, daß der König
dem Armeelieferanten Schimmelmann sämtliche Vorräte
verkauft und die Manufaktur in Pacht gegeben habe. Friedrich
der Große bezog auf diese Weise nicht nur eine große
Pacht von der Fabrik, sondern er hatte auch Gelegenheit,
sich genaue Kunde von der Fabrikation während seines
Aufenthalts in Sachsen zu verschaffen. Außerdem versorgte
er sich reichlich mit Porzellan, das nach seinem Geschmack
118 Berlin
hergestellt werden mußte. Er hoffte, daß Schimmelmann,
dessen kaufmännische Fähigkeiten er sehr schätzte, später
in Preußen eine Porzellanmanufaktur anlegen würde, während
er offenbar von Wegely, der »keine gründliche Wissenschaft
von der Sache habe«, keine besondere Meinung hatte.
Unter diesen Umständen sah sich Wegely gezwungen, im
Jahre 1757 seine Fabrik eingehen zu lassen, da er auf
irgendwelche Unterstützung des Königs oder Hofes nicht
mehr rechnen durfte.
Abb. 80. Teller. Wegelysche Fabrik. Berlin um 1755.
Schimmelmann gab dem Könige von Preußen gegenüber
bei der Verpachtung der Fabrik nur seinen Namen her, der
eigentliche Pächter war Kommerzienrat Helbig, der lang-
jährige Faktor der Meißener Manufaktur, der auf diese Weise
die Fabrik durch die Wirrnisse des Krieges hindurch für
Sachsen rettete. Die Hoffnungen, die Friedrich der Große auf
Schimmelmann bezüglich der Errichtung einer Porzellan-
fabrik in Berlin gesetzt hatte, wurden getäuscht. Als er
1760 Schimmelmann direkt aufforderte, an die Begründung
einer Manufaktur in Preußen zu gehen, lehnte Schimmel-
mann das Anbieten kühl ab und trat bald darauf in
dänische Dienste.
Berlin
Bei der Erbauung der Stadtbahn in Berlin fand man
auf dem ehemaligen Grundstücke Wegelys große Ballen
fertiger Porzellanmasse, die als Unterlage für den Fußboden
eines Schuppens gedient hatten; bei ihrer Untersuchung
fand sich, daß es dieselbe Erde war, die Meißen ver-
arbeitete. Die an der Haupttreppe des Museums stehende
Figur Friedrichs des Großen ist nach einem Modell Gott-
fried Schadows für die Statue des Königs in Stettin in
dieser alten Masse ausgeführt worden. Auch das fertige
Porzellan zeigt die größte Verwandtschaft mit dem Meißen,
nur daß es etwas kreidiger aussieht. Trotz des strengen
Abb. 81. Feuer und Luft. Wegelysche Fabrik. Berlin um 1755.
Verbots hatte Wegely sich doch Schnorrsche Erde zu be-
schaffen gewußt.
Porzellane der Wegelyschen Fabrik sind verhältnismäßig
selten; es scheint die Produktion demnach nicht sehr stark
gewesen zu sein, auch abgesehen von der Kürze der Dauer
des Unternehmens. Sodann fällt es auf, daß die meisten
erhaltenen Stücke, auch das Geschirr, unbemalt geblieben
sind. Offenbar war die Malerei die schwache Seite der
Fabrik, das geht schon daraus hervor, daß bei den bemalten
Stücken die Farben häufig zum Teil abgesprungen sind.
Andererseits war die technische Behandlung der Masse und
die Beherrschung des Brandes gut; einen Beweis dafür
120
120 Berlin
bietet die große durchbrochene, über 1 m hohe Vase, die
mit kalten Farben bemalt ist (Abb. 79).
Beliebt sind aufgelegte Blumen auf Gefäßen und Ge-
schirren. Sie werden entweder nach Meißenerr Art frei auf-
gelegt, wie bei der Vase mit Putten als Knauf und Griffen,
oder ganz flach, wie bei der Anbietschüssel mit Rocaille-
henkeln. Die Rokokoschnörkel erscheinen hier in einer
Abb. 82. Kaffeekanne. Berlin um 1760.
eigentümlich rohen, vereinfachten Darstellung. Sie sind durch
parallel nebeneinander gezogene Riffeln wiedergegeben (vgl.
Abb. 78 und die Sockel der Figuren in der Abb.81). Ein Orna-
mentmuster eigener Erfindung ist der plastische Randschmuck
des Tellers, der im Spiegel das Wappen des Grafen Gotter
zeigt (Abb. 80). Das kleine Posthorn unter dem Wappenschild
weist auf die 1752 erfolgte Ernennung des Grafen zum General-
Postmeister hin. Zwischen drei glatten Kartuschen liegen auf
dem Rande drei Felder mit derbem Gittermuster, das zum
Teil aus kleinen Sternchen gebildet ist; in den ZwickeIn,
die von den darüber sich hinziehenden RocailIen gebildet
werden, erscheint ein zartes Schuppenmuster. Die Malerei
ist in dem auch sonst bei Wegely häufig vorkommenden
Purpur, der hier etwas blaß erscheint, ausgeführt. Vielleicht
brachten die Höchster Arbeiter diese einfärbige Purpur-
malerei mit. Daß Wegely auch über vortreffliche Figuren-
maler gebot, beweist das Service mit Watteaufiguren u. a.
in Purpurmalerei, bei dem nur der verschiedene Maßstab
der Figuren zu
tadeln ist. (Abb.
77.) Die Tasse
mit purpurner
Landschaft er-
innert stark an
Höchster Ar-
beit. Am häu-
figsten scheint
man zur De-
koration bunte
deutsche Blu-
men verwandt
zu haben.
Die Figuren
und Gruppen
sind zum großen
Teil nach Mei-
ßener ModelIen,
die aber stark
vergröbert wor-
den sind, aus-
geführt. Sie ha-
ben viel von
ihrem ursprung-
lichen Reiz und
ihrer koketten
Anmutverloren.DieKörpersindzumeistgedrungenundkräftig
gebaut, es ist ein derberes festeres Volk, als jene elegante
Höfgesellschaft Kändlers. Die Köpfe sind rundlich, von
knorriger Bildung, das Gesicht ist nicht selten durch häß-
liches Grinsen entstellt. Augen, Nase, Mund und Haar sind
mit dem Modellierholz nachgestochen. Die Bemalung der
Figuren zeigt zum Teil starke Anklänge an die meißnerische
Bemalung. Vereinzelt kommen auch tiefrote und schwarze
Töne in breiten Flächen vor.
Abb. 83. Tabakskasten mit „Reliefzierat“. Berlin um 1765.
122 Berlin
B. Die Königliche Porzellanmanufaktur.
Noch in demselben Jahre, als Schimmelmann das Aner-
bieten Friedrichs des Großen ablehnte, fand der König in
dem Kaufmann Johann Ernst Gotzkowsky einen Mann,
der seine Pläne verwirklichen sollte. Gotzkowsky, der die
Geschichte seines vielbewegten Lebens unter dem Titel
»Geschichte eines patriotischen Kaufmanns« hinterlassen hat,
war ein in mannigfachen industriellen Unternehmungen
tätiger Mann, der das Vertrauen Friedrichs besaß und von
ihm mit manchen wichtigen Geschäften betraut wurde. Er
Abb. 84. Teller aus dem Service des Neuen Palais. Berlin um 1770.
hatte schon 1753 auf Veranlassung des Königs eine Seiden-
stoffabrik übernommen, dann eine Gold- und Silberwaren-
fabrik begründet. Auch hatte er für den König den Ankauf
von Gemälden für die Galerie in Potsdam besorgt. Bei der Be-
lagerung Berlins durch die Russen im Jahre 1760 hatte er die
Verpflegung der Truppen übernommen, dann dafür gesorgt,
daß die Kontribution von 4 auf 1½ Millionen heruntergesetzt
wurde. Als er von Friedrich deshalb nach Meißen gerufen
wurde, äußerte der König bei dieser Gelegenheit, er möge
eine Porzellanfabrik in Berlin einrichten. Gotzkowsky ging
Berlin
123
bereitwillig auf das Verlangen des Königs ein. Nach Berlin
zurückgekehrt, hörte er, wie er uns erzählt, von einem
Advokaten, ein Künstler sei im Begriff, mit dem Herzog
von Gotha einen Kontrakt zur Begründung einer Porzellan-
manufaktur einzugehen. Es gelang ihm, denselben in
Berlin zurückzuhalten. Wahrscheinlich war es der Bildhauer
Reichard, der anscheinend nach dem Untergange der Wegely-
Abb. 85. Tafelaufsatz aus dem Service des Neuen Palais. Berlin. um 1770.
schen Fabrik auf eigene Faust in Berlin Porzellan fabriziert
hatte. Er überließ Gotzkowsky für 4000 Taler das Geheimnis
und für 3000 Taler seinen Vorrat an fertigem Porzellan.
Gotzkowsky errichtete die Fabrik in der Leipziger-
straße an der Stelle des jetzigen Herrenhauses. Von dem
Wegelyschen Personal übernahm auch er den Maler Jacques
Clauce, von Meißen den Bildhauer Friedrich Elias Meyer.
Auch Kändler wurde von Friedrich dem Großen in die
124 Berlin
Stelle an der neuen Manufaktur angeboten, doch er lehnte
ab. 1761 traten der Landschaftsmaler Karl Wilhelm Böhme
über und einer der besten Prospekt- und Landschaftsmaler
der Meißener Manufaktur, Johann Balthasar Borrmann, sowie
1763 der in der Mosaikmalerei geschickte Karl Jakob
Christian Klipfel, ein ausgezeichneter Klavierspieler, der, als
Friedrich der Große in Sachsen war, öfters an den Kon-
zerten des Königs teilnehmen mußte. Auch später in Berlin
genoß er den hohen Vorzug, als einziger außer den Musikern
zu der Kammermusik des Königs hinzugezogen zu werden.
Abb. 86. Schlüsselsturz aus dem Breslauer Service. Berlin um 1770.
Da Gotzkowsky wegen seiner sonstigen Beschäftigung
häufig von Berlin abwesend sein mußte, übertrug er die
Leitung der Fabrik dem sächsischen Kommissionsrat J. G.
Grieninger, der dieses Amt bis zu seinem im Jahre 1798
erfolgten Tode bekleidete. Grieninger hat eine sorgfältige
Aufzeichnung der Geschichte der Manufaktur während seiner
Direktion hinterlassen.
Nach Überwindung von mancherlei Schwierigkeiten ge-
lang es, gutes Porzellan herzustellen, und schon im folgenden
Jahre (1762) konnte Gotzkowsky dem Könige in Leipzig
einige von Böhme bemalte Tassen und größere Stücke vor-
führen. Indessen schon bald geriet er in Zahlungsschwierig-
keiten, so daß der König ihm 1763 die Fabrik für 225000
Berlin 125
Taler abkaufen mußte. Ein Personal von 146 Köpfen wurde
übernommen, ebenso 3000 rohe und verglühte Geschirre,
10000 weiße, 4866 bemalte Porzellane, darunter Etuis,
Flacons, Uhrengehäuse, Stock- und Degengriffe, Dosen,
Figuren und Gruppen, außerdem 133 Modelle: Schäferkinder
und Tiere.
Am 11. September erschien der König persönlich in
der Fabrik und besichtigte sie eingehend. Im dem Brenn-
gewölbe zeichnete er die Umrise eines meißnerischen Ver-
glühofens in die Schreibtafel Grieningers, der ihn führte,
an anderen Orten stellte er Vergleiche mit Meissen an und
Abb. 87. Geschirr mit "Neuzierat". Berlin um 1770.
erkundigte sich, weshalb es anders sei wie dort. Auch in
der folgenden Zeit bewahrte der König das größte Interesse
für die Fabrik, er ließ sich regelmäßig ihre neuesten Er-
zeugnisse vorlegen, auch für bauliche Erweiterung trug
er Sorge. Um die Manufaktur möglichst zu heben, ge-
währte er ihr eine Reihe von Vergünstigungen. Sie erhielt
zunächst das Monopol der Fabrikation und des Verkaufs
in Preußen, der jährliche Bedarf an Brennholz wurde ihr
unentgeltlich aus dem Köpenicker, später aus dem Rüder-
sdorfer Forst angewiesen. Ferner hatte sie auf allen ihren
Bedürfnissen Zollfreiheit, sie besaß eigene Gerichtsbarkeit,
sowie das Recht, ihr eigenes Siegel mit einem Adler und
126 Berlin
Zepter zu führen. Das Zepter wurde auch, in Unterglasur-
blau gemalt, die Marke des Porzellans. Nach einem Befehl
des Königs von 1769 mußten alle Juden, wenn sie die Er-
laubnis zur Eheschließung, Errichtung eines Gewerbes, Er-
Abb. 88. Vase mit "Mosaïque". Berlin um 1770.
werb eines Grundstücks usw. erhalten wollten, für eine
bestimmte Summe (durchschnittlich 300 Taler) Porzellan
von der Königlichen Manufaktur entnehmen, mit der Ver-
pflichtung, dasselbe im Auslande abzusetzen. Ebenso mußte
die Lotteriepachtsocietät jährlich für 6000 Taler Porzellan
Berlin 127
kaufen. Erst nach dem Tode Friedrichs wurden diese beiden drückenden Zwangsmaßregeln aufgehoben.
Friedrich der Große hatte selbst die Rolle eines obersten Departementchefs übernommen, ließ sich jeden Monat einen summarischen Kassenbericht erstatten und verfolgte wachsamen Auges die weitere Entwicklung der Fabrik. Er sorgte für die Verbesserung der Masse, betrieb mit dem größten Eifer die Erweiterungsbauten, die allerdings infolge seines Treibens so hastig aufgeführt wurden, daß 1766 ein Teil wieder einstürzte. Selbstverständlich ließ er es auch an großen Aufträgen nicht fehlen. So konnte denn, Dank seiner Fürsorge, in den Jahren seiner Regierung ein Überschuß von einer halben Million Taler an die Königliche Kasse abgeführt werden.
Abb. 89. Geschirr mit "Neuzierat". Berlin um 1770.
Die Masse, die in den ersten Jahrzehnten benutzt wurde, war von einer graugelblichen Farbe; es war Passauer Erde, die man dazu nahm, bis im Jahre 1771 bei dem Dorfe Brachwitz in der Nähe von Halle ein vorzügliches Kaolin gefunden wurde, mit dem man eine Masse von schöner weißer Farbe, von mildem weichen Ton herstellen konnte. Später fand man in der ganzen Gegend (Beidersee, Sennwitz) reiche Kaolinlager, aus denen noch heute die Berliner Manufaktur ihre Porzellanerde bezieht. Seit etwa 1780 wurde eine Masse hergestellt von vorzüglicher Härte und Festigkeit und kaltem, ein wenig bläulichem Ton.
Die noch unter Gotzkowsky hergestellten Porzellane, wie die Kaffeekanne (Abb. 82), sind mit einem G bezeichnet. Ist das G unter der Glasur gemalt, so ergibt sich, wie bei
128 Berlin
der Kanne, nur für die Herstellung der Form, nicht der
Bemalung, die Zeit der Gotzkowskyschen Manufaktur. Die
Form der Kanne lehnt sich an die der Meißener Kanne
(Abb. 61) an. Die Veränderungen, die man vorgenommen,
Abb. 90. Vase. Berlin um 1775.
betreffen nur den Henkel und den Ausguß, dessen Form,
eine weibliche Maske mit Tuchbehang, die äußere Er-
scheinung des Gefäßes wesentlich beeinflußt. Auch die
Form des J-förmigen Henkels ist beibehalten, nur hat er
sich in einen entsprechend gekrümmten Zweig verwandelt,
Berlin 129
dessen Blätter am Körper der Kanne anliegen. Die Masse
ist noch sehr unvollkommen, sie zeigt eine graue Farbe
und ist mit schwarzen Pünktchen besät. Die Blumen-
malerei ist ganz meißnerisch. Ein sicher unter Gotzkowsky
bemaltes Frühstücksservice befindet sich im Nationalmuseum
zu Stockholm, es zeigt das G sowohl in Unter- wie Über-
glasurblau und Schwarz. Es ist in feinster Purpurmalerei
mit Landschaften, Schäfern, Bauern, Jagden usw. dekoriert,
die unten ähnlich von Goldrocailien mit bunten Blumen-
gehängen eingereahmt sind, wie die beiden Meißener Tassen
mit purpurfarbenen Jagdbildern im Schrank 428.
Der enge Zusammen-
hang mit der Meißener
Manufaktur bringt es mit
sich, daß viele der dort
geübten Dekorationen
auch in Berlin wieder-
kehren; das »Ordinair
Osier« und »Neu Osier«,
»Brandenstein« und
»Neubrandenstein«. Das
Osiermuster wird va-
riert, indem es ganz
flach gehalten und bunt
(gelb, blaßlila) getönt
ist; über diesen Grund
legen sich kleine gol-
dene Zweige, oder es
faßt ihn ein Purpurstab
ein, der von einem gol-
denen Band umwunden
und mit bunten Blumen
und Blättern besetzt ist.
Abb. 91. Tasse mit „Mosaïque“. Berlin um 1770.
»Gotzkowsky erhebene
Blumen« führen in Berlin den Namen Floramuster (vgl. den
Teller in Schrank 417). Nach der Meißener Bezeichnung
könnte es eine Erfindung der Gotzkowskyschen Fabrik sein.
Daneben aber treten neue reizvolle Muster auf, die der
Berliner Manufaktur den Ruhm, die schönsten Geschirr-
dekorationen geschaffen zu haben, erwarben.
Schon unter Gotzkowsky wurde der »Reliefzierath«
erfunden, der zu den anmutigsten Geschirrornamenten über-
haupt gehört. In reizvoller Weise ergänzen sich hier Plastik
und Malerei, indem die aus dem schönsten heraus-
lösenden Relieffocailien die Fläche zierlich teilen und zu-
gleich eine Art von Rahmen für die zwischen dieselben ge-
fügten Malereien geben. Zur Ausfüllung der an den Rändern
Brüning, Porzellan.
9
130
Berlin
entstehenden Zwickel erscheinen beim Reliefzierat entweder
einfache Stäbe, wie bei der Tabakbüchse (Abb. 83), oder
Schuppenmuster, wie bei dem Teller aus dem Service des
neuen Palais, bei dem goldene Schuppenmuster einen blau-
roten Grund überspannen. Bei diesem Geschirr tritt zu
dem Reliefzierat noch ein Spalier* mit Blumenranken in
flachem Relief auf, daß zur Ausfüllung dreier Randfelder
benutzt wird. Vielfach breitet sich dieses Spalier auch
über die ganze Fläche der Gefäße aus und läßt nur einige,
von dünnen Reliefrocaillen umrahmte Felder frei; vgl. die
Taufschüssel nebst Kanne mit dem. Wappen der Grafen
von Schwerin und Herren von Röhr (Schrank 417).
Abb. 92. Dessertschüssel mit "Antikzierat". Berlin um 1770.
Auch beim »Neuzierath«, der ebenfalls schon um 1763
geschaffen zu sein scheint, verlieren die beim Reliefzierat
noch stark plastisch hervortretenden Rocailen sich mehr
in der Fläche. Als Randmuster erscheinen hier zumeist
Schuppenmuster, die in die Fläche hineinstoßenden Rocaillen-
zacken finden eine Fortsetzung in einigen dünnen geraden
Zweigen (Abb. 87). Die Formen dieses Geschirres sind
ebenfalls aus der Meiβener Kanne mit J förmigem Henkel
abgeleitet.
Der »Antikzierath« zeigt eine besondere Form: die
den Rand bildenden dünnen Rundstäbe sind von einem
Band umschlungen, an vier Stellen legen sich längliche
131
Berlin 131
Felder von Schuppenmuster an, deren innere Begrenzung
von Rokokoschnörkeln, die von goldenen Blumen umschlungen
sind, gebildet wird (Abb. 86). Der Rand des Dessertservices
ist beim »Antikzierath« gitterartig durchbrochen, auf die
Kreuzungspunkte des Gitters sind kleine Blüten aufgesetzt
(Abb. 92).
Beim »neuglatten Muster« ist der Rand leicht muschel-
artig geriffelt und mit dürftigen Rocailles versehen. Beim
»königsglatten Muster« löst sich der äußere Rand in kleine,
durch Rosetten verbundene offene Ovale auf. Besonders
reich ist der Rand der Dessertteller dieses Musters gebildet,
indem über eine fortlaufende Reihe offener, außen gezackter,
größerer Ovale gekreuzte Palmzweige gelegt sind (Abb. 96).
Verhältnismäßig spät kommt das sogenannte »Kurländer
Muster« dazu, bei dem plastische Tuchgehänge den Rand
zieren (Abb. 98).
Der Ruhm der Berliner Porzellanmaler ist die Blumen-
malerei. In den frühesten Arbeiten ist die Malerei breit,
flächig, zertatettet, die Blütenblätter sind leicht hingetupft.
In impressionistischer Manier wird nur der farbige Eindruck
der Blumen in lockeren Farbflächen hingesetzt, eine genaue
Zeichnung der Umrisse und Aderung der Blätter, der Sil-
houette der einzelnen Blumen wird nicht versucht. Vielfach
erscheinen die Blumen in dem Zustand dargestellt, der
zwischen der vollendeten Blüte und dem Welken liegt, wenn
die geschlossene Form der Blüte sich allmählich auflöst und
die Blätter schon auseinander zu fallen beginnen. Die Farb-
gebung ist weich und blaß, der Zusammenhang mit der
Meißener Blumenmalerei deutlich zu erkennen. In reicher
Ausbildung erscheint diese Art von Blumenmalerei auf dem
Speiseservice für das neue Palais, das um 1765 gearbeitet
worden ist. Der Markgraf von Ansbach erhielt ein ähn-
liches Service, das sich nur dadurch unterscheidet, daß es
statt des goldenen Schuppenmusters auf blaubrötem Grunde
grüne Zwickel zeigt (siehe die Anbietplatte und einen
Teller des Dessertservices im Schrank 418). Das Service
wurde nachher in der Ansbacher Porzellanmanufaktur er-
gänzt (Schrank 452). Für den Fürsten von Lichtenstein
wurde ein ebenfalls mit Reliefzierat dekoriertes Service
hergestellt, bei dem auf dem Rande das Wappen des
Fürsten erhoben dargestellt ist.
Die Erfindung eines schönen Purpurrots führte dann
zu ganz neuen Farbenharmonien kräftiger und leuchtender
Töne, die in dem für das Schloß zu Breslau ausgeführten
Speiseservice in besonderer Schönheit sich offenbaren. Einige
Stücke desselben besitzt das Museum (Schrank 417). Der
größte Teil ist im Hohenzollernmuseum ausgestellt. Grié-
132 Berlin
ninger erwähnt anscheinend zuerst im Jahre 1768 diese Farbe,
als er dem Könige die beiden Spiegelrahmen für das neue
Palais, die dem Maßstabe nach größten Arbeiten der Manu-
faktur, überbringt; sie waren aus einer neuen Masse her-
gestellt und sind unbemalt. Greininger überreichte bei dieser
Gelegenheit etliche mit couleur de rose, des Königs Favorit-
farbe bemalte und vorzüglich gutgeratene Stücke. In
seinem Berichte über die Ereignisse des folgenden Jahres
erzählt er dann, der König habe befohlen, der Kurfürstin
von Sachsen, die das Warenlager besucht hatte, unter anderem
ein paar Tassen mit Landschaften von der schönen Roser-
farbe, die bei der Meißener Manufaktur noch ganz unbekannt
war, als Muster von der Berliner neuen Porzellanmanufaktur
zu überreichen. Da aber gerade jene Purpurfarbe auf der
Meißener Palette in jener Zeit noch nicht erscheint, so darf
man dieselbe in Greiningers Rosenfarbe suchen.
Mit den veränderten Farben verändert sich auch die
Zeichnung der Blumen. Man bemüht sich das Naturvorbild
genauer wiederzugeben, ohne jedoch in ängstliche Kopie
zu verfallen. Die Malerei ist noch immer breit und flächig.
Die Blumen werden in natürlicher Größe dargestellt, es ist
den Malern gelungen, sie in all ihrer Farbenglut und duftigen
Zartheit wiederzugeben, die sie in der Natur im Zustande
der entwickelten Blüte besitzen. Diese Malereien sind es
offenbar, von denen Greininger spricht, wenn er am Schluß
seines Berichtes über das Jahr 1771 ausführt: »Die Blumen-
malerei auf den Berliner Porzellanen, sagen alle Kenner,
die Sachsen selbst, ist die schönste, die man jemals gesehen
hat. Der Grund zu diesem Lobe liegt wohl hauptsächlich
darinnen, weil die Maler hauptsächlich angehalten wurden,
die schöne Natur nach aller Möglichkeit auf das Genaueste
zu kopieren. Drei derselben: Schulze, Pfürzel und Raschke,
die bei der Manufaktur das Malen unter der Aufsicht des
Claucse sen. und des Hofmalers Böhme erlernt haben, zeichnen
sich durch ihre Geschicklichkeit ganz besonders aus, und
ihre Kopien sind vorzüglich.« Greininger sagt nicht zuviel,
es ist in der Tat wohl das Vollendetste, was die Porzellan-
kunst an Blumenmalerei geschaffen hat. Verwandt mit der
Malerei des Breslauer Services sind die Dekorationen der
beiden Vasen in den Abb. 88 und 90, deren beider Form auf
ein chinesisches Modell zurückgeht.
In späteren Jahren wird allerdings dieses Abschreiben
der Natur allmählich ängstlich und tüttelig, statt der breiten
malerischen Auffassung tritt die korrekte, trockene, botanische
Zeichnung der Blätter und Blüten in der ihr eigenen
Struktur. Alle diese Stadien der Entwicklung, von der
duftigen, leichten, fast verfließenden Malerei der Frühzeit
bis zur harten, zeichnerischen Manier um die Wende des
18. Jahrhunderts, lassen sich an den Porzellanen der Samm-
lung im einzelnen verfolgen. Wie in Meißen werden auch
hier dann die Blumen zu Monogrammen verbunden.
Neben den großen Blumen erscheinen in Begleitung des
»Relief-«, des »Neu-« und »Antikzierath« kleine Blumen-
gehänge, die - eine spezifisch Berlinische Eigentümlichkeit
- zum Teil gerissen sind, so daß die beiden Enden wie
abgeschnitten in der Fläche hängen. Beim Service des
Neuen Palais (Abb. 84) wechselt jedesmal eine ganze Guir-
lande mit einer gesprengten, während beim Breslauer Service
die zwischen dem Schup-
penmuster aufgehäng-
ten Guirlanden gerissen
sind. Durch dieses Sprin-
gen der Blumen über
einen leeren Raum ge-
winnt die Komposition
einen besondern leicht-
ten Rhythmus. Später
werden die Guirlanden
fein säuberlich in regel-
mäßigen Abständen auf-
gehängt.
Eine ähnliche Ent-
wicklung wie bei der
Blumenmalerei läßt sich
bei den seltener und
vielfach zusammen mit
den Blumen auftretenden
Fruchtmalereien beob-
achten.
Sowohl für die Blu-
men- und Fruchtstücke
wie auch für figürliche Darstellungen ist in Berlin neben der
bunten auch die einfarbige Malerei sehr beliebt, besonders
die eisentrote und purpurfarbene; seltener kommt schwarze,
überglasurblaue und bläßgrüne vor. Zu den einfarbigen
Malereien gesellen sich häufig in schön klingendem Akkord
ein oder zwei Farben des Randdekors oder des Beiwerks zu,
wie bei dem Service in der Abb. 87, dessen purpurfarbene
Watteaufiguren von dem Gold und Grün des Schuppenmusters
und der Streublumen begleitet werden. Gerade in der feinen
Abstimmung weniger Farbtöne zeigen die Berliner Maler ihre
Meisterschaft.
Watteaufiguren gehören zu den wichtigsten Requi-
siten der Geschirrdekoration. Die Berliner Maler nehmen
134 Berlin
zumeist die Stiche nach Watteau als Vorlage, aus denen sie dann mit vielem Geschmack und sicherem Raumsinn sich ihre Themen wählen. In der Regel sind es Gruppen von zwei bis vier Figuren, die sie dem Stich entlehnen, nicht selten aber
Abb. 94. Uhr. Berlin um 1770.
auch nur einzelne Gestalten, die dann freilich ziemlich herausgerissen und beziehungslos erscheinen, wie das Mädchen auf der Milchkanne (Abb. 93), das dem Stiche von G. Scotin nach Watteaus »La serenade italienne« entnommen ist (Schrank 416).
Berlin 135
Das lauschende Hinneigen des Kopfes ist in der isolierten
Figur nicht mehr verständlich. Die Einfügung des Bildes in
das Oval des Goldrahmens ist dagegen wieder bewunderns-
wert gefällig. Die Zeichnung der Watteaufiguren ist oft
außerordentlich zart und vollendet, wie sie in Meißen nur
Abb. 95. Vase. Berlin um 1770.
selten erscheint. Die einfarbige Malerei in Purpur- und
Eisenrot ist besonders beliebt.
Eine Spezialität Berlins sind sodann die Puttenmalereien
in der Art Bouchers, sowohl einfarbige wie bunte. Besonders
fein sind die in Grisaille gemalten musizierenden Putten
136 Berlin
auf bläßgelbem Grunde auf der Vase im Schrank 416. In
bunter Malerei pflegen die Putten mit farbigen, flatternden
Tüchern ausgestattet zu sein, wie auf der Teedose im
Schrank 421. Auch die Vogelmalerai wird in Berlin geübt,
ein hervorragendes Beispiel dieser Art bietet eine Kaffeekanne im Schrank 416. Daß auch die »Bataillenmalerei«
in Berlin Pflege fand, darf bei den kriegerischen Erfolgen
Friedrichs des Großen nicht wundernehmen. Er beschenkte
gern seine Generäle mit derartig dekorierter Porzellanen.
Gröning erzählt, daß der König im Dezember 1773 mit
dem Generalmajor von Kossow im Hauptwarenlager der
Manufaktur erschienen sei, eine vom General bestellte
Tabatière sich angesehen und darauf aufmerksam gemacht
habe, »wie tapfer der Maler die schwarzen Husaren und
Bosniaken auf die Feinde habe einhauen lassen«. Auch
auf dem Dessertservice, das der König 1772 der Kaiserin
Katharina schenkte, waren von Borrmann Szenen aus dem
Kriege zwischen den Russen und Türken dargestellt. Viel-
leicht zu einem Geschenke des Königs an den Großfürsten
Paul, der 1776 die Manufaktur besuchte, wird die große
ovale Dessertschüssel gehört haben, auf der der Seesieg der
Russen bei Chios und die Vernichtung der türkischen Flotte
im Hafen von Tschesme (1770) verherrlicht wird. Dem Groß-
fürsten gegenüber, der von Minerva begleitet wird, scheint
der Admiral Alexei Orlow dargestellt zu sein (Schrank 417,
Abb. 92).
Auch die Mythologie fand Platz auf dem Berliner
Geschirr. Der König legte besonderen Wert auf die sach-
liche Korrektheit der Darstellungen. Bei seinem letzten
Besuche in der Manufaktur im Jahre 1785 sprach er den
Malern seinen Unwillen darüber aus, daß sie die Mythologie
so wenig studiert hätten; ein von ihm bestelltes Service
mit »Gemälden aus den ovdischen Verwandlungen war
nämlich nicht zu seiner Zufriedenheit ausgefallen. Ein
Suppennapf in der Sammlung der Königlichen Porzellan-
manufaktur in Berlin zeigt Bilder dieser Art in vollendeter
Purpurmalerei. Es sind getreue Kopien von Stichen aus
dem Werke: »Métamorphoses d'Ovide, Gravées sur les
desseins de meilleurs peintres français. Par les soins de
Srs le Mire et Basan, Graveurs, Paris 1767—1761«.
Überhaupt bedienten sich die Berliner Maler der Kupfer-
stiche sehr eifrig. Noch jetzt haben sich in der Manufaktur
die damals gebrachten Stiche erhalten. Sie sind zum
Teil auf große Pappen aufgezogen, und zwar so, daß in
der Regel ein größerer Stich von mehreren kleineren Stichen
umgeben ist. Für ein Speiseservice mit Chinesenmalereien
in ziemlich großem Maßstabe sind Stiche von Huiquier
Berlin 137
u. a. nach Boucher benutzt, als Randmuster zeigt das Service einen ähnlichen Randdekor wie die Vase in der
Abb. 90: auf gelbem Grunde goldumrahmte Kreise mit Blumensträußen. Ein Frühstücksservice im Hamburgischen
Museum ist mit Szenen aus Lessings »Minna von Barnhelm« nach Stichen von Chodowiecki (1771) bemalt.
Ein ähnlicher Fall wie in Meißen, daß einer der
führenden Maler seine Entwürfe als Vorlagen für seine
Genossen radiert, findet sich auch in Berlin. Es ist der
Landschaftsmaler Karl Wilhelm Böhme, der 1763 von Meißen
nach Berlin kam. In der Bibliothek der Porzellanmanufaktur
befinden sich unter den auf Pappe aufgeklebten Stichen
auch einige Radierungen von Böhme mit der Jahreszahl 1744.
Eine Anbietplatte im Besitze des Herrn Dr. v. Dallwitz zeigt
eine Landschaft, bei der mit einigen, durch das Oval der
Bildfläche gebotenen zweckmäßigen Änderungen eine Radierung von Böhme aus dem Jahre 1765 benutzt ist.
Das Mosaik wird zumeist in der Form von Schuppen-
mustern von Meißen übernommen, zunächst ganz in der
Art, wie es dort verwandt wurde, von goldenen oder
Abb. 96. Dessertteller. Königsglattes Muster. Berlin um 1780.
138 Berlin
bunten Rocailles eingefaßt, wie bei dem Frühstückservice
für das Schloß Charlottenburg mit bläulichrotem Schuppen-
muster und eisenroten indianisierenden Blumen. Dann aber
bilden sich eigene, für Berlin charakteristische Formen heraus,
wie bei der Tasse mit Affen im Geschmack Huets (Abb. 91),
bei der das Schuppenmuster von einer geraden. Goldlinie
begrenzt wird, die in bestimmten Abständen in unregelmäßig
geschweifte Zicken ausladet. Eine andere Form des Rand-
Abb. 97. Vase. Berlin um 1780.
schmucks zeigt kleine runde oder längliche Felder von
Schuppenmustern, verbunden durch goldenes Gitterwerk und
Rocailles.
Zu gleicher Zeit wie in Meißen und Wien macht sich
auch in Berlin der Einfluß von Sèvres geltend. Friedrich
der Große hatte sogar die Absicht, direkte Nachahmungen
von Sèvres-Porzellanen für den Pariser Markt herstellen zu
lassen. Durch seinen .Agenten Mettra ließ er 1766 für
Berlin
343 Livres Proben der gangbarsten Muster aus Paris kommen. Die mit dem Porträt der Prinzessin Friederike von Hessen-
Darmstadt geschmückte Tasse, deren Henkel die Form zweier verschlungenen Zweige hat, ist ein Sèvres-Modell.
Auch der Dekor der Vase im Schrank 416 mit stumpfen, blauen Fonds ist offenbar auf französischen Einfluß zurückzuführen.
Die antikisierende Bewegung schlug auch in Berlin lebhafte Wellen. Es wurden in den letzten Jahrzehnten des
Jahrhunderts zahlreiche neue Formen geschaffen, die man wohl als Eigentum der Berliner Manufaktur bezeichnen kann,
wie die urnenförmige Vase in der Abb. 97 und die mit dem Porträt Friedrich Wilhelms II. ausgestattete kannelierte
Abb. 98. Zuckerdose und Tasse. Kurländer Muster. Berlin um 1780.
eiförmige Vase, deren Vergoldung durch Radierung belebt ist (Abb. 99). In dem schon erwähnten »Kurländermuster«
wird eine dem Zeitgeschmack entsprechende Serviceform geschaffen (Abb. 98). Bei einem Speiseservice, das Friedrich
Wilhelm II. (1786—1797) für die Pfaueninsel anfertigen und mit Vögeln und Schmetterlingen dekorieren ließ, zeigen
die Durchbrechungen der Dessertteller schon gotische Spitzbogenformen.
Noch breiter und mannigfaltiger entwickelt sich der strengere, dem französischen Empire entsprechende Klassi-
zismus, der durch Schinkel in Berlin bis in die dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts hinein lebensfähig erhalten wurde.
In den Arbeiten der Manufaktur jener Zeit kreuzen sich Ein- flüsse von Sèvres und Wien mit direkt aus der Antike bzw. der
140
italienischen Renaissance abgeleiteten Motiven, Anklängen
an die ägyptische Kunst, Anregungen von Wedgwood usw.
Die: Oberfläche der Gefäße wird fast ganz von farbigen
Fonds, sowohl durchsichtigen wie stumpfen, biskuitartigen
Tönen überzogen. So zeigt die in der Abb. 100 dargestellte
Kanne eine tiefschwarze Glasur, auf die ein feinradierte
goldener Lorbeerkranz gemalt ist, während den creamefarbigen Hals eine zierliche Goldranke schmückt. Die
Zylindertasse daneben zeigt einen stumpfen, gelben Grund,
auf dem Rande in weißem Biskuit Greife und Vasen auf
grünschwarzem Grunde. Bei der glockenförmigen Tasse
stehen die Goldranken auf blauem, matten Grunde. Innen
werden die Tassen in der Regel reich vergoldet. Mit Vor-
liebe ahmte man Marmor und Edelsteine nach, auch
Mosaike, wie auf der Tasse mit ockergelbem Grunde im
Schrank 415.
Ebensowo wie in Meißen weisen die Bilder der Porzellane, insbesondere der Tassen, die gern als Geschenke gekauft wurden, persönliche Beziehungen auf den einstigen Besitzer auf, die sich in einer Silhouette, einem Monogramm oder auch in einer dem Besitzer allein verständlichen Andeutung aussprechen. Auch Illustrationen zu Romanen, Opern usw.kommen vor.
Die Plastik Berlins kommt an Bedeutung weder der
Meißens noch auch der der süddeutschen Manufakturen
gleich. In den älteren Arbeiten, z.B. dem Tintenfaß mit Mer-
kur, dem Amor eine Liebesbotschaft überbringt (Schrank 418),
klingt noch Meißener Formempfinden nach. Auch die Be-
malung erinnert noch vielfach an die der Meißener Figuren.
Dann aber treten die Berliner Modelle ganz unter den
Einfluß der französischen Bildhauer, die Friedrich der Große
nach Berlin berufen bzw. deren Werke er angekauft hatte.
Das Hauptwerk der Berliner Porzellanplastik, der große
Dessertaufsatz der Kaiserin Katharina im Winterpalais in
St. Petersburg, zeigt diesen Einfluß aufs deutlichste.
In der Mitte des Aufsatzes thront die Kaiserin unter
einem Baldachin, umgeben von den Figuren des Mars,
der Minerva, des Herkules, der Bellona und der Fama;
vor ihr steht die Themis mit dem von der Kaiserin neu
herausgegebenen Gesetzbuch. Sie selbst war nicht wie
auf der farbigen Wiederholung, die im Saal 30 ausge-
stellt ist, bemalt, sondern in weißem Biskuit gebildet. Sie
sollte nur als ein in Marmo gefilmtes Denkmal wirken.
Um den Thron scharen sich vier Gruppen der verschiedenen
Stände des russischen Volkes, darunter auch der knieende
Kavalier (Abb. 103). Ferner gehören noch zum Aufsatz
12 Trophäen mit gefangenen Türken, 24 einzelne Figuren:
141
Russen, Kosaken, Tartaren, Kalmücken, Polen usw., die Vertreter der verschiedenen Völkerschaften des russischen Reiches, endlich 14 Gruppen, die Künste und dergl. darstellend. Eine alte Zeichnung im Besitz der Manufaktur gibt eine Vorstellung von der ursprünglichen Aufstellung
Abb. 99. Vase mit dem Porträt Friedrich Wilhelms II. Berlin um 1790.
des Tafelaufsatzes. Danach waren die Figuren auf einer breiten, über die Tafel sich hinziehenden Zone innerhalb einer parkartigen Anlage aufgestellt; die durchbrochenen Körbe und Schalen des Services standen daneben. Das Ganze war also eine Verherrlichung der Kaiserin als der
Berlin
Herrscherin eines so machtvoellen Reiches, ihrer Regententugenden, ihrer kriegerischen Erfolge. Im April 1772 wurde das Service fertiggestellt. Bevor man dasselbe nach St. Petersburg abschickte, wurde es 14 Tage lang unter großem Zulauf des Publikums öffentlich ausgestellt. Friedrich der Große hatte es nach seinen Angaben herstellen lassen, um der Kaiserin eine besondere Aufmerksamkeit zu erweisen. Preußen unterhielt damals gerade sehr enge Beziehungen zu Rußland. Schon 1770 hatte der König seinen Bruder, den Prinzen Heinrich, nach Petersburg geschickt, um die Interessen Preußens dort zu vertreten. Die Verhandlungen führten zur Teilung Polens. Am 5. August 1772 wurde der
Abb. 100. Geschirr. Berlin Anfang 19. Jahrh.
Vertrag unterzeichnet, wahrscheinlich hat die Schenkung des Services in Verbindung mit diesen politischen Ereignissen gestanden.
Als Modelleur der Figuren des Tafelaufsatzes kommt vor allem der Modellmeister Friedrich Elias Meyer in Betracht, der von 1761--1785 in der Manufaktur tätig war. Nach Denina (La Prusse littéraire sous Frédéric II. Berlin 1790 III, S. 30ff.) wurde Meyer 1723 in Erfurt als Sohn eines Bildhauers geboren. In Gotha, wohin sein Vater berufen wurde, habe sich der Herzog von Sachsen-Gotha für ihn interessiert und ihn nach Berlin geschickt, um sich unter Adam zu vervollkommnen. Damit stimmt freilich nicht das Datum seiner Übersiedelung nach Meißen, als das das Jahr 1745 von Nicolai angegeben wird, denn
Berlin
François Gaspard Adam lebte von 1747—1759 in Berlin. Als »premier sculpteur du roi« schmückte er Sanssouci mit einer größeren Anzahl Statuen, die teils im Speisesaal, teils auf der Terrasse und an der großen Fontäne aufgestellt sind. Im Grottenhaus am Lustgarten, an der Stelle der alten Börse, leitete er ein Bildhaueratelier, das die Schule für die Berliner Plastik werden sollte. Nach ihm übernahm sein Neffe, Sigisbert Michel, der Bruder Clodions, von 1764 bis 1770 das Atelier. Von ihm wissen wir, daß er auch auf dem Gebiete der Kleinplastik tätig war und Porzellangruppen geschaffen hat.
Ein Vergleich der Arbeiten Gaspard Adams mit den Figuren des Dessertservices bestätigt nun in der Tat einen Schulzusammenhang zwischen den französischen Bildhauern und den Modeleuren der Porzellanfiguren. Hier wie dort finden wir jene äußerliche Eleganz und formale Glätte, jene gespreizten, von hohlem Pathos geblähten Gebärden, einen gewissen rhetorischen, phrasenhaften Stil, der bis zum Überdrub gelaüfige Positionen wiederholt. Die Bewegungen sind gesucht und geschraubt, das damals übliche Kompromis mit Kontrasten erscheint in der höchsten Übertreibung. Von Einzelheiten sind besonders zu beachten: die pathetischen Handbewegungen, das Hochziehen eines Knies bei sitzenden Figuren, das »Über die Schulter schauen«, die Gruppenbildung aus einer stehenden und
Abb. 101. Mädchen (Herbst). Berlin um 1765.
144
144 Berlin
einer sitzenden Figur, Merkmale, die den Potsdamer Skulp-
turen und den Figuren des Tafelaufsatzes ebensowie zahl-
reichen anderen Arbeiten der Porzellanmanufaktur gemein-
sam sind. Die aus dem Motiv durchaus nicht zu ver-
stehende Haltung der Fama am Thron ist z. B. beeinflußt
durch die Gruppe: »Retour de la chasse« an der großen
Fontäne in Sanssouci, die zugleich mit der Gruppe »Pêche
dans la mer« von der Hand des älteren Bruders des François
Gaspard, des Lambert Sigisbert Adam, stammt. Sie wurden
zugleich mit der Venus und dem Merkur von Pigalle
Friedrich dem Großen von Ludwig XV. zum Geschenke
gemacht. Die Haltung der stehenden Nymphe in der
»Retour de la chasse« ist bei der Fama im Gegensinne
wiederholt.
Abb. 102. Grüniger im Kreise seiner Familie. Berlin 1765.
Berlin 145
Diese Verwandtschaft mit den Arbeiten der Adam zeigen' mehr oder minder alle Berliner Figuren, man ver- gleiche nur die Gestalten der Venus, der Justitia, des Glaubens, des Handels usw. im Schrank 420. Der Merkur in demselben Schrank ist eine Kopie des Merkur von Pigalle im Treppenhaus des Kaiser Friedrich-Museums, auch das ebendort befindliche Gegenstück, die Venus, kommt im Porzellan vor. Es entsprach diese Bedeutung der französischen Skulptur für die Manufaktur der hohen Meinung, die Friedrich der Große von ihr hatte. Auch Grieninger teilte diese Ansicht, spricht er doch auch von ihren Werken in Potsdam als von den Arbeiten der „größten Meister“.
Vielleicht hängt mit diesem französischen Einfluß auch das Über- wiegen des My- thologischen und Allegorischen in der Plastik Ber- lins zusammen. Figuren im Zeit- kostüm, wie der Freimaurer im Schrank 418, sind, abgesehen von Porträts, nur sel- ten dargestellt. Chinesen in der Art Bouchers kommen öfter vor, ver- gleiche die Abb. 106. Derartige Fruchtschalen, wie die dargestellte, mit Figuren als Träger, oder wie hier zur Belebung des Schaftes verwandt, sind in Berlin beliebt (siehe Schrank 421). Auch sonst werden Figuren gern zum Schmuck von Geräten benutzt, wie bei der Uhr, deren Werk der Berliner Uhrmacher Kleemeyer herstellte (Abb. 94), und bei den beiden Modellen des Kronleuchters mit den Figuren der Fama und Putten, die sich in mehrfacher Aus-
Brüning, Porzellan.
146
146 Berlin
formung in den Schlössern zu Potsdam und Ansbach erhalten haben. Sie stammen aus dem Ende der sechziger Jahre. Eine neuere Wiederholung des einen Kronleuchters hängt in der Mitte des Meißener Saales.
Abb. 104. Gruppe gefesselter Türken aus dem Tafelaufsatz der Kaiserin Katharina.
Berlin um 1770.
In der ersten Zeit ist die Bemalung der Figuren, soweit nicht die Meißener Art gepflegt wurde, ziemlich kräftig, in breiten Flächen werden ein tiefes Eisenrot, Dunkelpurpur, Grün und andere Farben aufgetragen. Später wird die Bemalung flau und süßlich und läßt die ohnehin schon wenig.
erfreulichen Figuren nur noch reizloser erscheinen. Zur
Musterung der Gewänder werden mit Vorliebe Punkte, Strich-
muster und dünne magere Blumen verwandt.
Schon seit der Mitte der siebziger Jahre kommt das
Biskuit auf, zunächst bei Porträtbüsten und Medaillons;
dann auch bei Figuren. Es werden zunächst die alten
Modelle in Biskuit wiederholt, so daß dieselben Figuren
sowohl glasiert und bemalt, wie auch unglasiert vorkom-
men. Später verwendete man für die Plastik ausschließ-
lich Biskuitmasse, so bei den großen Tafelaufsätzen, die
Abb. 105. Europa. Berlin um 1775.
um die Wende des Jahrhunderts geschaffen wurden. Ein
Tafelaufsatz von 1791 stellte die Natur in ihren Kräften
und Geheimnissen dar, es gehörten dazu außer mythologi-
schen und allegorischen Figuren Obelisken, Tempel und
Altäre. Auch in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts
werden mehrere große Tafelaufsätze modelliert, darunter
1802 »Der Berg Olympos«. Vielleicht haben zu diesem
die im Schrank 415 ausgestellten Gruppen und Figuren
Psyche und Zephir, Apollo und Minerva, die drei Grazien,
Bacchus und Terpsichore gehört, die gleiche Form des
148 Berlin
einen Felsboden imitierenden Sockels scheint dafür zu sprechen. Ein großer figurenreicher Aufsatz nebst Tafelservice wurde 1819 vollendet, er kostete 28452 Taler und war ein Geschenk Friedrich Wilhelms III. an den Herzog Wellington in Erinnerung an den gemeinsamen Kampf gegen Napoleon. Unter anderem waren die Flüsse dargestellt, die Zeugen der Großtaten des Herzogs gewesen. Viele der ausgestellten
Abb. 106. Fruchtschale. Berlin um 1775.
Biskuitfiguren sind Nachbildungen von antiken Statuen der damaligen Kunstkammer (jetzt im Alten Museum). Das Beste, was die Berliner Porzellanplastik geleistet, liegt auf dem Gebiete des Porträts. Schon 1765 entstand das lebensvolle Reliefbild Grieningers und seiner Familie in unbemaltem glasierten Porzellan (Abb. 102). Ebenfalls glasiert sind die Medaillons mit den Porträts des Modell-
meisters Friedrich Elias Meyer und seiner Frau im Schrank 418.
Eine bezeichnete Arbeit Meyers ist das Medaillonporträt
der Nichte Friedrichs des Großen und Gemahlin des Erb-
statthalters Wilhelm V. von Oranien, Friederike Sophie
Wilhelmine, das sich in der Sammlung der Königlichen
Porzellanmanufaktur befindet und die Bezeichnung trägt:
„F. Meyer fecit: Berl: 1773“. Die im Jahre 1767 verheiratete
Abb. 107. Die drei Parzen. Berlin um 1780.
Fürstin, der eine so schicksalsschwere Zukunft beschieden
sein sollte, besuchte 1773, wie Griening erzählt, die
Manufaktur in Begleitung ihrer Oberhofmeisterin, der Frau
von Dankelmann. Vielleicht gab dieser Besuch Anlaß zur
Schaffung des Medaillons. Das Reliefbildnis der Groß-
fürstin Maria Fedorowna zeigt eine ganz verwandte, dem
Medaillenstil der damaligen Zeit entsprechende Auffassung.
Es ist bezeichnet: „(Me)ier Berl: 1777“ (Abb. 109).
150 Berlin
scheinlich stammt auch die Büste Voltaires, die Friedrich
der Große dem französischen Philosophen 1775 schenkte,
von seiner Hand.
Von J. G. Müller, dem Nachfolger Meyers als Modell-
meister, haben sich aus den Jahren seiner kurzen Amts-
tätigkeit (1785—1789) ziemlich unbedeutende Porträts von
Friedrich dem Großen (1785), dem Prinzen Heinrich, Friedrich
Wilhelm II. und 'Gleim (1787) erhalten. Tüchtiger war
C. F. Riese, der
von 1789 bis
1824 Modellmei-
ster war. Von sei-
ner Hand stam-
men die beiden
Medaillons mit
den Porträts von
Grieninger und
Klipfel; sie sind
nach dem Tode
der beiden Dar-
gestellten (1791
und 1798) herge-
stellt. Riese ver-
fertigte auch eine
große Gruppe, die
jene Anekdote
darstellt, wie
Friedrich der
Große einem klei-
nen Prinzen (dem
nachmaligen Kö-
nig Friedrich Wil-
helm III.) den
Federball, womit
ihn der Kleine
belästigte, auf auf
dessen hartnäcki-
ges Drängen mit
Abb. 108. Triumph des Klassizismus. Berlin um 1780.
den Worten zurückgibt: "Du bist ein braver Junge! —
Dir werden sie Schlesien nicht wieder nehmen." Die
schlichte natürliche Auffassung, die sich in der Gruppe
ausspricht, zeigt schon die durch Tassaert und Schadow in
die Berliner Plastik eingeführte neue realistische Ausdrucks-
weise mit ihrem etwas nüchternen, aber auf das Sachliche,
Einfache und Natürliche gerichteten Sinn, der im Gegensatz
zu der gespreizten französischen Art wohltuend und er-
frischend wirkt.
Wahrscheinlich ist Riese auch bei der Ausführung der Gruppe tätig gewesen, die sich auf die Stiftung des Fürstenbundes bezieht (Schrank 415). Friedrich der Große in antiker Tracht hält, aufrechtstehend, einen Ring; den eine sitzende, zu ihm aufblickende Frauengestalt, „das Reich“, faßt. Hinter dem König steht Merkur und hält einen Kranz über sein Haupt, ein geflügelter Jüngling, „die Freiheit“, sitzt daneben, auf eine Sphinx gestützt. Die Gruppe ist nach einer Skizze, die der Kurator der Akademie der Künste, von Heinitz, übergeben hatte, vom Bildhauer Alexander Trippel modelliert worden. Trippel war der Nebenbuhler Gottfried Schadows bei der Bewerbung um die durch Tassaerts Tode 1788 erledigte Stelle eines Hofbildhauers, die Schadow erhielt.
Das Gegenstück zu dieser Gruppe befindet sich im MarmorpalaIs, es stellt dar Friedrich Wilhelm II. in Ritterrüstung, der Göttin Europa die Hand reichend; der Friede, ein geflügelter Jüngling, übergibt Europa einen Palmzweig. Hinter dem König sitzt die Göttin des Rechts, „die Nemesis“. In der bei Ernst Felsich in Berlin im Januar 1795 erschienenen Nummer der „Modengallerie“ ist die Gruppe in zwei Ansichten abgebildet. Sie wird dort als „Allegorische Gruppe auf den Frieden Preußens mit der Republik Frankreich, ein Seitenstück zu der Gruppe auf die Stiftung des Deutschen Fürstenbundes“ bezeichnet und erwähnt, sie sei „skizziert vom Rektor und Hofbildhauer Schadow, vom ModeIleur Schwarzkopf in Thon und vom ersten ModeIleur und Vorsteher des Massekorps Riese in Biskuit ausgeführt“ worden. Wahrscheinlich wird also auch die von Trippel modellierte Gruppe von Schadow entworfen.
152
152 Berlin
und von Riese im Porzellan ausgeformt und nachgearbeitet worden sein. Der Preis der Gruppe betrug damals ungefähr 75 Reichstaler. Von Schadow rührt auch die Büste der Königin Luise her (Schrank 415). Auch seine Gruppe der
Abb. 110. Psyche und Zephir. Berlin um 1800.
Königin Luise mit ihrer Schwester, der nachmaligen Königin von Hannover, ist in Biskuit nachgebildet (Schloß zu Sagan). Wie weit er sonst für die Manufaktur tätig gewesen ist, bleibt noch festzustellen.
Fürstenberg.
Die Porzellanmanufaktur zu Fürstenberg gehört zu den zahlreichen deutschen Fabriken des 18. Jahrhunderts, die nur fürstlicher Laune ihr Dasein verdankten, ohne daß sie aus den Bedürfnissen des Landes herausgewachsen und die nötigen Existenzbedingungen gehabt hätten. Planlos und einsichtslos begonnen, ein Tummelplatz frecher Abenteuer, gleicht sie in ihren Schicksalen vielen anderen kleineren Manufakturen. Stets wiederholen sich dieselben Erscheinungen: kühne Erwartungen, überspannte Hoffnungen, bittere Enttäuschungen und allerlei Nöte und Drangsale, hervorgerufen durch die Ungunst der Verhältnisse oder die Unredlichkeit der Angestellten.
Schon 1747 werden von Karl I., Herzog von Braunschweig, dessen kostspielige Liebhabereien das Land in tiefe Verschuldung stürzen sollten, durch einen Bayreuther namens Johann Christian Glaser auf dem am Rande des Sollinger Waldes hoch über der Weser gelegenen Schlosse Fürstenberg Versuche, Porzellan zu fabrizieren, angestellt. Der einzige Vorzug, den das Schloß für ein derartiges Unternehmen besaß, waren die großen Waldungen, die das nötige Brennholz lieferten, sonst war es in seiner Weltabgeschiedenheit für die Anlage einer Porzellanfabrik so ungeeignet wie nur möglich. Auch erhob man Vorstellung gegen die Wahl des Platzes, indessen der Herzog bestand darauf, um die Kosten für neue Fabrikgebäude zu sparen. Nachdem mehrere Jahre mit Vorbereitungen hinge zögert worden waren, stellte sich heraus, daß Glaser ein Betrüger war, der von der Porzellanbereitung keine Ahnung hatte. Da gelang es dem Oberjägermeister von Langen, der die Seele des ganzen Unternehmens war, im Jahre 1753 durch die Vermittlung eines reisenden Tonhändlers den Direktor der Höchster Porzellanfabrik, Johann Benckgraff, zu gewinnen. Benckgraff übergab für 2000 Gulden das Arkannum von Offenbach, außerdem erhielt er für die Zeit seines Lebens freie Wohnung, Garten, Licht, Holz, Wildbret und 120 Gulden Gehalt, sowie den Titel "Herzoglich braunschwiegisch-lüneburgischer Bergrat und Direktor der Fürstenberger Porzellanfabrik" zugesichert. Auch sein Schwiegersohn, der Maler Johann 'Zeschinger',
sowie Simon Feilner traten, dieser als Modellmeister, zugleich von Höchst über. Benckgraff starb freilich schon bald, aber er hatte doch seine Erfahrungen und Kenntnisse mitgeteilt, so daß man nunmehr mit der Fabrikation des Porzellans beginnen konnte. Das Kaolin wurde zuerst aus Hafnerzell im Passauischen auf Wasser- und Landwegen
Abb. 111. Armleuchter. Fürstenberg um 1760.
herbeigeholt, später fand man geeignete Erde in der Nähe bei dem Dorf Lenne, die, obschon sie einem kostspieligen Reinigungsprozeß unterworfen werden mußte, doch immer noch billiger kam, wie die Passauer Erde.
Nachdem man die Störungen, die der Siebenjährige Krieg zum Gefolge hatte, überwunden, entwickelte sich seit 1770 eine nicht unbedeutende künstlerische Tätigkeit. Um
155
den Malern mehr Anregung zu geben, als das entlegene Fürstenberg bieten konnte, wurde 1774 die Buntmalerei ganz nach Braunschweig verlegt und bei dieser Gelegenheit die Kunstsammlung, darunter 1045 Kupferstiche, nach der Residenz geschafft.
Eine Nachblüte erlebte die Manufaktur unter der energischen Leitung des Franzosen Louis Victor Gerverot,
Abb. 112. Vase. Fürstenberg um 1770.
der in Sèvres gelernt hatte und in zahlreichen Porzellanfabriken tätig gewesen war. Er trat 1795 ein und behielt bis zu seiner Entlassung im Jahre 1814 die Direktion.
Während dieser Zeit (1807—1813) wurde Braunschweig dem Königreich Westfalen einverleibt. Gerverot verstand es, den neuen Verhältnissen Rechnung zu tragen und wusste auch Jérôme Napoleon für die Fabrik zu interessieren. Die
156
156 Fürstenberg
Fabrik wird seit 1859 von Privatunternehmern betrieben. Ihre Marke ist ein F in Blau unter der Glasur.
In ihren Erzeugnissen zeigt die Fürstenberger Manufaktur im allgemeinen wenig Selbstständigkeit; sowohl im Geschirr und Gerät sowie in der figürlichen Plastik werden direkt Modelle und Dekorationen von Meißen, Berlin, Kassel und Sèvres nachgeahmt. Freilich wird bei allen Nachbildungen doch immer etwas Neues daraus, da dem Vorbild noch eine mehr oder minder starke Portion von Eigenem, besonders in der Malerei, hinzugefügt wird, so daß man
Abb. 113. Teller. Fürstenberg um 1770.
in der Regel ohne weiteres das Fürstenberger Erzeugnis erkennt. Von den Geschirren der Sammlung geht z.B. der Suppentopf mit Blumenmalerei in tiefem Überglasurblau mit Gold (Schrank 450) auf den Suppentopf zurück, der von Catrice in Sèvres 1758 bemalt wurde (Schrank 448). Meißnerrisch ist der Dekor des Desserttellers mit seegrünen Fonds und bunten Hafenlandschaften (Schrank 450). Der Berliner Reliefzierat erscheint bei dem Frühstückservice mit bunten Watteaufiguren, bei dem z.B. auch die Teekanne am Ausguß die schon unter Gotzkowsky vorkommende weibliche Maske mit Tuchbehang zeigt, sowie bei dem Geschirr mit
Fürstenberg 157
Vögeln und Blumen, bei dem die Stäbe von einem orange-
farbenem Grunde sich abheben. Ebenso ist die Einsatz-
tasse in Form eines flammenden Herzens, das von einem Band
umschlungen ist, Berliner Modell. In der Flamme befindet
sich ein Spalt und im Innern des Deckels eine damit
Abb. 114. Eiskühler. Fürstenberg um 1770.
in Verbindung stehende quadratische Einsenkung; wahr-
scheinlich diente dieselbe dazu, Räucherwerk oder Ähn-
liches aufzunehmen. Auch das Modell der Vase, deren
Form aussieht, als stecke sie in einem Sack (Schrank 450),
kommt in Berlin vor, sowie der Konfektkorb und das
Salzfaß mit einem Knaben im Schrank 450.
158 Fürstenberg
Doch fehlt es auch nicht an eigenen Erfindungen. So finden sich reizvolle plastische Rocaillederokationen, die den ganzen Grund der Gefäße bedecken und nur für die Bilder freie Felder lassen. Auch das Modell des Tellers in der Abb. 113 dürfte eigene Schöpfung der Fürstenberger Fabrik sein. Der Rand ist durch Riffeln in Felder von verschiedener Größe geteilt, die abwechselnd mit Rokokokartuschen in zartem Relief, umwunden von Zweigen und Blumenguirlanden, oder mit Reliefsschuppen, oder auf glattem Grunde mit bunten Blumensträußen geschmückt sind. Auch verfügte die Manufaktur über vor-treffliche Maler, besonders für 'Watteaufiguren', Vögel und Landschaften. Die Blumenmalerei ist ebenfalls gut. In vielen Landschaften, wie auf dem abgebildeten Teller und der Vase, herrschen dunkelgrüne und braune Töne vor, die den Bildern etwas Schweres, Tiefes geben.
Abb. 115. Andromeda. Fürstenberg um 1770.
rationen im Empirestil bleibt (vgl. den Dessertteller im Schrank 450). Auch antike Vasen kopierte man, ebenso wie auch Wedgwoods Modelle benutzt wurden.
Noch unselbständiger als das Geschirr und Gerät ist die Plastik. Hier griff man nicht nur nach den Modellen fremder Porzellanmanufakturen (z. B. Meißen, Affenokonzert), sondern bediente sich auch, wie Christian Scherer nachgewiesen hat, der Bronze- und Elfenbeinfiguren des herzoglichen Kabinetts als Vorbilder. Eine Amphitrite wurde von dem Modelleur Anton Karl Luplau nach einer Bronze-
Fürstenberg 159
statuette, einer Nachbildung der Statue von Michel Anguier
im Louvre, gebildet. Derselbe modellierte auch mehrere
andere mythologische und allegorische Figuren nach
Elfenbein arbeiten des Braunschweiger Museums. Auch der
Modelleur Karl Gottlieb Schubert nahm Elfenbeinarbeiten
als Vorlage; zwei Figuren, den Frühling und Sommer, ver-
fertigte er nach Elfenbeinstatuetten des Balthasar Permoser
(1651 — 1732). In anderen Fällen mußten wieder Kupfer-
stiche herhalten, so ist die an den Felsen gekettete Andro-
meda dem Kupferstich von L. Cars nach einem Gemälde
von François Lemoine (1688 — 1737) entlehnt; sie ist von
Desoches modelliert (Abb. 115). Die beiden als Bildhauer
und Böttcher verkleideten Knaben sind Höchster Modellen
nachgebildet. Schon die unterstriche Bemalung läßt sie
leicht von ihren Vorbildern unterscheiden.
Selbständige Arbeiten kommen auch natürlich hier vor.
1757 modellierte Simon Feilner eine aus 14 Figuren be-
stehende Bergmannsgesellschaft, denen er nach seiner
eigenen Mitteilung die Züge von Personen seiner Bekannt-
schaft lieh. Die im Besitz des Herrn Dr. Dosquet-Massa-
sche in Berlin und im Herzoglichen Museum zu Braunschweig
befindlichen Bergleute zeigen in der Tat porträtmäßigen
Ausdruck. Auch schuf er »eine Bande von 15 Figuren zur
italienischen Komödie«.
Eine sehr umfangreiche Tätigkeit entwickelten sodann
die Modelleure Luplau, Schubert, Desoches und [[Johann
Christian Rombrich]] auf dem Gebiete der Porträtplastik
in Form von Medaillons, Busten und Statuetten in Biskuit.
Es wurden die Köpfe sowohl antiker wie damaliger Ge-
lehrten, Staatsmänner und Fürsten dargestellt. Die antiken
Köpfe wurden nach Originalen des Kunstkabinetts ange-
fertigt. Eine gute Vorstellung dieser Porträtplastik gibt
der liebensvolle Kopf des Prinzen Heinrich (Schrank 450)
und die Büste des Herzogs [[Karl Wilhelm Ferdinand von
Braunschweig]] (an Wand 442). Ein ganz hervorragendes Stück
besitzt das Kunstgewerbe-Museum in Leipzig in der glasierten
und bemalten Büste eines mit dem schwarzen Adlerorden
geschmückten Fürsten. Das scharf gezeichnete, geistreiche
Gesicht ist unglasiert gelassen und mit kalten Farben be-
malt, der lastierte Körper ist mit eingebrannten Farben
und Silber dekoriert.
Abb. 116. Tänzerpaar. Höchst um 1760.
Höchst.
Ein aus Meißen entflohener Maler, namens Adam Friedrich von Löwenfinck, wird als der Begründer der Höchster Manufaktur genannt. Er hatte wegen Betrug und Schulden Meißen verlassen müssen und war nach Bayreuth und von da nach Fulda entwichen. Hier erhielt er von dem Beichtvater Ludwigs XV. durch Vermittlung von Jesuiten verschiedentlich Briefe mit der Aufforderung, im Elsaß eine Porzellanfabrik anzulegen. Er zog es indessen vor, sich mit zwei Kaufleuten zu Frankfurt a. M., Johann Christoph Göltz und Johann Felixius Clarus, zur Errichtung einer Porzellanmanufaktur in Höchst zu verbinden. Auf ihre Gründung erhielten sie vom Kurfürsten 1746 ein günstiges Privileg auf 50 Jahre und den Speicherhof in Höchst als Fabrikgebäude. Das Betriebskapital gaben Göltz und Clarus, Löwenfinck stellte dagegen seine keramischen Kenntnisse zur Verfügung. Sie erhielten auch die Erlaubnis, das Rad aus dem kurfürstlich mainzischen Wappen als Fabrikmarke zu führen. Aber das Einvernehmen der drei sollte nicht lange dauern. Die Unehrlichkeit und Unverträglichkeit Löwenfincks und seiner Genossen, die er aus Meißen hatte
Höchst 161
nachkommen lassen, führten dazu, dass Löwenfinck schon 1749 ausscheiden musste; er begab sich nach Straßburg. Nicht besser erging es der Fabrik mit dem folgenden Direktor Johann Benckgraff, der schon nach kurzer Zeit zur Fürstenberger Manufaktur übertrat (vgl. Seite 153).
Auch im weiteren Verlauf gelang es nicht, aus der Fabrik ein gewinnbringendes Unternehmen zu schaffen. Göltz, der seit 1749 der alleinige Besitzer war, musste 1756 seine Zahlungsunfähigkeit erklären. Der Pfandamtsassessor Johann Heinrich Maß; der mit der Verwaltung der Manufaktur während der Abwicklung des Konkurses betraut worden war, übernahm dann die Fabrik auf eigene Rechnung bis zum Jahre 1765, in dem auf Betreiben des neuen Kurfürsten Emmerich Joseph Freiherrn Breidbach zu Bürresheim die Fabrik unter dem Titel: "Churfürstlich - Mainzische privilegierte Porzellaine - Fabrique" in eine Aktien-Gesellschaft verwandelt wurde. Der Kurfürst selbst war erster Aktionär. Auch sein Nachfolger Friedrich Karl Joseph Freiherr v. Erthal, der letzte Träger der Mainzischen Kurwürde, schenkte der Fabrik sein Wohlwollen und bewilligte hohe Vorschüsse. Die Aktionäre beuteten indessen die Fabrik so aus, dass der Kurfürst sie 1778 auf eigene Rechnung übernehmen musste. Aber auch jetzt wird die Verwaltung nicht besser, die kaufmännischen Erfolge werden immer schlechter, die Nebenbuhlerschaft der anderen Manufakturen, die wechselnde Mode trugen das ihrige dazu bei. Schließlich bewirkten die
Brüning, Porzellan.
unsicheren Zustände während der französischen Okkupation, dass 1796 der Betrieb eingestellt wurde. Als 1798 die Fabrik verkauft wurde, betrugen die Aktiva 27000 Gulden, die Passiva 84000 Gulden. Gläubiger war der Staat, der also 57000 Gulden einbüßte.
Die noch vorhandenen Formen der Gruppen und Figuren kamen 1840 in den Besitz der Steingutfabrik von Daniel Ernst Müller zu Damm bei Aschaffenburg. 307 Gruppen und Figuren wurden in bemaltem Steingut ausgeführt (siehe Schrank 452).
Die Marke der Höchster Porzellanfabrik war ein Rad, das zuweilen von einem Kurfurst überdacht ist. Es wird in
Abb. 118. Chinese und Kinder. Höchst um 1775.
der ersten Zeit mit einem Stempel eingeprägt oder in Eisenrot, Purpur oder Gold auf die Glasur gemalt. Später scheint die Marke stets in Unterglasurblau ausgeführt worden zu sein.
Die Stärke der Höchster Manufaktur war, wie auch der anderen suddeutschen Porzellanfabriken, die figürliche Plastik. Auf diesem Gebiete gelingt es ihr, Eigenartiges und Reizvolles zu schaffen und so die Plastik des 18. Jahrhunderts um bedeutende Schöpfungen zu bereichern. Auf dem Gebiete des Geschirres und Gerätes haben Meissen sowohl wie Berlin und Sèvres so viel an Formen und Dekorationen
Höchst
geschaffen, abgesehen davon, was Ostasien hinzugab, daß
sich die anderen Manufakturen nur mit leichten Variationen
der gegebenen Typen begnügen konnten.
Die frühesten plastischen Arbeiten der Höchster Manu-
faktur gehören noch in Auffassung und Gestaltung dem
Formenkreis des Rokoko an. Äußerlich gibt sich das schon
durch den Rocaillesockel zu erkennen. Von den Figuren
der Sammlung gehört das Tänzerpaar (Abb. 116) und der
Knabe mit einem fagottartigen Instrument hierher. Von
größeren Gruppen
dieses Stils sind
eine »Liebesgrup-
pe«, eine »Liebes-
brunnengruppe«,
eine »Freimaurer-
gruppe« und ein
»Schneider auf der
Geiß« im Privat-
besitz zu erwäh-
nen. Sie werden
unter diesen Na-
men in dem
Warenverzeichnis
von 1766 genannt,
die größerenGrup-
pen sind darin
mit 50 und 55
Gulden bewertet.
Die zum Teil
ziemlich hölzer-
nen Figuren — nur
das Tänzerpaar
besitzt noch ziem-
lich viel von dem
Temperament des
Rokoko — gewin-
nen durch ihre ge-
schmackvolle ein-
gehende Bemalung, die sich von der üblichen Staffierung
der späteren Höchster Figuren stark abhebt. Sie sind zum
Teil mit zierlichen einfarbigen Blumensträußen bemalt. Die
Farben sind zumeist ziemlich kräftig und unterscheiden sich
schon dadurch von den gebrochenen weichen Tönen der
späteren Zeit. Vielleicht gehen diese Arbeiten auf den in
den Jahren 1762—1766 erwähnten Modellmeister Lauren-
zius Russinger zurück Russinger erscheint später in Paris,
wo er 1784—1800 Teilhaber der 1773 von Jean-Baptiste Locré
Abb. 119. Venus und Amor. Höchst um 1775.
164 Höchst
in der Rue Fontaine au Roi begründeten Porzellanfabrik »La Courtille« war.
Es ist wahrscheinlich, daß gleich nach Russingers Abgang im Jahre 1766 der Bildhauer eintrat, der den Ruhm der Höchster Manufaktur begründen sollte: Johann Peter Melchior. Die Gruppe des »Chinesischen Kaisers«, die ganz seine Art zeigt und auch wohl identisch mit der im Verzeichnisse von 1766 genannten Gruppe sein wird, spricht dafür.
Melchior wurde 1742 in Lintorf, einem Dörfchen im Kreise Düsseldorf, geboren. Seine künstlerische Erziehung erhielt er in Düsseldorf und Aachen, dann verweilte er kurze Zeit in Köln, Koblenz und Paris. Der Aufenthalt in Frankreich war bestimmend für seine künstlerische Entwicklung. Ende 1779 siedelte er nach einer höchst erfolgreichen Tätigkeit, die ihm sogar einen Ruf nach Sèvres eintrug, nach Frankenthal über.
Melchiors Figuren nehmen eine besondere Stellung in der deutschen Plastik des 18. Jahrhunderts ein. Sie sind ein Erzeugnis jener auf das Sentimentale und Rüh- same gerichteten geistigen Strömung. In seinen Schilderungen der Kinderwelt und des einfachen bürgerlichen Daseins, die im starken Gegensatz zu der höfischen Plastik Meißens stehen, klingen Töne an, die zuerst Rousseau geweckt, er, »der die irrende Kunst zur Einfalt der Natur zurückrief«. Melchior scheint von keinem geringeren als dem jungen Goethe sich hingezogen fühlt wie ein Bekennntnis zu sein. Die Aufschrift des Goethe-Medaillons im Schlößchen zu Tiefurt bei Weimar: »Der Verfasser der Leiden des jungen Werther durch seinen Freund Melchior 1775 nach dem Leben gearbeitet« erscheint wie ein Bekennntnis. Wie Werther sich hingezogen fühlt zu den Kindern, zu den ungekünstelten Leuten des Volkes, und mit Liebe den kleinen Kreis malt, in dem seine Lotte lebt und wirkt, so schildert auch Melchior mit Vorliebe die kleinen Freuden
Abb. 120. Einsatztasse. Höchst um 1770.
und Leiden der Kinderwelt und weiß auch der Darstellung der Leute aus dem Volke natürliche, wenn auch etwas empfindsame Farben zu leihen. Gegenüber den verwandten Darstellungen von Boucher und Chardin wirkt er gemüt voller, warmsinniger, aber auch hausbackener. In der Modellierung seiner Figuren ist er stark von Frankreich ab hängig, Falconet, Clodion, Boizot haben ihm für seine rund lichen Figuren mit den ovalen langwagigen Köpfen Paten gestanden. Die entzückende Venus (Abb. 119, Schrank 452) erscheint wie ein direkter Abkömmling der französischen Kleinplastik. Auch den mit Gras bewachsenen Erds ockel teilen die Arbeiten Melchiors mit den Sèvres-Figuren.
Dem etwas weichlichen sentimentalen Ausdruck seiner Figuren entspricht ihre Bemalung mit gebrochenen zarten Tönen; ihre feine Abstimmung bewahrt sie vor dem Ein druck des Flauen, Kraftlosen. Ein Vergleich mit den Farben der früheren Werk, die Russinger zugeschrieben wurden, zeigt, wie alle Töne zu sanften weichen Akkorden ab geschwächt worden sind.
Melchiors Kunst beschränkt sich aber keineswegs allein auf die Darstellung des täglichen Lebens und der Kinder welt. Ebenso wenig wie religiöse (ein Kalvarienberg im Historischen Museum in Frankfurt a. M.) und mythische Figuren, so fehlt auch die Exotik (Chinesen, Türken) nicht. Sie gewinnen nur bei ihm eine besonders persönliche Nuance, wodurch sie sich in den Kreis der Melchiorschen Formen welt einordnen. Bei mythologischen Gruppen scheut auch er sich nicht, Kupferstiche zu Hilfe zu rufen. So benutzt er z. B. bei einer Gruppe den Stich von R. Gaillard nach Boucher, der die Befreiung der Sylvia durch Amythas darstellt. Eine besonders große Tätigkeit entfaltete er auch auf dem Gebiete der Porträt plastik, die zumeist bei ihm in der Form des Biskuitmedaillons auftritt. Außer jenem ausgezeichneten Medaillon des jungen Goethe in Tiefurt, das sich nur in Gips erhältten hat, besitzt das Goethe-Museum in Weimar ein Gipsrelief von Goethe als Apollo von 1785 und zwei Reliefs von Goethes Eltern von 1779. Dem Goethe- kreise gehört auch die in dem Gipsmedaillon auf der Abb. 117 dargestellte Persönlichkeit an. Es ist der Frankfurter Kapitular und Dechant Damian Friedrich Dumeix, den Goethe in "Dich tung und Wahrheit" als den ersten katholischen Geisdichen erwähnt, mit dem er in Berührung gekommen. Die un gesuchte Art des Vortrags und der Reliefstil dieses Porträts ist charakteristisch für alle derartigen Arbeiten des Künstlers. Von dem Kurfürsten Emmerich Joseph von Breidbach schuf er eine bemalte Büste (Sammlung Dr. Darmstädter) und ein bemaltes Reliefbild (Kunstgewerbemuseum in Frankfurt a. M.).
166 Höchst
Auch unter den von der Höchster Manufaktur gelieferten Geschirren und Geräten fehlt es nicht an vollendeten und reizvollen Arbeiten. Besonders schön sind die einfarbigen Malereien in einem schönen leuchtenden Karmirot (Schrank 452). Häufig wird auch das Schuppenmuster angewandt (siehe die Einsatztasse in Abb. 120). Auch kommen ähnliche Muster wie das »Brandensteinmuster« und »Gotzkowsky erhabene Zierate« vor. Neben den üblichen Bildern sind fein ausgeführte mythologische Darstellungen und Bauernbilder in der Art der Niederländer beliebt. Die Sammlung enthält verschiedene Geschirr- und Gerätformen, sowohl im Rokokogeschmack wie im Zopfstil.
Frankenthal.
Die Frankenthaler Manufaktur verdankt ihre Entstehung dem Privileg, das Sèvres 1754 erhielt, nach dem in ganz Frankreich außer in der Königlichen Manufaktur nirgend anderswo Porzellan fabriziert werden durfte. Dieses Monopol
Abb. 121. Musikierendes Paar. Frankenthal um 1760.
wurde auch auf das Elsaß ausgedehnt, und so sah sich der Straßburger Fayencefabrikant Paul Anton Hannong, der seit einigen Jahren sich auch mit der Herstellung von Porzellan beschäftigt hatte, gezwungen, den neuen Betrieb wieder
168 Frankenthal
einzustellen. Er wandte sich nunmehr an den Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz und erhielt von diesem 1755 die Konzession, unter großen Vergünstigungen in Frankenthal eine Fabrik »durchsichtigen Porcelaines« zu errichten. Das Unternehmen, das er 1759 an seinen Sohn Joseph Adam übertragen hatte, konnte sich indessen nicht halten, so dass 1762 die Fabrik an den Kurfürsten verkauft wurde. Adam Bergdoll, der in Höchst Former und Buchhalter gewesen war, wird jetzt Direktor. Da indessen Streitigkeiten zwischen dem Direktor und dem Personal ausbrachen, berief man 1770 den Fürstenberger Modellmeister Simon Feilner, der seit 1775 die alleinige Leitung erhielt.
Feilner machte sich durch verschiedene technische Verbesserungen und Erfindungen um die Hebung der Fabrik sehr verdient. Aber die schlechten finanziellen Verhältnisse, unter denen die Fabrik von Anfang an zu leiden hatte, wurden nicht besser. Den Arbeitern wurde jahrelang der Lohn nicht ausgezahlt. Alle Mittel, diesen Mißständen abzuhelfen, die Veranstaltungen von Porzellanlotterien und Versteigerungen blieben ohne hinreichenden Erfolg. Der Einfall der Franzosen in den Rheingau brachte neue Verlegenheiten. Bei der Besetzung Frankenthals durch französische Truppen im Jahre 1795 wurde das Inventar der Fabrik an Peter van Reccum verkauft und die Fabrik an ihn verpachtet. Van Reccum verlegte seine Fabrik 1800 nach Grünstadt. Ein Plan, die alte kurfürstliche Manufaktur wieder aufzuleben zu lassen, fand bei dem Kurfürsten Max Joseph keinen Anklang. »Aus unserem Finanz-Grundsatz, daß Fabriken als Elemente des Nationalwohlstandes den freien Unternehmungen einzelner Privaten oder Gesellschaften zu überlassen, und nicht unter die eigenen am wenigsten ausschließenden oder begünstigten Anstalten der Regierung aufzunehmen seien, geht die Erklärung hervor, daß wir die ohnehin dermalen aufgelöste Frankenthaler Porzellan-Fabrique in keinem Falle
(Note: The text ends abruptly and is cut off, suggesting there is additional text not visible in the image.)
Die Porzellane der Hannongschen Fabrik in Frankenthal (1755—1762) tragen als Marke einen steigenden Löwen in Unterglasurblau; selten einen halben Rautenschild, ebenfalls in Unterglasurblau; daneben zeigen die frühesten Arbeiten die eingeprägten Buchstaben P.H. (Paul Hannong). Die mit dem blauen oder eingeprägten Monogramm J.H. (Joseph Hannong) versehenen Porzellane sind wohl in die Zeit von 1759 — 1762 zu setzen. Unter den mit dem Monogramm CT unter dem Kurhut bezeichneten Stücken erscheinen sehr häufig blaue Zahlen (71 bis 88), die als Jahreszahlen anzusehen sind. Das ergibt sich unter anderem daraus, daß die Arbeiten Melchiors, der von 1779 — 1793 in Frankenthal tätig war, stets nur achtziger Zahlen tragen. Ein selten vorkommendes v R in Blau ist auf van Rec cum zu deuten. Die Masse des Frankenthaler Porzellans, zu der ebenfalls Passauer Erde genommen wurde, zeichnet sich durch einen weichen, milden Glanz aus, sie hat einen leicht gelblichen, milchfarbigen Ton.
Die Plastik Frankenthals, die der Zahl der Modelle nach der Produktion der Meißener Manufaktur zunächst folgt, ist sowohl durch die reiche Mannigfaltigkeit der Dar-
170 Frankenthal
fassen, sowie durch die zahlreichen, für die Fabrik tätigen Bildhauer von verschiedener Eigenart besonders anziehend. Sie wird auch in dieser Hinsicht unter den deutschen Manufakturen nur von Meißen übertroffen.
Schon unter den Hannong ist eine große Fülle vortrefflicher Figuren geschaffen worden. Die ältesten, Jäger u. a., sind zum Teil dieselben Modelle, die in Straßburg in Fayence ausgeführt worden sind. Typen aus dem Leben, Kavaliere und Damen, einige mit großen Reifröcken, Handwerker und Bauern in ihren Beschäftigungen, Kinder, die Großen in ihrem Treiben nachahmend, Liebespaare in
Rokokolauben, Götter, Weltteile, Jahreszeiten u. a. sind die Gestalten, die sich die Bildhauer der Hannongschen Fabrik zum Vorwurf gewählt hatten. Es sind zumeist kräftige, gedrungene Figuren von ziemlich derbem Schlage mit runden Köpfen, manche vorzüglich modelliert und lebensvoll aufgefasst. Die Sockel sind mit purpur- oder goldgehöhten Rokokoschnörkeln ausgestattet. Die Bemalung der Figuren ist noch tastend und unsicher; anfangs werden Versuche mit kräftigen grünen, blauen, purpurnen Tönen gemacht, die aber nicht immer gelingen. Gern wird für die Musterung der Kostüme Gitterwerk genommen, auch einfarbige Blumenmuster kommen vor.
Abb. 124. Afrika und Amerika. Frankenthal um 1765.
Frankenthal
Zu den Porzellanen der Sammlung, die noch in dieser
ersten Periode geschaffen wurden, gehört u. a. die Gruppe
"Die Toilette der Venus", bei der allerdings der durch
eine kleine Vase ersetzte Amor, der der Venus den Spiegel
vorhält, fehlt. Im Schloß zu Würzburg befindet sich die-
selbe Gruppe mit einer großen Rokokoalube. Es scheint,
daß ein Stich nach Albanis "Toilette der Venus" in der
Galerie zu Madrid zur Schaffung dieser Gruppe Anregung
gegeben hat. Durch die Aufschrift "J. A. Hannong 1761"
auf einer Biskuitfigur eines leierspielenden Mädchens im
Bayerischen Nationalmuseum in München gibt sich Joseph
Adam Hannong selbst als einer der Modelleure zu erkennen.
Ihm gehört danach die Gruppe des musizierenden Paares
(das Gehör) (Abb. 121) und des Liebespaares (das Gefühl) (im
Schrank 451) an. Wir sehen hier dieselbe kräftige, fast
derbe Körperbildung, dieselbe Bewegungsmechanik, dieselbe
Abb. 125. Meleager und Atalante. Frankenthal 1778.
172 Frankenthal
Behandlung des glatt anliegenden Haare, dieselbe philiströse Wiedergabe des Kostüms, dieselbe ziemlich leblose, steifleinene Haltung der Figuren. Vom Geiste des Rokoko ist kaum noch ein Hauch zu spüren.
Alles, was diesen Gestalten fehlt, zierliche Anmut, ausdrucksvolle Bewegung, vollendete Modellierung und geistreiche Behandlung des Kostüms, besitzen die Figuren, die man dem hervorragendsten Bildhauer der kurfürstlichen Fabrik, Konrad Linck (1732-1802), zuschreiben kann. Er wurde schon 1766 nach Mannheim versetzt, jedoch unter der Bedingung, für Frankenthal weiter zu arbeiten. 1775 schickte er Zeichnungen zu Gruppen ein, woraus man ersieht, daß er seiner Verpflichtung nachgekommen ist. Die von ihm für den Park von Schwetzingen ausgeführten plastischen Arbeiten, z. B. die `Giebelreliefs des Minervatempels, die Brunnenfiguren vor demselben, die Reliefs in der Perspektive, ferner die allerdings erst 1788 und 1790 errichteten Monu- mente auf der Heidelberger Brücke und andere größere statuarische Wer- ke geben im Verein mit einer Porzellangruppe, die seinen Namen trägt, einen festen Anhalt zur Bestimmung seines Stiles, so daβ sich eine große Anzahl von Gruppen und Figuren der Manufaktur auf ihn mit Sicherheit zurückführen lassen. Die mit »Linck« bezeichnete unbemalte allegorische Gruppe mit dem Porträtmedaillon Karl Theodors und seiner Gemahlin Maria Elisabeth Augusta, umgeben von Minerva, einer Muse und drei Putten, befindet sich im Germanischen Museum in Nürnberg. Ein vierzehliges Chronogramm auf einem bemalten Exemplar der Gruppe im Musée de Cluny zu Paris enthält die Jahreszahl 1769.
Zu den besten Arbeiten Lincks gehört eine Folge von zwölf Monaten, von denen vier sich im Besitz des Museums
Abb. 126. Lautenspieler. Frankenthal um 1770.
befinden (Abb. 123). Sie zeigen die charakteristischen Merk-
male seines Stiles: die schlanken, geschmeidigen Körper
lassen deutlich den Muskel- und Knochenbau hervortreten,
so daß ihre Oberfläche wie von leichtem Wellenspiel belebt
erscheint. Die Haarmassen sind in einzelne kräftige Wulste
gegliedert und lebendig bewegt. Die rundlichen Gewand-
falten fließen in weichen Massen dahin und begleiten den
Rhythmus der Glieder in wirkungsvollem Spiel. Zumeist
ist der Mantel auf dem Rücken in einem großen Zuge
schräg heruntergezogen und verdeckt einen Teil des Sockels.
Die Haltung der
Figuren ist pa-
thetisch bewegt,
manchmal ge-
spreizt und eckig,
aber immer reiz-
voll. Viele sind
mitzierlichen Blu-
men ausgestattet.
Von den Fran-
kenhthaler Figuren
derSammlung ge-
hören noch die
beiden »Afrika«
und »Amerika«
darstellenden Fi-
guren mit Gefäßen
(Abb. 124) dazu,
sowie die Grup-
pe »Atalante und
Meleager«, des-
sen Komposi-
tion durch einen
Stich nach dem
Gemälde von F.
Lemoyn im Na-
tionalmuseum zu Stockholm beeinflußt erscheint.
Zur selben Zeit wie Linck arbeitete in Frankenthal ein
Modelleur, der wahrscheinlich später nach Fulda übergetreten
ist. Er bildete zierliche, graziöse Figuren (ohne Sockel
etwa 12 bis 13 cm hoch) mit kleinen, niedlichen Köpfchen
auch hochgeblütem, mit Moostupfen bedecktem Sockel, dessen
Rand Rocallen umgeben. Es sind galante Schäfer und
Schäferinnen, Kavaliere mit ihren Damen, Jäger und Chinesen
(Abb. 126).
Auch Johann Peter Melchiors Tätigkeit in Franken-
thal (1779—1793) läßt sich durch eine größere Anzahl Figuren
174 Frankenthal
und Gruppen belegen. Melchior zeigt sich auch hier als
der liebenswürdige Schilderer und gemütvolle Beobachter
des harmlosen Treibens der Kinderwelt. Die Gruppe:
»ein Knabe zwei Kinder durch eine vorgehaltene Maske
Abb. 128. Allegorie auf Karl Theodor und seine Gemahlin. Frankenthal um 1780.
erschreckend« zeigt dieselben für ihn charakteristischen
rundlichen und pausbäckigen, behaglichen Figürchen wie
in Höchst. (Abb. 127). Eine der größten von Melchior in
Frankenthal geschaffenen Gruppen stellt einen zerfallenen
Turm dar, in dem ein Mädchen schläft, von zwei Jünglingen
Frankenthal 175
belauscht. Sie gehörte zu den 113 Gruppen und Figuren,
die zur Verzierung der Tafel nebst einem mit Vögeln
bemalten Tafel- und Dessertservice zu 24 Gedecken
1785 dem Kardinal Antonelli in Rom vom Kurfürsten
geschenkt wurde. Außerdem lassen sich noch zahlreiche
andere Gruppen mit allegorischen Darstellungen (Elementen,
Jahreszeiten), musizierenden Chinesen, Putten usw. als
Arbeiten Melchiors nachweisen. Sie zeigen denselben
mit Gras bewachsenen Felssockel wie seine Höchster
Gruppen.
Das Museum besitzt außerdem noch einen kleinen als
Pierrot gekleideten Knaben aus gebranntem Ton, der die
eingekratzte Marke A. C. trägt. Dieselbe Marke zeigen
Abb. 129. Tintenfaß. Frankenthal um 1760.
zwei ruhende Frauengestalten aus Gips bezw. Terrakotta im
Historischen Museum zu Frankfurt a. M. Sie ist wohl mit
Recht auf Adam Clair gedeutet, der, 1763 zu Frankenthal
geboren, offensichtlich Schüler von Melchior wurde; bei seiner
Trauung 1788 war Melchior Trauzeuge. Er siedelte 1799
nach Nymphenburg über, wohin ihm Melchior schon voraus-
gegangen war. Die mit seinem Monogramm bezeichneten
genannten Arbeiten zeigen ganz den Stil Melchiors. Voll-
bezeichnet hat er sich auf der Gruppe mit dem von Genien
bekränzten Doppelporträt des Kurfürsten Karl Theodor und
seiner Gemahlin; sie trägt nämlich unter dem Sockel die ein-
gekratzte Inschrift: "Adam Cleer a Frankenthal" (Abb. 128).
Das Porträtmedaillon Karl Theodors allein besitzt die Samm-
176 Frankenthal
lung der Königlichen Porzellanmanufaktur, dasselbe zeigt
ebenfalls auf der Rückseite die eingeratzten Buchstaben A.C.
Es kann wohl kaum ein Zweifel sein, daß mit dieser Signatur
auch die künstlerische Urheberschaft Adam Clairs bezeichnet
ist. Scheinbar im Widerspruch mit dieser Annahme steht
allerdings der Umstand, daß drei kleine Büsten von Linck,
welche die Jahreszeiten darstellen, von denen zwei sich in der
Sammlung des Konsul Behrens in Hamburg befinden, während die dritte
auf dem Schloß zu Heidelberg aufbewahrt wird, den eingeritzten
Namen "Clair" tragen. In diesem Falle bedeutet
diese Bezeichnung nur den Former, der die betreffenden Stücke
ausgeformt hat, ebenso wie der Name "Niebergall"
auf einer ebenfalls von Linckmodellierten Figur des Winters in der Sammlung
Karl Bär in Mannheim. Clair wird eben
zunächst als Former begonnen haben, um sich
dann unter der Leitung Melchiors zum Modellleur auszubilden. Die
Heidelberger Sammlung besitzt auch ein mit
A.C. bezeichnetes Medaillon in Biskuit mit
dem Porträt des Vizekanzlers von Geiger.
Mehrere der Frankenthaler Modelleure nah-
men ihre Zuflucht zu Stichen und kopierten dieselben wort-
getreu. Benutzt ist der Stich von Joh. Hertel "Der Herbst"
nach Jacopo Amiconi für eine Gruppe: ein Jüngling nach
Weintrauben haschend, die ein Mädchen ihm entrissen, der
Stich "La servante congédiée" von Balechou nach Jeaurat
für die Gruppe einer Hausfrau, die ihre Magd entläßt (im
Preisverzeichnis von 1777 mit 9 Gulden bewertet), der Stich
von Laurent Cars und Claude Donat-Jardinier nach Greuze
für eine Gruppe: eine Mutter mit Kindern, der Stich
»L'agréable leçon« von R. Gaillard nach Boucher für die Gruppe: Schäfer, einem Mädchen die Flöte lehrend, und für eine »Alceste« ein Stich von L. Desplaces nach A. Coypel. Die letztere ist im Preisverzeichnis von 1777 als zweitteuerste Gruppe mit 45 Gulden bewertet. Bei allen diesen Gruppen ist die Komposition der Figuren fast unverändert übernommen, nur das Beiwerk und der Hintergrund musste porzellan- und skulpturgemäß ausgestaltet werden.
Auch in Frankenthal erscheinen die Rokokoformen in phantasievoller Verwendung zu Geräten und Geschirren verarbeitet, entweder in einer gerade noch bei dem Schreibzeug (Abb. 129), bei dem die Form ganz in flüssig bewegte Rocail1en aufgelöst ist, oder wie bei dem Leuchter (Abb. 130), bei dem das Muschelwerk nur als ornamentaler Zierrat die selbständige, mit feinen Profilen versehene Gerätform anmutig umspielt. Später tritt der Einfluss von Sèvres hervor, hier mehr wie in den anderen deutschen Manufakturen. So ist z. B. das Speiseservice mit der ausgezeichneten Vogelmalerei (Abb. 132) einem jetzt im Nationalmuseum zu München befindlichen Service fast genau nachgebildet, nur ist das Mosaik sowie die Vogelmalerei verändert.
Frankenthal besaß ausgezeichnete Maler, so den Bernhard Magnus, von dem die Sammlung des Heidelberger Schlosses Teile eines Frühstücksservices mit sehr feinen Türkenschlachten in zierlichen, von GoldrocailIen gebildeten Kartuschen und die Sammlung Franks im Bethnal Green Museum in London eine ausgezeichnete Landschaft besitzt. Der Maler J. Oster spey war besonders tüchtig in ovidischen und Watteauesken. Bezeichnete Stücke seiner Hand besitzen die Kunstgewerbemuseen zu Frankfurt a. M. und Leipzig. Vielfach fallen die Frankenthaler Malereien durch ihre Größe auf, umfangreiche Bilder füllen den ganzen Boden der rautenförmigen Anbietplatten und der breiten vorderen Seite der dickbauchigen Kaffeekannen, deren
Frankenthal
glatte Henkel in der Regel eine ohrförmige Gestaltung zeigen.
Abb. 132. Eiskühler. Frankenthal um 1770.
Auch in Frankenthal arbeitete man in den Formen des Zopfstiles. Die abgebildete Vase zeigt große Verwandtschaft mit den Marmovasen im Schwetzinger Park. Das Service, zu dem die Tasse in der Abb. 133 gehört, zeichnet sich durch eine eigentartige Bildung der Kannen aus, die am Ausguß eine kräftig modellierte, bärtige Satyrmaske tragen.
Eine besondere Aufmerksamkeit wendete man den farbigen Fonds und der Goldmalerei zu. Als Erfindungen Feilners werden 1786 „eine schwarze Unterglasurfarbe, ein Königsblau, ein bleu céleste, ein mehrfarbiges Goldchan- geant, die erhabene Vergoldung à quatre cou- leurs in Matt und Glanz und mit poliertem Licht und Schatten“ erwähnt. Ein schönes Beispiel eines gold-
(Note: The text ends abruptly and there might be a continuation that is not visible in the image provided.)
Frankenthal
geäderten Lapis-lazuli-Grundes bietet die Tasse mit Tieren (Abb. 131). Der Dekor ist in Sèvres erfunden; ein derartig dekoriertes Service, das Ludwig XV. dem Könige von Dänemark bei dessen Besuch in Sèvres schenkte, be-
Abb. 134. Vase. Frankenthal 1784.
findet sich im Schloß Rosenborg in Kopenhagen. Unter dem »mehrfarbigen Goldchangeant« ist vielleicht ein selten vorkommender, lüsterartig schillernder, kupferfarbiger Grund zu verstehen. Auch Nachahmungen von Marmor, Holz, Stoffmustern kommen vor.
Ludwigsburg.
Als »ein notwendiges Attribut des Glanzes und der Würde« wurde im Jahre 1758 vom prachtliebenden Herzog Karl Eugen von Württemberg die in Ludwigsburg schon 1756 von dem Ingenieur Kapitän Häcker begründete Porzellanfabrik übernommen, ohne zu berücksichtigen, daß die Vorbedingungen für ein solches Unternehmen an jenem Orte so ungünstig wie nur möglich waren. Ludwigsburg lag in waldarmer Gegend, das Brennholz mußte von weiter herangeschafft werden, kein Fluß, keine bedeutende Straße vermittelte den Verkehr mit der Außenwelt, nicht einmal der gewöhnliche Kapselton, geschweige die Porzellanerde war in der Nähe zu finden, das nötige Kaolin mußte von Hafnerzell bei Passau beschafft werden. Die Bereitung der Masse machte viele Schwierigkeiten. Wenigstens gelang nur selten die Herstellung einer guten weißen Masse, vielfach besitzt das Porzellan eine schmutzig graue Farbe von häßlichem Aussehen. 1759 wurde Joseph Jakob Ringler aus Wien, der schon in der Wiener und Nymphenburger Manufaktur tätig gewesen war, Direktor und leitete die Anstalt über 40 Jahre. Um die Kosten der
Ludwigsburg
Porzellanfabrikation zu decken, wurde daneben eine Fayencefabrik errichtet, deren Überschüsse der Porzellanmanufaktur zugute kämen.
Den höchsten Bestand an Arbeitern erreichte die Manufaktur 1766 mit 154 Angestellten. Der Aufschwung, den die Fabrik genommen, hängt mit der Verlegung der Residenz nach Ludwigsburg zusammen. Die stille Stadt wurde jetzt ein Schauplatz rauschender Feste, deren Prunk die Erzeugnisse
Abb. 136. Schäferpaar. Ludwigsburg um 1760.
der Porzellanfabrik erhöhen mußten. Als 1775 der Hof seinen Sitz wieder von Ludwigsburg zurückzog, ging auch die Fabrik allmählich wieder nieder, schon im folgenden Jahre betrug der Personalbestand nur noch 81 Arbeiter, und mit dem Tode des Herzogs, der im Jahre 1793 erfolgte, geriet die Manufaktur zusehends in Verfall. Durch Berufung französischer Arbeiter gelang es König Friedrich im zweiten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts noch ein kurzes Nachleben
182 Ludwigsburg
hervorzurufen. Indessen diese künstliche Auffrischung war nicht von langer Dauer, 1824 wurde die Auflösung der Fabrik verfügt.
Während für eine große Anzahl der in Ludwigsburg geschaffenen Figuren und Gruppen, wie die kokette kleine Tablettträmerin (Abb. 135) und die süßliche Gruppe des Schäferpaares (Abb. 136) u. a., noch ganz im Boden der Rokokoplastik wurzelnde Arbeiten, sich ihre Urheber nicht mit Sicherheit feststellen lassen, läßt sich dagegen an einer großen Anzahl von Werken, denen ihr klassizistischer Anhauch ein besonderes Gepräge unter den deutschen Porzellanfiguren verleiht, der Name eines Bildhauers heften, der auch außerhalb des Kreises der Ludwigsburger Manufaktur bekannt geworden ist.
Johann Christian Wilhelm Beyer wurde 1725 in Gotha als Sohn des dortigen Hofgärtners geboren, der später in württembergische Dienste trat. Der junge Beyer verdankte seine Ausbildung als Künstler der Gunst des Herzogs, der ihn zunächst nach Paris, dann nach Rom schickte. Er blieb von 1751—1759 in Italien. Hier hatte seit einigen Jahren die Ausgrabung der vom Vesuv verschütteten Städte begonnen, die Welt wieder an die unvergängliche Schönheit der antiken Kunst erinnern sollten. Der Verkehr mit Winckelmann führte ihn in den Geist der griechischen Plastik ein. Wohl unter ihrem Einfluß wurde aus dem Maler ein Bildhauer. So kehrte er als einer der ersten Künstler, die der
Abb. 137. Fischerin. Ludwigsburg um 1765.
Ludwigsburg
neu erstadnen Geist des klassischen Altertums berührt hatte, nach Deutschland zurück.
Am herzoglichen Hofe in Stuttgart nahm Beyer jetzt eine bedeutende Stelle ein. Er arbeitete mit am Schmuck des neuen Schlosses, richtete eine Akademie der Künste ein und entfaltete eine reiche Tätigkeit für die Ludwigsburger Porzellanfabrik, indem er ihr zahlreiche Modelle lieferte. 1767 verläßt er Stuttgart und begibt sich nach Wien, wo er bald zum höchsten Ansehen emporgestieg. Er errichtete dort ein großes Bildhaueratelier mit vielen Gehilfen und schmückte den schönen Park von Schönbrunn mit 40 Statuen. Als führende Persönlichkeit im Wiener Kunst-
Abb. 138. Bacchantenpaar. Ludwigsburg um 1765.
leben war er nach vielen Richtungen hin fördernd tätig, auch für die dortige Porzellanmanufaktur; 1806 starb er in Schönbrunn.
Da Beyer selbst in zwei von ihm herausgegebenen großen Abbildungswerken: "Österreichs Merkwürdigkeiten, Wien 1779" und "Die neue Muse, Wien 1784" einen Teil der Modelle seiner Porzellanfiguren, darunter auch die trauernde Artemisia, die sich über die Urne des Mausolos lehnt (Schrank 453) abgebildet hat, läßt sich sein Anteil an der Ludwigsburger Porzellanplastik leicht feststellen. Die Artemisia ist, wie auch noch andere Porzellanmodelle, für den Park von Schönbrunn in Marmor ausgeführt worden. Das Bewegungsmotiv der Figur, bei der beide Arme nach einer Seite geworfen sind, so daß ein Arm den Oberkörper
.184 Ludwigsburg
diagonal überschneidet, während der Kopf in entgegengesetzter Richtung wie die Arme, seitwärts, mit starker Neigung nach unten hin gerichtet ist, ist ein Lieblingsmotiv Beyers. Er wendet dasselbe, ohne daß z. B. die Senkung des Kopfes immer begründet ist, sowohl bei stehenden Figuren an, wie der Artemisia, Flora, Libertas, Veritas (Schrank 453), Abundantia, als auch bei sitzenden bzw. das Knie abstützenden Figuren, wie der Fischerin (Abb. 137), der Bacchantin, die den Widder schlachtet, »Der Bacchantin mit einem Pantherweibchen« und mehreren Figuren der Musikanten. Auch aus der das Tamburin schlagenden Bacchantin klingt es noch heraus. Die starke Spannung des
Abb. 139. Tintenfaß. Ludwigsburg um 1760.
Körpers bei der Gruppe der sitzenden Figuren, bei denen Kopf und Knie sich wie die Enden eines angezogenen Bogens nähern, läßt diese Gestalten lebendiger und temperamentvoller erscheinen als manche der stehenden Figuren, so daß Pfeiffer geglaubt hat, die Musikanten einem anderen Künstler, dem Bildhauer Joseph Weinmüller, der für das Ottobeurer Benediktinerkloster Holzstatuen verfertigt hat, zuschreiben zu müssen. Abgesehen davon, daß die im Rhythmus der Bewegung und im Temperament der Spinettspielerin aufs nächste verwandte »Bacchantin mit dem Pantherweibchen« in den »Merkwürdigkeiten« abgebildet und in Schönbrunn in Marmor wiederholt ist, sprechen auch die Proportionen der langgliedrigen Körper und der antiki-
siere ende Kopftypus für die engen Beziehungen der Musikan ten zu den mythologischen Figuren Beyers. Es läßt sich freilich nicht leugnen, daß die Musikan ten und eine Figur wie die Fischerin noch am wenigsten Berührung mit der Antike verraten, eher noch Beziehungen Beyers zu den Ad am s, die auch Dernjac annimmt, wahrscheinlich macht. Erst in den off enbar späteren Figuren, wie der Veritas, macht sich das antike Element, das bei den genannten Figuren kaum an die Oberfl äche tritt, stärker geltend.
Die anmu tige Gestalt der Fische rin gehört viel leicht zu dem großen Tafelaufsatz, der am Geburts tag des Herzogs im Jahre 1764 in dem in ein »palais enchanté« um gewan delten Hof des Lud wigsbur ger Schlosses auf gestellt war. In einem 17 Fuß lan gen, 11 Fuß breiten Bassin sah man Neptun auf seinem von vier See pfer den be spannten Wagen, Tritonen und Na jaden, Grotten mit den gefes selten Winden; auf größeren Felsen er blick te man vier Flußgötter, auf kleineren Fisch erkinder, Del phine und Tritonen. Die vier Flußgötter in der Staatssammlung vaterländischer Kunst und Altertumsdenkmale in Stuttgart sind möglicherweise mit den Göttern des Tafelaufsatzes identisch. Auch die Bacchanten, die zum Teil paarwei se zu schön komponierten Gruppen vereinigt sind, haben wohl ein Ganzes ge bildet. Selbst Architek turstücke von 4—5 Fuß Höhe wurden aus Porzellan als Tafelzierate angefe rtigt. Bei der Geburt sfeier des Herzogs im Jahre 1763 wurden den anw esenden Damen porzellanene Blumen sträuße überreicht.
Abb. 140. Kaffeekanne. Ludwigsburg um 1770.
186 Ludwigsburg
Mehrere der Modelle kommen in einem dreifach verschiedenen Maßstabe vor, massenhaft haben sich noch winzig kleine Figürchen erhalten, z. B. im Zähringer Museum im Schloß zu Karlsruhe, wo sie kleine porzellanene Kaufläden bevölkern, auf denen die Waren aufgemalt sind.
Die Bemalung der Figuren ist entweder wie bei der Fischerin nur andeutend, leicht und duftig, oder wie bei der Bakchantengruppe (Abb. 138) mit reichlicher Verwendung von Fleischfarbe und anderen Tönen. Diese deckende Bemalung ist bei der nur selten gelungenen Masse die häufigere. Charakteristisch ist die Abfassung der Gewänder mit grünen Säumen.
Das Kupferstichkabinett in Stuttgart besitzt zahlreiche Entwürfe von Geschirren und Geräten zumeist aus den Jahren 1760 bis 1762, die in zierlichen Rokokoformen gehalten sind; sie stammen von der Hand des Obermalers Gottlieb Friedrich Riedel, der von 1743 – 1756 in Meißen gearbeitet hatte und später (1780 bis 1784) in Augsburg als Kupferstecher tätig war. Zwei Ludwigsburger Kannenformen stellen die Abb. 140 und 141 dar. Während die eine Form nur eine leichte Abwandlung der üblichen Kannenform ist, ist dagegen die andere eine sonst nicht vorkommende Gestaltung.
Eine Besonderheit ist auch das den ganzen Grund deckende Relief- schuppenmuster, das wohl den Zweck hatte, Unreinlichkeiten der Masse zu verschleiern. Als virtuoser Blumenmaler zeigt sich auf einem Service in der Staatssammlung zu Stuttgart Friedrich Kirschner. Er malt große, in dichter Masse nebeneinander gesetzte Blumen mit großer Geschick-
Abb. 141. Kaffeekanne. Ludwigsburg um 1780.
Please note that the text was cut off at the end, so it may be incomplete.
Ludwigsburg 187
lichkeit. Besondere Prunkstücke sind die in derselben Sammlung befindlichen Spiegel und Wandleuchter sowie die großen, mit plastischen Gehängen geschmückten Vasen im Karlsruher Schloß. Als Marke verwendete die Ludwigsburger Fabrik ein verschlungenes C (Carl) unter einem Herzogshut.
Nymphenburg.
Schon 1729 hatte sich ein wandernder Porzellanlaborant aus Dresden in München angeboten, Porzellan herzustellen, aber seine Bemühungen waren nicht vom Erfolg begleitet. 1747 erneuerte Joseph Niedermayer den Versuch, die Porzellankunst in Bayern einzuführen, und gewann den Kurfürsten Max Joseph III. für sein Unternehmen. Im Hofgarten zu Neudegg wurde eine Porzellanfabrik errichtet, die indessen erst seit der Berufung des Arkanisten Joseph Ringler im Jahre 1754 einen größeren Aufschwung nahm. 1758 waren 30 Angestellte bei der Fabrik beschäftigt. Die Verlegung der Manufaktur nach Nymphenburg im Jahre 1761 hatte eine bedeutende Erweiterung der Unternehmung zur Folge. 1765 hatte das Personal die Zahl von 300 Köpfen erreicht. Aber mit der gesteigerten Fabrikation hielt der Absatz nicht gleichen Schritt und die Anzahl der Arbeiter musste wieder bedeutend eingeschränkt werden.
Abb. 142. Dame mit Pilgerflasche. Nymphenburg um 1765.
Nymphenburg
Solange Max Joseph III. noch lebte, wurde die Fabrik durch hohe Zuschüsse aus der kurfürstlichen Schatulle unterstützt. Sein Nachfolger indessen, Karl Theodor von der Pfalz, der 1777 den bayerischen Thron bestieg, kümmerte sich mehr um seine Manufaktur in Frankenthal.
Abb. 143. Der Schäfer. Nymphenburg um 1765.
Um die Wende des Jahrhunderts treffen dann mehrere Ereignisse zusammen, die der Nymphenburger Manufaktur wieder aufhelfen sollten. Die Frankenthaler ging ein und mehrere der tüchtigsten Kräfte, darunter Melchior, traten nach Nymphenburg über; das Fürstentum Passau kam mit seinen reichen Kaolinlagern in bayerischen Besitz, und als bei diesem Anlaß die Wiener Filialfabrik in Engelhardtszell
auflöst wurde, übersiedelten die Arbeiter ebenfalls nach Nymphenburg. Von seiten des bayerischen Fürstenhauses wird die nationale Manufaktur wieder begünstigt und gefördert, und obschon ihre Beibehaltung viele Opfer erforderte, betrachtete man sie doch als »eine Staatsangelegenheit, ein Attribut des Glanzes und eine Ehrensache des Hofes« und führte sie bis zum Jahre 1862 fort, wo sie in Privathände übergang.
Als Marke verwendete man den eingeprägten Rautenschild, daneben auch das Pentagramm in Unterglasurblau, von merkwürdigen Zahlen und Zeichen umgeben. Diese Zeichen erscheinen auch ohne das Pentagramm in einer Linie nebeneinander.
Modellmeister war in den ersten Jahren Franz Bastelli, »ein unbekannter italienischer Bildhauer«, nach seinem in der Mitte der sechziger Jahre erfolgten Tode trat Dominikus Auliczek an seine Stelle. Diesen hält der Katalog der Sammlung Georg Hirth für den geistreichen und temperamentvollen Modellleur, der jene entzückenden, von sprühendem Leben erfüllten Figuren der Damen und Kavaliere, der Liebespaare, der Gestalten der italienischen Komödie, Chinesen, Heilige, Liebesgötter u. a. geschaffen, die vielleicht das Beste sind, was die deutsche Plastik des 18. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Die von Auliczek geschaffenen großen Statuen und Gruppen im Nymphenburger Park sollen diese Annahme bekräftigen, widerlegen sie aber im Gegenteil aufs schlagendste. Es gibt keinen krasseren Gegensatz als zwischen diesen in gemessener Ruhe dastehenden, muskulösen, breitschultrigen Gestalten und jenen von momentaner zuckender Bewegung erfaßten, überschlanken, feingliedrigen und nervösen Porzellanfiguren. Dort Schwäger, schwerblütige Ruhe und kalte Gemessenheit, hier jäherr Aufschrei, plötzliche Wendung, kühne Bewegung, ein Sichneigen und Drehen, ein Haschen und Strauben, und selbst die Ruhe als vorübereilender Augenblick gestaltet. Auch die Gewandbehandlung ist durchaus verschieden: von der
Nymphenburg 191
virtuosen, breit stilisierenden Modellierung des Kostüms der Porzellanfiguren, deren große glatten Flächen in scharfen Kanten aneinanderstoßen, ist nichts in dem kleinlichen, krausen Gefältel der Mäntel der Götterfiguren im Park von Nymphenburg zu entdecken. Es geht auch nicht an, diese Gegensätze damit zu bemänteln, daß man sagt: »der
Abb. 145. Schüssel. Nymphenburg um 1765.
kühle Hauch der antikisierenden Zeit«, dem sich Auliczek nicht habe entziehen können, liege über diesen. Auch in den späteren Werken Konrad Lincks (vgl. Seite 172), den 1781 und 1790 entstandenen Denkmälern auf der Heidelberger Brücke, zeigt sich eine kältere, frostigere Auffassung und leblosere Formsprache, als in seinen jüngeren Arbeiten; aber trotz der Unterschiede lassen sich doch unverkennbare
192 Nymphenburg
Berührungspunkte herausfinden, man gewahrt deutlich noch die Handschrift des Schöpfers der reizvollen Porzellanfiguren. Aus den Statuen des Nymphenburger Parks spricht aber ein ganz anderer Geist und ein durchaus verschiedener Formencharakter als aus den Porzellanfiguren. Will man unter den Arbeiten der Nymphenburger Manufaktur nach Modellen suchen, die auf Auliczek zurückgehen könnten, so findet man eher in dem im Nationalmuseum zu München und in der Staatssammlung zu Stuttgart vorhandenen Tafelaufsätze, der die Erde und das Wasser darstellt, Verwandtschaft mit den erwähnten Statuen, sowohl in der Formbehandlung wie im geistigen Ausdruck.
Es bleibt also wohl nur Franz Bastelli als Urheber jener Porzellanfiguren übrig; das rasche Temperament, das aus ihnen hervorbricht, würde auf Rechnung der italienischen Herkunft ihres Schöpfers zu setzen sein.
Auch Melchior, der von 1796-1825 in Nymphenburg tätig war, schuf dort in Biskuit Porzrätbüsten von Napoleon usw. sowie allegorische Gruppen.
Die glasierten Porzellanfiguren der Nymphenburger Fabrik sind zumeist unbemalt, sie scheinen, ähnlich wie die Wiener, in diesem Zustande in den Handel gekommen zu sein. Auch die Dekoration der Geschirre weist bei manchen Stücken eine solche Vollendung der Malerei und reizvolle Eigenart der Motive auf, wie bei keiner anderen Manufaktur. Ein besonders schönes Beispiel von feinster Malerei besitzt das Hamburgische Museum in einer Kaffeekanne, die mit den zierlichsten Goldrocaillen bemalt ist. Eine Kanne,
Nymphenburg
vielleicht von demselben Service, befindet sich in der Sammlung der Königlichen Porzellanmanufaktur, der ganze Körper ist von zierlichen Rocailles übersponnen. Ein anmutiges Dekorationsmotiv zeigt auch die Tasse mit dem Springbrunnendekor (Abb. 144). Bei dem abgebildeten Teller
Abb. 147. Schale. Nymphenburg um 1770.
ist weniger die etwas schwerfällige Blumenmalerei als der feine Goldrand zu beachten. Später schuf man in den Formen des Klassizismus interessante neue Gefäß- und Gerättypen. Der kleine Leuchter ist ein bescheidenes Beispiel dieser Art.
Brüning, Porzellan.
13
Abb. 148. Porzellan aus der Fabrik zu Fulda um 1770.
Kleinere deutsche Fabriken.
Fulda. Hier begründete der Fürstbischof Heinrich von Bibra (1759-1788) in den sechziger Jahren eine Porzellanfabrik. Das "Journal für Fabrik, Manufaktur und Mode" von 1797 berichtet über sie: "Die Porzellanfabrik von Fulda ist eingegangen. Sie verdiente mehr wegen der Schönheit ihrer Waren als wegen des Handels bemerkt zu werden. Sie setzte nur 8000 Taler ab und wurde auf fürstliche Rechnung betrieben." 1765-1766 war ein früher bei Wegely angestellter Arbeiter, Nicolaus Paul, Leiter der Fabrik.
Das kleine Rokokoschlößchen Wilhelmsthal bei Kassel enthält eine große Anzahl zierlichster Porzellanfiguren der Fuldaer Fabrik, Tänzer, Musikanten usw., die nebst den vereinzelt in den öffentlichen und privaten Sammlungen verstreuten Gruppen und Figuren hohe Achtung einfößen vor dem Können der Fuldaer Modelleure und dem Geschmack der Maler, die diese reizvollen Püppchen mit großer Liebe und Sorgfalt staffiert haben. Viele von den Figuren zeigen große Verwandtschaft mit jenen auf S. 173 erwähnten kleinen Figuren der Frankenthaler Fabrik (Abb. 126), so daß wohl derselbe Modelleur hier wie dort gearbeitet haben wird.
Die an Höchst erinnernden Kinderfiguren zeigen eine drollig
zierliche, oft auch linkische Anmut, die über die vielfach
mangelhafte Modellierung leicht hinwegtäuscht. Als Marken
wird ein einfaches oder doppeltes F und ein gleichschenke-
liges Kreuz in Unterglasurblau benutzt (Schrank 450).
Ansbach. Die 1759 in Ansbach begründete Fabrik
wurde schon 1762 nach dem Schlosse Bruckberg ver-
legt, wo sie unter dem Markgrafen Karl Alexander einen
ziemlichen Aufschwung nahm und besonders auf dem
Gebiete der Geschirrfabrikation gute Leistungen hervor-
brachte. Johann Friedrich Kändler, ein Vetter des Meißener
Künstlers, leitete das Unternehmen. 1807 wurde die Fabrik
verkauft.
Die abgebildete Kanne mit dem kleinen Köpfchen am
Ausguss zeigt eine anscheinend hier erfundene Form, die
Bemalung ahmt ein Stoffmuster nach. Die Anbietplatte
196 Kleinere deutsche Fabriken
mit einem Mädchen, das sich die Füße im Bache wäscht,
in einfarbiger Purpurmalerei, zeigt, daß Ansbach über gute
Maler gebot (Schrank 452).
Volkstedt bei Rudolstadt. In der zweiten Hälfte
des 18. Jahrhunderts wuchsen im Thüringer Walde, begünstigt
durch den großen Holzreichtum und die zahlreichen ver-
fügbaren Wasserkrafte, eine große Anzahl von Porzellan-
fabriken empor, die den Grund zu der großen Entwicklung
gelegt, die die Porzellanindustrie in jener Gegend im 19. Jahr-
hundert genommen hat. Aber von allen diesen in Volk-
stedt, Kloster Veilsdorf, Gotha, Gera, Limbach, Wallendorf,
Großbreitenbach, Ilmenau, Rauenstein, Blankenhain und
Eisenberg errichteten Fabriken rangen sich nur die drei
erstgenannten zu künstlerischen Leistungen empor.
Abb. 150. Solitaire. Volkstedt um 1770.
Die von Georg Heinrich Macheleid 1760 zuerst in
Sitzendorf, seit 1762 in Volkstedt errichtete Fabrik hat eine
größere Anzahl von Arbeiten, insbesondere feinere Malereien
geliefert, die ihrer Leistungsfähigkeit das beste Zeugnis
ausstellen. Wenn auch das große Speiseservice im Besitz des
Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt mit "Neubrandenstein"
und "deutschen" Blumen im Überschwall des Relieforna-
mentes künstlerisches Maßhalten vermissen läßt, so kommen
doch die feinen Stücke des ziervollen Solitaire (Abb. 150),
das das Monogramm der Prinzessin Maria Sybille von
Schwarzburg-Rudolstadt trägt, den besten Erzeugnissen der
großen Manufakturen nahe.
Kleinere deutsche Fabriken 197
Beliebt sind einfarbige Malereien in Eisernrot und Purpur, da sie nicht das technische Können der Buntenmalerei erfordern; sie sind vielfach, wie die beiden Köpfe auf der nach einem Berliner Modell angefertigten Anbietplatte und Tasse beweisen, meisterhaft ausgeführt (Abb. 151). Ein ebenfalls in Eisernrot bemaltes Frühstücksservice des Hamburgerischen Museums wiederholt Stiche von Chodowiecki; auch das Bild auf der Innenseite des Dosendeckels, das in einfarbiger Purpurmalerei ausgeführt ist, ist einem Stiche von Chodowiecki nachgebildet.
Als Marke führte man anfangs ein R., von 1766 bis in die achtziger Jahre gekreuzte Gabeln, in der Absicht, die
Abb. 151. Anbietplatte mit Tasse. Volkstedt um 1770.
Meißener Marke nachzuahmen. Als der Kurfürst von Sachsen dagegen Vorstellungen erhob, begnügte man sich mit einer Gabel.
Kloster Veilsdorf. Reizvolle Arbeiten, insbesondere fein abgestimmte bunte Malereien, lieferte auch die vom Prinzen Friedrich Wilhelm Eugen von Hildburghausen 1760 begründete, aber erst fünf Jahre später konzessionierte Fabrik zu Kloster Veilsdorf. Ihre Marke ist ein verschlungenes C.V. Sie ist in der Sammlung ebenso schwach vertreten wie die Fabrik zu
Gotha, der vielleicht die erste Stelle unter den thüringischen Manufakturen in Ansehung ihrer kunstreichen
198 Kleinere deutsche Fabriken
Erzeugnisse zukommt. Sie wurde in den sechziger Jahren von dem Oberhofmeister Kämmerpräsident Wilhelm von Rotenberg ins Leben gerufen und führte ein R. bzw. Rg, entsprechend dem Namen ihres Begründers, seit 1805 das Wort »Gotha« als Marke. Gotha ist vielleicht die einzige Fabrik, die den Stil Ludwigs XVI im Porzellan am edelsten und vornehmsten verkörpert hat. Mit schön gezeichneten Formen aus feiner Masse verbindet sich eine mit bestem Geschmack angewandte sparsame Ornamentik. Auch in den Formen des Empire schafft sie in Anlehnung an die Wiener Porzellankunst mannigfaltige Dekorationen.
Abb. 152. Teil eines Teeservices. Um 1730.
Hausmalereien.
Schon früh hatte man in Meißen über die "Pfuscher" zu klagen, d. h. über Maler, die außerhalb der Manufaktur auf eigene Faust weißes Porzellan dekorierten. Man kann sie Hausmaler nennen; die Franzosen sprechen von "chambrelans". Ihre Tätigkeit fällt in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, später lohnte es sich bei den allerorts aufblühenden Porzellanfabriken nicht mehr. Sie benutzten unbemaltes Meißener oder Wiener Porzellan, stellenweise auch Chinesisches.
Der bekannteste unter ihnen ist Ignaz Bottengruber, der in Breslau lebte. Der abgebildete Teller trägt auf der Rückseite die eisenrote Aufschrift: "A. B. f. Wratt: 1728."
Das reiche Laub- und Bandelwerk, in dem sich größere und kleinere Figuren, die den Winter darstellen sollen, bewegen, kehrt fast auf allen seinen Arbeiten wieder. Es wirkt ebenso wie die reiche, aber etwas trübe Färbgebung schwer. Wie hier und auf dem Gegenstück, das eine Allegorie auf den Herbst vorführt, deckt Bottengruber den ganzen Grund des Porzellans mit seiner Malerei. Aber während er bei den Tellern das organische Gefüge des Geschirrs nicht berücksichtigt, sondern vielmehr den Malgrund als ungegliederte Fläche behandelt, weiß er bei der höchst reizvoll dekorierten kleinen Flasche sich sehr geschickt der Form des Gefäßes anzupassen. Der Humpen mit Venus und Adonis in einer Laub- und Bandelwerkkartusche ist seinem Stil sehr verwandt, aber wohl nicht von seiner Hand, ebensowenig wie
200 Hausmalereien
die prächtigen Purpurmalereien auf dem Teeservice mit Zügen von Seewesen (Abb. 152, Schrank 430). Die Figuren sind sehr sicher und fein gezeichnet, während Bottengrubers Gestalten von derberem Schlage sind. Auch ist die punktierende Behandlung der Modellierung der Körper nicht seine Art. Auch Bottengruber benutzte Stiche, so auf einem Spülnapf der Sammlung des Ritter von Lanna in Prag einen Stich des Theodor de Bry, wie Pazourek nachgewiesen hat.
Abb. 153. Teller, bemalt von I. Bottengruber. Breslau 1728.
Zu gleicher Zeit mit Bottengruber arbeiteten in Breslau noch zwei andere Hausmaler, Preußler und Karl Ferdinand von Wolfsburg.
Von Preußler erzählt der Breslauer Arzt Kundmann 1723, daß er auf Wiener Porzellan „nur Grau in Grau oder schwartze Gemählde gemacht“ habe. Auf Grund dieser Bemerkung pflegt man Preußler eine große Anzahl Schwarzmalereien zuzuschreiben, die häufig mit etwas Gold gehöht sind (Abb. 154). Neben figürlichen Darstellungen
Abb. 154. Geschirr, bemalt von Preussler. Breslau um 1725.
benutzte er als Ornament fein gezeichnetes Laub- und Bandelwerkornament mit Vögeln (vgl. den Deckel der Teekanne). Dieselbe Art des Laubwerks und mäanderartig durchsteckten Bandelwerks zeigt auch die mit goldgehöhter Rotmalerei verzierte Tasse aus chinesischem Porzellan (Abb. 154 rechts). Auch der mit mythologischen Darstellungen in Schwarzmalerei bemalte Teller ist ebenfalls chinesisches Porzellan, das in China nur mit einem unterglasur- blauen Rande versehen ist. Bei einem ähnlichen Teller im Besitz des Herrn Dr. von Dallwitz sind Stiche des Benoît Audran nach zwei Gemälden von Francesco Albani im Louvre kopiert worden.
Abb. 155. Humpen, bemalt von K. F. v. Wolfsburg. Breslau 1729.
202 Hausmalereien
Verwandte Schwarzmalereien finden sich auch auf schlesischen Gläsern und Fayencen.
Ein schönes bezeichnetes Stück von Karl Ferdinand von Wolfsburg besitzt das Museum in dem Humpen, auf dem in trübem, bräunlichem Eisenrot gemalte Satyrn und Mänaden nebst Kindern eine Pansherme bekränzen (Abb. 155). Wolfsburg scheint seine Tätigkeit noch durch mehrere Jahrzehnte fortgesetzt zu haben. Am 11. Mai 1736 berichtete der sächsische Gesandte in Berlin nach Dresden, daß dort ein
Abb. 156. Teller, graviert von Busch. Hildesheim 1754.
Wolfsburg aus Schlesien sich aufhielt und der Kronprinzessin eine von ihm »en emaille« gemalte Garnitur aus Meißener Porzellan überreicht habe. Die Porzellansammlung und das Kunstgewerbemuseum in Dresden besitzen zwei Teller mit dem Wappen des Johann Christian von Benada und breitem Bandelwerk in Gold, auf deren Rückseite sich die Aufschrift findet: »peint par Charles Ferdinand de Wolfsburg à Breslau l'an 1748«.
Früh suchten auch Augsburger Maler mit den Dekorateuren der Meißener Manufaktur zu wetteifern. Die Tasse, auf der einzelne Figuren in einer Landschaft, umgeben von
Hausmalereien 203
einer lockeren Kartusche in Eisenrot und Purpur, dargestellt
sind, wird durch eine ähnliche Tasse in der Sammlung Franks
im Bethnal Green Museum in London als Arbeit des Augs-
burgers J. A. W. (J. Auffmwerth) gekennzeichnet. Andere, wie
Metzsch und Jucht, nennen sich auf Porzellanen derselben
Sammlung als Baireuther. Der auf kleine Plättchen von Por-
zellan und Fayence malende B. Calau (1771 u. 1773) arbeitete
in Berlin.
Eine besondere Technik übte der Kanonikus Busch
in Hildesheim. Er gravierte auf Gläser und Porzel-
lane schwarz eingeriebene Bilder im Charakter von Radie-
rungen, zumeist Viehstücke. Ein Flügelglas in der Glas-
sammlung trägt die Zahl 1748 (Schrank 610). Der abgebildete
Teller ist 1754 datiert. Die jüngste mir bekannte Arbeit, von
1774, ist eine Glasplatte mit einem Hirsch, der von Hunden
verfolgt wird, in der Sammlung des Oberjustizrats von dem
Busch in Hildesheim, die noch zahlreiche Arbeiten des
Kanonikus enthält.
Französisches Porzellan.
Schon vor der Erfindung des Hartporzellans durch Böttger war es in Frankreich gelungen, eine dem chinesischen Porzellan ähnliche Masse herzustellen. Es war ein weiches Frittenporzellan, ein dem Glase verwandter Stoff, dem aber ganz das charakteristische Element aller Tonwaren, der plastische Ton oder ein Kaolin, fehlte.
Es scheint, dass das Verdienst, diese Masse erfunden zu haben, dem Fayencefabrikanten Louis Poterat in Rouen zukommt. Er erhielt 1673 das Privileg, Porzellan nach dem Muster des chinesischen und Fayence in der Art der Delfter Ware zu verfertigen. Nach seinem Tode im Jahre 1696 ist die Fabrik bald eingegangen. Eines der sehr seltenen Produkte Poterats besitzt die Dresdener Porzellansammlung: eine Butterdose mit Blaumalerei im Stil der Rouener Fayencen (style rayonnant). Sie trägt die Marke A. P.
Bald nachher errichtete (vor 1696) Pierre Chicaneau in St. Cloud eine Porzellanfabrik, die von seinen Kindern und Henri Trou, der seine Witwe heiratete, weiter fort-
Abb. 157. Napf in Bronzefassung. Chantilly Mitte 18. Jahrh.
geführt wurde. Der Herzog von Orleans schenkte ihr später
seine besondere Gunst. 1777 wurden die Werke durch Feuer
vernichtet. Man ahmte in der schönen milchigen Masse
die »blancs de Chine« nach. Ein Stück dieser Art ist die
in Bronze gefaßte Zuckerdose mit Mumezweigen und Lotos-
blättern (Abb. 157, Schrank 448). Die Bronze ist zum Teil
vergoldet, zum Teil bemalt und mit bunten Porzellanblumen
garniert, der Knauf hat die Gestalt eines Schmetterlings.
Andere Geschirre zeigen in Blaumalerei ebenfalls den Dekor
der Rouener Fayencen. Als Marke diente unter Ludwig XIV.
eine Sonne, das Symbol des Sonnenkönigs. Später erscheinen
die Buchstaben S. C. T. (St. Cloud, Trou).
Unter den anderen
Weichporzellanfabriken,
die noch in der ersten
Hälfte des 18. Jahrhun-
derts entstanden, in Lille,
Mennecy, Villeroy, Chan-
tilly u. a. O., verdient die
letztere besondere Beach-
tung. Sie wurde nach
zehnjährigen Bemühun-
gen 1735 durch Ciquaire
Cirou begründet und
stand unter dem Patro-
nate des Prinzen Louis
Henry von Condé. Ihre
Marke war ein Jagdhorn.
Der Prinz besaß eine
Sammlung von Imitationen ImariporzelIanen, deren Formen
und Dekorationen von
der Fabrik mit Erfolg
nachgeahmt wurden. Sie bestand bis 1789.
Alle diese Unternehmungen wurden aber um die Mitte
des Jahrhunderts von einer neuen Gründung überholt, die,
von der Gunst des königlichen Hauses bestrahlt, sich zu
glänzender, über die Grenzen Frankreichs reichender Be-
deutung entwickeln sollte.
Zwei Brüder Dubois, die in St. Cloud, später in Chantilly
gearbeitet, aber wegen schlechter Führung entlassen worden
waren, hatten um 1740 auf eigene Faust sich mit der Be-
reitung von Porzellan beschäftigt und es verstanden, das
Interesse des Bruders des Finanzministers, Orry de Fulvy, zu
gewinnen. Er quartierte sie in dem Schloß Vincennes bei
Paris ein und unterstützte sie mit reichen Geldmitteln. Als
sie nach vierjähriger Arbeit noch nicht zum Ziel gelangt
waren und Orry de Fulvy schon das Unternehmen wieder aufgeben wollte, da bot sich ein intelligenter Arbeiter der Dubois, namens Gravant, an, die Versuche weiter fortzuführen. Diesem gelang es denn auch, mit Hinzuziehung von Arbeitern aus Chantilly, 1745 eine Masse zu finden, die in ihrer künstlerischen Zweckdienlichkeit die Masse der anderen französischen Fabriken übertraf. Es wurde nunmehr eine Aktiengesellschaft mit einem Fonds von 90000 Franks gegründet, der Ludwig XV. ein Privileg auf 30 Jahre ausstellte. Der Chemiker Hellot, Direktor der Akademie der Wissenschaften, wurde mit der Überwachung der technischen Arbeiten betraut, der Hofgoldschmied Duplessis wurde als Modellmeister zur Herstellung von Gefäßformen berufen. Der Emailmaler Mathieu Swurde Inspector der Maler, jedoch schon 1748 durch Jean-Jacques Bachelier ersetzt. Die Direktion erhielt Boileau.
1749 gab es etwa 100 Angestellte.
Die Fortschritte der neuen Fabrik waren bald so groß, daß man sich entschloß, 1753 das Unternehmen unter dem Titel »Manufacture royale de la porcelaine de France« auf eine breitere Grundlage zu stellen. Es wurde eine neue Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 800000 Franks gegründet, an dem der König mit einem Viertel beteiligt war. Die Fabrik erhielt die weitgehendsten Privilegien: den anderen Manufakturen wurde verboten, ihre Porzellane in anderen Farben als in Blau oder in einfarbiger Malerei zu dekorieren. Sie durften weder Gold anwenden, noch auch Figuren und Blumen herstellen.
Auf Betreiben der Pompadour, die für das Unternehmen große Liebhaberei hatte, wurde die Fabrik nach Sèvres, zwischen Paris und Versailles, verlegt, und an Stelle eines alten Schlosses des Musikers Lully ein neues, aber wenig praktisches Gebäude, in dem für den König eine Reihe von Gemächern hergerichtet wurden, erbaut. In den folgenden
Französisches Porzellan
Jahren stieg der Absatz gewaltig. Förderlich für den Verbrauch von Porzellan war die auf Befehl des Königs zweimal vorgenommene Einschmelzung alten Silbergeräts, als dessen Ersatz das Porzellan dienen mußte. Auch zu Geschenken an fremde Souveräne verwandte man jetzt das Porzellan. Infolge von Differenzen zwischen den Aktionären und dem königlichen Kommissar löste sich die Gesellschaft 1759 auf und Ludwig XV. übernahm die Manufaktur auf eigene Rechnung.
Abb. 160. Teller aus dem Service der Kaiserin Katharina. Sèvres 1778.
Trotz der reichen künstlerischen Veredlung, deren das Weichporzellan fähig war, blieb immer doch der Wunsch wach, eine für praktische Zwecke geeignetere Masse, ein Hartporzellan, herstellen zu können. Verschiedentlich waren schon Anbietungen an die Direktion von Leuten herangetreten, die sich anheischig machten, Hartporzellan zu fabrizieren; aber alle Versuche scheiterten an dem Umstand, daß man kein Kaolin besaß. Erst seit dem Jahre 1768, als man in der Gegend von St. Yrieix bei Limoges reichhaltige Kaolinlager entdeckte, begann allmählich die Herstellung von Hartporzellan in beschränktem Maße.
208
Französisches Porzellan
In den achtziger Jahren macht sich ein starker Rückgang der Fabrik bemerkbar, einerseits veranlaßt durch die Vorboten des drohenden Unwetters, das über Frankreich hereinbrechen sollte, andernteils durch die starke Konkurrenz anderer Fabriken, nachdem die freiheitlichen Anschauungen allmählich die alten Privilegien der Manufaktur weggeweht hatten. Trotzdem wollte Ludwig XVI. ein Institut, das dem französischen Namen Glanz und Ehre gebracht hatte, nicht aufgeben, obschon man 1790 ihm vorschlug, die Fabrik zu verkaufen. Unter den größten Schwierigkeiten hielt sie
Abb. 161. Vase. Sèvres um 1760.
209
Französisches Porzellan
209
sich selbst durch die Schreckenszeit der Revolution hindurch, bis im Jahre 1800 durch die Berufung des Chemikers Alexander Brogniard, des Begründers der keramischen Wissenschaft, für die Fabrik eine neue Ära begann. Brogniard führte ausschließlich die Herstellung von Hartporzellan ein. Auch Napoleon schenkte dem wiederbelebten Unternehmen seine Gunst, er sah in ihren Erzeugnissen ein geeignetes Mittel zu seiner Verherrlichung und verschönte sie in freigebiger Weise. Auch die wechselnden politischen Ereignisse des 19. Jahrhunderts gingen an der Manufaktur nicht spurlos vorüber, vermochten jedoch nicht eine Unternehmung zu vernichten, die bis auf den heutigen Tag als nationales Kunstinstitut und Musteranstalt der Stolz Frankreichs geblieben ist.
Das französische Weichporzellan ist, wie erwähnt, kein keramisches Produkt im eigentlichen Sinne, da es keinen Ton enthält, sondern es wird nur wegen seiner äußeren Erscheinung zum Porzellan gerechnet. In seiner Zusammensetzung nähert es sich dem Glase. Seine Bereitung war überaus kompliziert. Der Hauptbestandteil der Masse bildete eine glasige Fritte, zu deren Herstellung Quarzsand von Fontainebleau, Spatezer, Kochsalz, Soda, Aluun und Gips oder Alabasterspähne verwendet wurden. Diese Bestandteile wurden gut gemischt und einem etwa fünfzigstündigen Feuer ausgesetzt, das sie in eine weiße Frittenmasse verwandelte. Diese wurde dann pulverisiert und im Verhältnis von 3 zu 1 mit kreide- oder gipshaltigem Mergel verbunden. Nachdem diese Masse noch einem langwierigen Knetprozeß unterworfen und durch Zusatz von grüner Seife bildsam gemacht worden, war sie zur Bearbeitung fertig. Die Glasur, die durch Besprigen auf das zu Biskuit gebrannte Stück in geringerer Hitze aufgebracht wurde, wurde ebenfalls sehr umständlich aus Quarzsand, Bleiglätte, Feuerstein, Soda und Pottasche hergestellt. Da die Masse im Brande stark erweichte und schwand, bedurfte man vieler Stützen. Auch bei der Anfertigung der Formen mußte diesem Umstande Rechnung getragen werden: sie waren zumeist ziemlich glatt und einfacher in der Silhouette als die Hartporzellane.
Den technischen Mängeln der pâte tendre, ihrer leichten Schmelzbarkeit, ihrer schwachen Widerstandsfähigkeit gegen Temperaturveränderungen, der geringen Härte der Glasur, die sich leicht ritzen läßt, stehen andererseits große künstlerische Vorzüge gegenüber. Die Farben sinken beim Brande in die leichtflüssige Glasur ein, so daß ähnlich wie bei den Unterglasurfarben des Hartporzellans der Spiegelglanz der Glasur über ihnen liegt und ihre Leuchtkraft erhöht. Die niedrige Brenntemperatur der Glasur gestattet ferner die Anwendung schönerer Fondfarben, als es das Hartporzellan erlaubt.
Brüning, Porzellan.
14
Französisches Porzellan
Die Weichporzellane waren mehr Luxus- als Gebrauchsgerät, schon wegen ihrer beträchtlichen Herstellungskosten standen sie schon damals sehr hoch im Preise. Die besten Stücke befinden sich in der Wallace Collection im Hertford House zu London, im Besitz des Königs von England und der Rothschild.
Als Marke dienten seit 1753 zwei verschlungene L, zumeist in Blau, in deren Mitte die Buchstaben des Alphabets in fortlaufender Reihenfolge, bis 1777 einfach, dann verdoppelt, gesetzt wurden. Seit 1793 tritt das Wort »Sèvres« nebst anderen Zeichen ein. Man pflegte auch die Zeichen der Maler und Vergolder unter die Marke zu setzen, die der Maler in der Regel in Blau, die der Vergolder in Gold.
In den ersten Jahren der tastenden Versuche mußten noch fremde, insbesondere Meißener Porzellane als Vorbilder dienen. Zu dieser Gruppe der von Meißener Modellen abhängigen Gefäße gehört der Riechtopf (Potpourri) mit aufgelegten plastischen Blumen und bunter Blumenmalerei. Plastische Blumen von feinster Ausbildung machten überhaupt in den ersten Jahren weitaus den größten Teil der Produktion, im Jahre 1749 sogar Fünfschstel der gesamten Fabrikation aus. Die Marquise Pompadour soll eines Tages in ihrem Schlosse Bellevue ein ganzes Tréboules parfümierter Porzellanblumen dem Könige vorgeführt haben, so daß dieser anfangs geglaubt hatte, lebende Blumen vor sich zu haben. Diese Blumen fanden mannigfache Anwendung: sie wurden entweder als Strauß in eine Vase gesteckt, wie bei der kostbaren, von Porzellangruppen begleiteten, in Goldbronze montierten Vase, die die Gemahlin des Dauphin, die sächsische Prinzessin Maria Josepha, ihrem Vater König August II. zum Geschenk gemacht hat, und die sich jetzt in der Dresdener Porzellansammlung befindet, oder sie wurde an naturfarben gestrichenen Bronzezweigen befestigt und zu Wand- und Kronleuchtern vereinigt (siehe Raum 50).
Ähnlich wie die Porzellanblumen zum Schmuck von Geräten verwendet wurden, so pflegte man, besonders in späterer Zeit, Porzellanplatten verschiedener Gestalt als Möbeleinlagen zu benutzen. Die schönsten Möbel dieser Art befinden sich in dem Jones Bequest im Viktoria- und Albert-Museum zu London.
Bald aber entwickelte sich in Sèvres ein selbständiger eigenartiger Stil, der alle die künstlerischen Vorzüge, die das Weichporzellan gegenüber dem Hartporzellan besitzt, voll auszunutzen verstand. Die geschmeidigen weichen Formen werden mit Vorliebe mit bunten Fonds bedeckt, unter denen der tiefe »Bleu de Roi« schon 1749 erfunden wurde; er wurde von den ausländischen Manufakturen später
Französisches Porzellan 211
vielfach nachgeahmt. In der Frühzeit ist der königsblaue
Grund wolkig und durchsichtig; später wird er gleichmäßig
im Ton und opak. Vielfach wird er von einem Netz von
Goldlinien verschiedenartiger Musterung bedeckt. 1752 er-
fand Hellot ein schönes Türkisblau und 1757 Xhrouet jene
reizende Rosenfarbe, die, lange Zeit fälschlich mit dem
Namen der Dubarry bezeichnet, jetzt die Bezeichnung
»rose Pompadour« trägt. Sie war schwierig herzustellen
und daher selten. Das Königliche Schloß besitzt drei
prachtvolle Vasen mit »rose Pompadour« aus den Jahren 1757
und 1763. Noch seltener ist ein karmingelber Grund,
während zwei grüne Töne häufiger vorkommen.
Wie in Meißen werden die Fonds zunächst so an-
gewandt, daß sie die ganze Fläche des Gefäßes decken und
nur einzelne mit Malerei verzierte weiße Felder freilassen.
Häufiger und eine spezielle Erfindung von Sèvres ist die
Verteilung der Fondfarben in Zonen, wie bei dem Teller
aus dem Service der Kaiserin Katharina (Abb. 160),
oder in breiten, geschweiften und vielfach verschlungenen
Bändern, sowohl in einem wie mehreren Tönen nebeneinander
(Abb. 158). Begrenzt werden die Flächen des den Grund
deckenden Tones durch Goldornamente. Der erwähnte Teller
gehört zu einem Service von 744 Stück, das 1788 abgeliefert
wurde. Die Kaiserin weigerte sich, die Summe von 333317
Livres, die das Service kosten sollte, zu bezahlen. Bei einem
Brande in Tsarskoe Selo wurde ein Teil des Geschirrs
zerstören und zum Teil das Monogramm der Kaiserin
abgeschliffen, wie bei der Teekanne im Besitz des Herrn
Dr. F. Clemm in Berlin.
Die Kunst, das Gold auf dem Porzellan zu befestigen,
hatte man für eine verhältnismäßig hohe Summe dem Bene-
diktiner Hippolyte an der Abtei St. Martin des Champs
abgekauft. Das Gold wurde ziemlich dick aufgetragen und
die Zeichnung auf demselben mit einem Nagel eingritzt.
Erst seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts bediente man
sich zur »Radierung« des Goldes eines Achatstiftes.
Für die Bemalung der ausgesparten weißen Felder zog
man Fächer- und Emailmaler heran. Blumen und Vögel
sind die beliebtesten Motive, daneben Amoretten und
Pastorale in der Art Bouchers, der sowohl für die Malerei wie
die Plastik von Sèvres Entwürfe geliefert hat. Einige seiner
für die Manufaktur geschaffenen, in Stichen vervielfältigten
Vorlagen besitzt die Ornamentenstichsammlung. Erst später
nimmt die figürliche Malerei jeglicher Art überhand.
Trotz der glänzenden Farbenpracht, in der die so deko-
rierten Porzellane gekleidet sind, wirkt dieser Schmuck doch
gegenüber der maßvollen Zier der deutschen Porzellane
212 Französisches Porzellan
schwerfällig und prunkend. Eine Ausnahme bilden die nur mit Gold oder in einer Farbe dekorierten Gefäße, bei denen ein Purpur oder Blau in Verbindung mit Gold ohne Fondfarben bevorzugt ist. Hier kommt auch die schöne milchige
Abb. 162. Vase. Sèvres um 1770.
Masse zur Geltung. Auch der später beliebte Dekor »oeil de perdrix«, bei dem in leicht getöntem Grunde Punktkreise ausgespart sind, zeichnet sich durch gefällige Anmut aus. Vollig unterdrückt wird die Masse vollends durch jene prunkhaften, von Parpette, dem Genfer Cotteau und dem
Französisches Porzellan 213
Vergolder Le Guay geübte Dekoration des Juwelenporzellans (»porcelaine à émaux«, »jewelled porcelain«), bei der die Technik des Email auf Gold auf das Porzellan übertragen ist. Sie erscheint stets in Verbindung mit einem tiefen gleichmäßigen königsblauen Grund. Die Ornamente wurden aus durchsichtigen und opaken Schmelzflüssen gebildet, die auf scharfkantigen Goldblättchen befestigt sind, und aus aufgekitteten, fein getriebenen und ziselieren Stückchen Goldblech.
Gegen Ende des Jahrhunderts läuft die Fabrikation von Sèvres in Form und Dekoration in denselben Strom ein, wie die der deutschen Manufakturen. Wenn vielleicht auch manche der geometrischen Elemente dieser Geschirrsmachrichtung in Sèvres entstanden sind, so hat doch die Manufaktur das eigenartige Gepräge verloren, das sie bis dahin ausgezeichnet hat.
Ebenso wie Sèvres in der Geschirrfabrikation zu einem selbständigen Stil gelangt ist, so auch in der figürlichen Plastik. Anfangs hatte man, wie in Meßen, die Figuren glasiert und auch Versuche gemacht, sie zu bemalen. Zu den sehr seltenen Beispielen dieser Art gehören die beiden weißen glasierten Gruppen neben der auf der Seite 210 erwähnten Blumenvase in der Dresdener Porzellansammlung. Dieselben haben ganz den Stil der Meißener Figuren und sind vielleicht unmittelbare Nachbildungen Meißener Modelle. Ein glasiertes und bemaltes Mädchen mit einem Vögelnorb im Arm befindet sich im keramischen Museum in Sèvres. Es scheint, daß insbesondere die Leichtigkeit der Glasur, die eine scharfe Ausprägung der Einzelheiten verhinderte, bald von diesen Versuchen abbrachte, auf diesem Wege mit der Plastik Meißern zu wetteifern.
Schon 1749 hatte Bachelier die Herstellung von Biskuitfiguren in Vorschlag gebracht. Indessen, er fand kein Gehör. Erst zwei Jahre später kam sein Plan zur Ausführung, und es entstanden jetzt jene graziosen Gruppen und Figuren, die zum Teil in der vollendeten Modellierung, wenn auch nicht an keramischem Reiz, die deutschen Porzellanfiguren überflügeln. Die feine Masse, deren gelblicher, warmer Ton dem Marmor an Wirkung nahekommt, gestattet die schärfste Wiedergabe auch der kleinsten Zufälligkeiten.
Anfangs lieferte François Boucher Skizzen zu den Modellen. Es sind Kindergroupen, Schafernszenen, mythologische Figuren usw., in den ersten Jahren beherrschte er ganz die Plastik von Sèvres. Auch die abgebildete Gruppe »La Lanterne magique« geht auf ihn zurück. 1757 wurde der gefeierte Falconet Vorsteher der Modelleure und schuf im Verein mit Pajou, Pigalle, Clodion, Caffiéri, Le Riche u. a.
zahlreiche Modelle. Vielfach wurden auch seine und anderer Bildhauer Marmorwerke einfach in Biskuit kopiert, so z. B. sein berühmtes Werk von 1763 »Pygmalion und Galathea«, dessen Biskuitnachbildung Herr Dr. Darmstädter besitzt. Falconet wurde 1766 von der Kaiserin Katharina nach Petersburg berufen um dort eine große Reiterstatue Peter des Großen anzufertigen. Nach seinem Fortgang wurde Bachelier, von 1774—1809 Boizot Leiter der Modellierabteilung.
Von den für Sèvres hergestellten Modellen sind besonders die Darstellungen berühmter Schauspieler sowie
Abb. 163, Gruppe nach Boucher, „La Laterna magique“. Sèvres um 1750.
die Wiedergabe von Theaterszenen zu bemerken, z. B. von Schauspielen, die Marie Antoinette in ihrem Theater in Trianon aufführen ließ. Ebenso wie in Deutschland wurden auch hier eine größere Anzahl von Gruppen und Figuren zu einem geschlossenen Ganzen als Tafelaufsatz, „Surtout de table“, vereinigt. So gab es einen „Surtout de Bacchus“, „Surtout des chasses“, „Surtout du service olympique“ u. a. 1808 machte Napoleon dem Kaiser von Rußland ein ägyptisches Service zum Geschenk, dessen Aufsatz Tempel, Obelisken usw. darstellten. Es kostete 44600 Franks.
Seit 1774 wurden jährlich zwei Statuetten berühmter Männer für den König verfertigt. Zwanzig dieser Bildnisse, die zumeist wenig gelungen sind, wurden dem Prinzen
Französisches Porzellan 215
Heinrich von Preußen bei seinen Besuchen in Paris 1784 und 1788/89 von Ludwig XVI. geschenkt und befinden sich noch jetzt im Königlichen Schloß zu Berlin.
Später ging man auch dazu über, die weißen Reliefs Wedgwoods auf blauem Grund nachzuahmen. Zwei von Boizot modellierte Medaillons dieser Art mit Venus und Amor besitzt die Sammlung.
Von den anderen in Frankreich gegen Ende des Jahrhunderts entstehenden Porzellanfabriken ist insbesondere die von Niderviller zu erwähnen, die auch zahlreiche Figuren und Gruppen, zumeist in Biskuit, hervorgebracht hat. Unter den Pariser Manufakturen — im Jahre 1805 gab es in Paris schon 27 Porzellanfabriken — nahm insbesondere die von Guerhard und Dihl 1781 begründete »Manufacture du Duc d'Angoulême« eine hervorragende Stelle ein.
Nach einer Mitteilung des »Journal für Fabrik, Manufaktur und Mode« von 1801 wurden hier Porzellanlegende von fast 1 m Breite hergestellt, ein Beweis für ihre große Leistungsfähigkeit. Auch andere Manufakturen erfreuten sich des Schutzes hoher Patrone und vermochten so schon verhältnismäßig früh die Alleinherrschaft von Sèvres zu brechen, so die 1778 in der Rue Thiroux angelegte »Fabrique de la Reine«, welche Marie Antoinette unter ihren Schutz nahm, und die »Manufacture du duc D'Orléans«, die 1783 am Pont-aux-Choux eingerichtet wurde. Die Sammlung besitzt einige der zumeist mit regelmäßig geordneten Streublümchen dekorierten Porzellane dieser Fabriken (Schrank 448).
Englisches Porzellan.
Auch das englische Porzellan, dessen Zusammensetzung in den einzelnen Fabriken verschieden war, ist ein Weichporzellan. Unter seinen Bestandteilen kommt der Knochenasche, die der Masse besondere Eigenschaften mitteilt, eine ziemliche Bedeutung zu, so daß man auch schlechthin von »Knochenporzellan« zu sprechen pflegt. Auch das Knochenporzellan wird ohne Glasur als Biskuit gar gebrannt und dann bei schwächerem Feuer in der Muffel mit der Glasur versehen. Es besitzt hohe Leichtigkeit und Durchscheinbarkeit, sowie wegen seiner niedrigen Brenntemperatur dieselbe reiche Dekorationsfähigkeit wie das französische Weichporzellan.
Wenn auch das englische Porzellan sich in seiner Heimat einer hohen Wertschätzung erfreut, so gebührt ihm doch innerhalb der Geschichte des Porzellans nur eine ziemlich untergeordnete Stellung. Die japanischen Imariporzellane, die Meißener Arbeiten und insbesondere die Produkte von Sèvres sind die unmittelbaren Vorbilder für die englischen Porzellanfabrikanten gewesen, über die sie nur selten durch selbstständige Leistungen hinauskamen. Die englische Porzellankunst ist im 18. Jahrhundert nur empfangende, nie der gebende Teil gewesen. Die Formen erinnern vielfach an die unklaren Pseudorokokoformen, wie sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland üblich waren. Die Plastik, bei der die glasierten und bemalten Figuren vorherrschen, ist zumeist weiblich und süßlich, Mängel, die zum Teil in der Natur des Weichporzellans begründet sind. Wenn man sie sieht, versteht man es leicht, daß Sèvres überhaupt auf die glasierte Porzellanplastik verzichtet. hat. Glänzend sind allerdings zum Teil die Farben, von einer Schönheit und Leuchtkraft, wie sie selten anderswo hervortritt; auch die Malerei erreicht häufig den höchsten Grad der Feinheit und Vollendung.
Englisches Porzellan
An künstlerischer Bedeutung überragt alle anderen englischen Porzellanmanufakturen die Fabrik zu Worcester, die 1751 von dem Arzt Dr. John Wall und dem Apotheker William Davis gegründet wurde. Die Erzeugnisse der Fabrik zeichnen sich durch einige wundervolle farbigen Glasuren aus, die an Schönheit mit den bunten Fonds von Sèvres wetteifern. Der königsblaue Grund ist häufig schuppenartig gemustert oder netzartig getupft. In den leeren Feldern, die von den zierlichsten Goldrocailles eingerahmt sind, sind mit Vorliebe Phantasievögel in leuchtenden bunten Farben dargestellt.
Ungefähr um dieselbe Zeit beginnen auch die Anfänge der Porzellanfabrikation in Chelsea, dessen kleine, in Form von Figuren und Gruppen gestalteten Riechfläschchen zu den am meisten geschätzten Artikeln des Kunstmarkts gehören. Die Fabrik ist in der Sammlung noch verhältnismäßig am besten vertreten.
Die Schüssel, deren Rand goldene Schmetterlinge auf kleinen königsblauen Feldern zeigt, stammt aus einem Service, das vom König von England dem Herzog von Mecklenburg geschenkt wurde. Ein besonders stattliches Stück ist die Pastetenbüchse in Gestalt einer Henne, die unter einem Glassturz neben dem Schrank 448 steht. Ein paar mit Purpurfonds geschmückte kleine Vasen zeigen auf dunkelbraunem Grunde männliche und weibliche Porträts in Grisaillemalerei (Abb. 164). Die Form der Vasen lehnt sich an ein Sèvresmodell an.
Abb. 164. Vase. Chelsea um 1770.
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218
Englisches Porzellan
Im Jahre 1770 vereinigte der Porzellanfabrikant William Duesbury die Fabrik von Chelsea mit seiner in Derby gelegenen Manufaktur; einige Jahre später verschmolz er auch die Bestände der Porzellanfabrik Bow damit zu einem umfangreichen Unternehmen.
Der bedeutendste englische Keramiker Josiah Wedgwood tritt in der Geschichte der Porzellanfabrikation nicht hervor.
Italienisches und spanisches Porzellan.
Der Emailmaler Hunger, der bei der Begründung der Wiener Manufaktur eine Rolle gespielt hatte (Seite 106), hat das Verdienst, die Herstellung des Porzellans auf italienischem Boden eingeführt zu haben. 1720 geht er auf Veranlassung des venetianischen Gesandten in Wien nach Venedig und fabriziert dort bis zum Jahr 1725 Porzellan, und zwar Hartporzellan aus Schnorrscher Erde. Als das Kaolin ausblieb, kehrt er wieder nach Deutschland zurück.
Später besaß ein gewisser Geminiano Cozzi eine Porzellanfabrik in Venedig, in der die abgebildete Vase hergestellt sein wird. Die Farben sind schwer und trübe, das Eisenrot hat einen dunklen, unreinen Ton.
Während die von Marchese Carlo Ginori in Doccia bei Florenz 1735 errichtete Porzellanfabrik nur bescheidenen Umfang gehabt, entstand eine Manufaktur von ganz außer-
220
220 Italienisches und spanisches Porzellan
ordentlicher Leistungsfähigkeit in Capo di monte bei Neapel.
Karl II., der König beider Sizilien, der dem spanischen Zweige der Bourbonen angehörte, hatte sich 1738 mit der sächsischen Prinzessin Maria Amalia Walpurga vermählt. Diese nahen Beziehungen zu Meissen gaben offenbar den Anstoß zur Errichtung der Fabrik, die im Park von Capo di monte angelegt wurde. Als Karl dann 1759 nach dem Tode seines Bruders auf den spanischen Königsthron berufen wurde, verlegte er das ganze Unternehmen nach Buen Retiro, einem Lustschlosse bei Madrid. Ein großer Teil der Arbeiter, darunter die Modelleure Giuseppe Gricci und Cayetano Schepers, siedelten nebst ihren Gerätschaften usw. nach Spanien über und arbeiteten dort in demselben monumentalen Stile weiter, wie in Capo di monte.
Im Jahre 1812 ging die Fabrik ein.
Abb. 166. Venus und Amor. Buen Retiro um 1760.
monte wie in Buen Retiro Weichporzellan verarbeitet wurde, sind die technischen Leistungen wegen des ungewöhnlichen Maßstabes der Porzellanwerke ganz erstaunlich. Es wurden nicht nur zur Ausstattung der Königlichen Schlösser Porzellanfiguren von außerordentlicher Größe angefertigt, sondern es wurden sogar ganze Zimmerdekorationen an Stelle der Vertäfelungen aus Porzellan hergestellt, was bis dahin keine Fabrik versucht hatte.
Italienisches und spanisches Porzellan
Für das Schloß in Portici wurden Wanddekorationen mit Rundfeldern angefertigt, in denen chinesische Figuren, Tiere, Musikinstrumente u. a. dargestellt waren. Sie sind seit 1865 im Schlosse Capo di monte aufgestellt. Ein mit Porzellanplatten bekleidetes Zimmer, ebenfalls mit Chiniosieren, wurde 1763 von Giuseppe Gricci für das Schloß zu Aranjuez fertig gestellt. Ein drittes Gemach mit Porzellanvertäfelung, bei dem sogar die Decke mit Porzellanfliesen ausgelegt ist, befindet sich im Schlosse zu Madrid.
Aber auch die Arbeiten kleineren Maßstabes, die in Capo di monte geschaffen wurden, zeichnen sich durch charaktervolle Eigenart aus. Den allerdings in außeritalienischen Sammlungen sehr seltenen Figuren ist feuriges Temperament, lebendige, flotte Modellierung und glänzende Bemalung eigen. Bezeichnend ist die Bemalung der nackten Körperteile mit nebeneinandergesetzten eisenroten Pünktchen. Vier schöne Leuchter, die Jahreszeiten darstellend, besitzt das Österreichische Museum für Kunst und Industrie. Als Träger von Schalen, Salzfässern usw. werden gern Trägerinnen und Najaden verwendet. Die Kaffeeservice sind häufig mit feinen, bemalten Reliefs bedeckt. Später kamen auch Arbeiten in der Art Wedgwoods vor. (Siehe die Medaillons an Wand 442.)
Im Jahre 1771 richtete Ferdinand IV., der Sohn Karls III. eine neue Fabrik in Neapel ein, deren Erzeugnisse stark unter dem Einfluß der antiken Kunstwerke standen, die damals bei der Ausgrabung der Vesuvstädte bloßgelegt wurden. Vielfach berühren sie sich auch, wie die tiefe Schale im Schrank 449, mit den Arbeiten der Wiener Manufaktur. Um seinem Vater das Können seiner Fabrik zu zeigen, ließ der König 1782 ein großes Service herstellen, für das die Bronzen und Gemälde des Museums in Herculaneum als Vorbilder dienen mußten. Der Dessertsaufsatz stellte in Biskuitfiguren dar, wie Karl III. den von seiner Familie umgebenen Sohn zur Fortsetzung der Ausgrabungen in Herculaneum anfeierte, ferner Büsten nach Antiken und eine Eberjagd. Der aus Wien geholte Modellmeister Filippo Tagliolini modellierte für diesen Zweck die königliche Familie. Bei einem zweiten Service von 180 nach antiken Vasen gebildeten Stücken, das 1787 für Georg III. von England gefertigt wurde, waren in Biskuit Gladiatorenkämpfe unter dem Vorsitz Tarchons, des Königs der Etrusker, dargestellt. Von beiden Servicen haben sich ausführliche, in der Bibliothek des Museums vorhandene Beschreibungen erhalten. 1821 wurde die Fabrik aufgelöst.
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